Ringförmige Sonnenfinsternis

3. Oktober 2005 / Denia, Spanien

 

Ein kleines Team des Astroteam Mariazellerland unter der Leitung von Günther Eder hat sich nach Spanien aufgemacht, um die letzte Ringförmige Sonnenfinsternis für viele Jahre, die von Europa aus zu sehen ist, zu beobachten. Trotz der relativen Nähe ("nur" etwas mehr als 2.000 km von der Heimat entfernt) und der Zivilisiertheit des Landes wird auch diese kleine Expedition einmal mehr ein Abenteuer - und ein schöner Teamerfolg.

 

30. 9. - Ankunft


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Unser Team reist auf unterschiedlichen Wegen an; während Angelika und Günther Eder sowie Herta und Walter Simotta die beschwerliche - und leider von unerfreulichen Hindernissen begleitete - 2.200 km lange Strecke von Mariazell nach Denia mit dem Auto bewältigen, habe ich das doch etwas bequemere Flugzeug gewählt; freilich kann ich nicht so viel Ausrüstung mitnehmen, aber zur Fotografie einer Sonnenfinsternis reicht bekanntlich eine Kamera mit Teleobjektiv. Dieses hat meine kleine Minolta Dimage Z3 eingebaut und selbst das mitgenommene Stativ ist Luxus. Ich nehme in Valencia einen Mietwagen und wie es der Zufall will, Günter und ich erreichen Denia im Abstand von nur 10 Minuten!

Günther hat ein erstklassiges und dennoch preiswertes Quartier reserviert, die Villa Pink Flamingo (der Name klingt zugegebener Massen etwas anrüchig). Die nette Privatpension liegt am Fusse des Montgó hoch über Denia mit herrlichem Fernblick nach Norden und Osten, ein Umstand, der sich im Lauf der nächsten Tage noch als schier unbezahlbar herausstellen soll.

Warum die Villa so heisst, wird am ersten Abend offenkundig, als sie im abendlichen Sonnenlicht wirklich die Farbe eines Flamingo annimmt. Natürlich wurde mit Farbe ordentlich nachgeholfen. Das Wetter? Der Himmel ist ziemlich von Cirren überzogen. Was daraus wird, kann mangels Internet nur lokale Beobachtung interpretieren. Es ist ja auch eine der eisernen Regeln bei Finsternisreisen: Immer ein paar Tage vor der Finsternis am Beobachtungsort sein, um das lokale Klima kennen zu lernen. Das tun wir auch.

Doch zunächst erwartet uns eine schöne Beobachtungsnacht, in der der riesige Montgó im Licht von Denia schimmert und sich Mars und Pleiaden im Pool spiegeln. Ob es sicht auszahlt, ein Fernrohr aufzustellen, um den Mars genauer zu beobachten? Immerhin steht er hier ja noch um fast 10° höher als bei uns daheim. Doch das starke Funkeln der Sterne deutet an, dass das wohl keinen Sinn machen wird.

Was hier schon als Herbst bezeichnet wird, ginge bei uns alle Mal noch als Sommer durch. Die Nacht ist mild. Und Gelsen sind eine unliebsame Begleiterscheinung. Ach, deshalb die Moskitonetze über den Betten. In diesen Breiten sind wir also wieder ...


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1. 10. - Vorbereitung


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Der Sonntag empfängt uns strahlend blau, und heute gilt unsere ganze Aufmerksamkeit unserer Ausrüstung. Denn am Tag X, also übermorgen, muss alles klappen und es muss auch noch genügend Zeit sein, um das eine oder andere zu basteln oder zu reparieren. Doch alles klappt. Günther hat viel Ausrüstung mitgebracht: Ein C8 und ein Refraktor können wahlweise auf einer schweren Montierung eingesetzt werden. Walter steuert ein Meade ETX und ein Coronado PST bei. Ich begnüge mich mit meiner kleinen Z3.

Ich habe auch einen 3x Telekonverter für die Z3 mit, den ich einst für eine Videokamera angeschafft hatte. Er gibt ein grosses Bild, aber leider keine Schärfe. Also verzichte ich auf ihn. Das 12x optische Zoom macht die Sonne ausreichend gross. Damit "steht" die Ausrüstung für übermorgen.

Dann zur Frage, von wo aus beobachten? Vom Pool aus geht es nur ganz, ganz knapp bzw. nur mit dem Risiko, eine Kamera oder ein Teleskop zu versenken. Also sondieren wir einen guten Platz hinter dem Haus. Von dort aus ist die Finsternis in vollem Verlauf zu beobachten. Auch die Sache ist geklärt. Jetzt brauchen wir nur noch gutes Wetter.

Am Nachmittag erkunden wir die Umgebung. Man kann ja nie wissen und ausserdem möchten wir auch von der Gegend etwas sehen. Die Strassen sind hier, in dieser gebirgigen Region nahe dem Cap San Antonio, recht kurvenreich. Schnelles Weiterkommen ist da nicht immer möglich. Nur nach Norden geht es schnell, denn da erstrecken sich endlose Sandstrände.


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2. 10. - Verpatzte Generalprobe


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In der Nacht - wir haben Wolfgang und Andrea Valentin in Moraira besucht - ziehen Wolken auf. Ernst? Am Morgen dann das böse Erwachen: Es ist bedeckt! Der erste Gedanke wird hier besser nicht wiedergegeben. Der zweite Gedanke: Gott sei Dank ist erst morgen die Finsternis! Doch Schlechtwetter am Ort der Beobachtung ist immer eine ungute Sache. Werden die Wolken rechtzeitig abziehen? Ist das normal? Ein Lichtblick: Im Nordosten, am anderen Ende der Bucht, scheint offensichtlich die Sonne. Da wir hier kein Internet haben, beginnt an diesem Sonntagmorgen ein hektischer Austausch an Informationen, an dem wohl am ehesten die Betreiber der Handynetze ihre Freude haben.

Ferndiagonose: Kaltfront. Das heisst, nach dem Durchzug wechselhaft bewökt. Doch zunächst bleibt es bedeckt und wäre heute Finsternis, hätten wir die Sonne kein einziges Mal gesehen ... Na ja, das kann prinzipiell passieren bei nur 50% Chance.

Wir erkunden die Gegend. Moraira, wo Valentins beobachen: Bedeckt. Calpe, wo die Tour von Rudolf Conrad ihr Ziel hat: Bedeckt. Doch am Nachmittag bessert sich das Wetter wieder. Binnen weniger Stunden ziehen die Wolken von Nordosten her ab und so liegt unser Denia am Abend wieder in der Sonne. Etwas geschockt und doch erleichtert sitzen wir am Abend mit deutschen Kollegen, die mittlerweile angreist waren, zusammen. Erfahrungen von anderen Finsternissen werden ausgetauscht und auch Pläne geschmiedet, was wir im Falle des Falles machen.


 

3. 10. - Der morgendliche Kick


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Thomas Weiland weilt auch in der Region. Sein Anruf rüttelt mich aus meinem unruhigen Schlaf und verheisst nichts Gutes. In der Tat ist es wieder sehr stark bewölkt heute morgen, oder besser, heute Nacht, denn die Sonne wird erst nach 8 Uhr hier aufgehen. MESZ auf 0° Länge ist eigentlich schon verrückt. Ich blicke aus dem Fenster und sehe, dass von Norden her der Himmel doch aufklart.

Die Wolken ziehen, aber wie? Es sind drei Schichten. Hohe, cirrusartige, sie ziehen nach Osten ab. Mittelhohe Schäfchenwolken ziehen von Norden Richtung Meer (das spanische Festland liegt im Norden). Und dann sind noch die tiefen, schwarzen Wolken ...

Zur Geografie: Denia liegt nahe dem Cap San Antonio. Hier dreht die ansonsten von Nordosten nach Südwesten laufende Küste nach Osten. Die Bucht liegt im Norden, dahinter das Festland. Im Süden liegt das Cap und vor allem der mehr als 700m hohe Montgó. Und hier fangen sich die Wolken. Die Bucht im Norden liegt in der Sonne. Nach kurzer Beratung beschliessen wir, die Villa als Beobachtungsort aufzugeben und nach Norden zu "fliehen". Wir sind mit zwei Autos unterwegs. Günther, Angelika, Walter und Herta mit einem, mein heutiger Begleiter Malte Scholz aus Müchen und ich mit dem zweiten. Die Devise lautet: "Weit weg, jeder für sich, denn für langwierige Koordination in unbekanntem Gelände bleibt keine Zeit". Andrea nennt das später einen "ungeordneten Rückzug", doch der rettet uns die Finsternis. Unglaublich, wie wichtig es war, das Klima und die Gegend ein paar Tage lang zu erkunden.

Malte und ich finden einen riesigen, fast menschenleeren Strand, von wo aus die abziehenden Wolken bereits tief genug stehen. Günther und Team sind letztlich keine 500m von uns entfernt.

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3. 10. - Ein Ring, um alle zu beherrschen


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Die hektische "Flucht" von der Villa Pink Flamingo nach Norden hat uns zwar den ersten Kontakt gekostet, doch das ist nicht wirklich ein Verlust. Über dem menschenleeren, endlosen Sandstrand ist der Himmel zweigeteilt: Im Westen die abziehenden, dunklen Wolken. Im Norden und Osten tiefblau. Die Sonne strahlt aus dem tiefblauen Teil, und bald macht sich ein erleichtertes Gefühl breit, das es klappen könnte.

Bald sind die Geräte aufgestellt. Zum Beobachten einer Finsternis braucht man ja wirklich nicht viel. Die ersten Aufnahmen der partiellen Phasen mache ich sogar aus der Hand, nur mit der Z3. Das optische Zoom maximal (entspricht 420mm Kleinbildformat), unter Vermeidung des Digitalzoom, nur mit Baaderfolie. Etwas später stelle ich dann doch auch ein Fotostativ auf, ist doch bequemer. Malte baut eine EQ5 Montierung mit einem kleinen Maksutov auf, durch den er die Finsternis fotografiert. Etwas weiter entfernt steht ein Pärchen aus Frankreich mit einem kleinen Refraktor und einem Coronado PST.

Die partielle Phase läft, und zwar überraschend schnell. Ein Ehepaar aus den Niederlanden gesellt sich zu uns, sie wissen von der Finsternis und beobachten mit uns mit. Ich helfe mit Finsternisbrillen aus. Das fahle Finsternislicht kommt auf, bei jeder totalen Sonnenfinsternis der Auslöser für einen Adrenalinschub schlechthin. Es ist kühl. Trotz recht hoch stehender Sonne ist der Pullover mehr als nur angebracht, dabei geht kein Wind. Ich finde in der Nähe eine Palme, deren Schatten auf eine weisse Wand fällt. Herrlich! So viele Finsternisbilder auf einmal!

Es wird nicht wirklich dunkel und auch die scharfen Schatten, die unmittelbar vor der Totalität bei einer totalen Finsternis die Szenerie so unwirklich erscheinen lassen, fehlen heute. Das Licht wird diffus, doch um die Stimmung einzufangen, muss ich die Aufnahmen unterbelichten. Unmöglich auch, ohne Finsternisbrille in die Sonne zu schauen. Kein Wunder, bleiben doch 10% der Sonnenfläche unbedeckt. Knapp vor der Ringförmigkeit kommt eine Familie aus England an den Strand - zum Baden. Sie wissen offenbar nichts von der Finsternis. Wir helfen mit Finsternisbrillen und Baaderfolie, das Erstaunen ist gross. Nicht einmal ein Dutzend Leute sind jetzt hier, bunt gemischt, aus England, Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und Österreich. Das ist gut so. Denn eine Finsternis braucht eigentlich - Stille. Jetzt ist es so weit.

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Wenn es eine Panne gibt, dann die, dass ich irriger Weise angenommen habe, meine Funkuhr am Handgelenk würde die verlässliche Zeit wiedergeben. Irrtum! So weit weg von Darmstadt funktioniert sie natürlich nicht und geht daher einige Sekunden falsch. Damit erwische ich den zweiten Kontakt nicht ganz genau und muss auch improvisieren und die Mitte der Finsternis nach Augenmass bestimmen - was auch nicht hundertprozentig gelingt. Aber auch die leichte Asymmetrie im Ring kann ich verschmerzen.

Schnell zur Palme. Ihr Schatten produziert viele Ringe auf der weissen Wand, herrlich! Was für ein Naturschauspiel. Es ist auch reichlich Zeit, die ringförmige Phase dauert hier 4 Minuten und 14 Sekunden, in etwa so lange wie die Totalität 2001 in Sambia. Die Fotos sind rasch gemacht, ein Blick mit der Finsternisbrille, schon eingenartig, dieser Ring am Himmel. Sterne, Planeten? Nein, viel zu hell. Merkur und Jupiter sollten nahe der Sonne stehen, aber der Himmel ist hell und blau. Ein Foto? Nein, geht nicht. Mit einer Sekunde Belichtungszeit ist alles weiss. Corona? Geht schon gar nicht. Eine Ringförmige Sonnenfinsternis ist eben keine Totale Sonnenfinsternis. Ein paar Blicke über den Strand. Fahles, diffuses Licht, aber hell. Und es ist noch immer sehr kühl. Das Ende naht. Den dritten Kontakt erwische ich perfekt, trotz falscher Uhrzeit. Malte blickt durch sein Teleskop und sagt den Zeitpunkt ganz genau an. Klick.

In Ruhe fotografieren wir nun die partiellen Phasen. Wie bei jeder Sonnenfinsternis, deren Höhepunkt erfolgreich über die Bühne gegangen ist, ist die Stimmung geprägt von Erleichterung, grenzenloser Freude und auch einer gewissen Erschlagenheit, da das Gesehene erst einmal geistig verdaut werden muss.

Es wird jetzt rasch wärmer. Weg mit dem Pullover, und bald werden auch Schuhe und Socken obsolet. Barfuss am Strand eine Sonnenfinsternis beobachten, das ist schon fein, vor allem im Oktober!

Nach dem Ende der Finsternis vereinigen sich unsere Teams wieder. Es gibt viel zu berichten und vor allem zu feiern.


Noch ein paar technische Daten: Alle Finsternisaufnahmen entstanden wie gesagt mit einer Minolta Dimage Z3 Digitalkamera bei F äquivalent 420mm, 100 ISO und f/8. Als Sonnenfilter diente eine ND5 Baaderfolie. Belichtungszeit bis zur Mitte der abnehmenden partiellen Phasen (also einschließlich Ringförmigkeit) 1/320s, später dann 1/400s und 1/500s. Die Sonne ist trotz Baaderfolie einfach hell! Die drei Aufnahmen vom 2. Kontakt, Ringfö,rmigkeit und 3. Kontakt sind im Originalmaßstab wiedergegeben (Bildausschnitt vom Original), alle anderen Aufnahmen sind verkleinert. Wie man sieht, die Sonne war während der Finsternis absolut fleckenfrei.


 

Ausklang


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Wir hatten also eine gehörige Portion Glück. Hätte die Finsternis einen Tag früher stattgefunden oder wäre die Kaltfront einen Tag später über Spanien gezogen ... hätte, wäre; was soll's, am Ende zählt nur das Ergebnis.

Zahlt es sich überhaupt aus, eine Ringförmige Sonnenfinsternis zu beobachten? Ich finde, einmal sollte man eine erlebt haben. Gewiss, sie ist nicht so atemberaubend wie eine Totale Sonnenfinsternis, aber sie hat ihren Reiz. Vielleicht den Reiz des Verborgenen, denn anders als bei einer Totalität merkt man als Laie eigentlich nichts von einer Sonnenfinsternis. In den spanischen Medien fand die Finsternis wohl gebührend Erwähnung, doch der grosse Hype blieb sicher aus.

Die Reise zu dieser Finsternis war eine gute Idee, denn so "nahe" bekommen wir eine Ringförmige Sonnenfinsternis so bald nicht mehr (2028 wieder in Spanien, 2030 in Griechenland). Spanien, als touristisch gut erschlossenes, europäisches Land ist auch gut zu bereisen, der Aufenthalt hier sehr angenehm.

Es hat sich auch ausgezahlt, ein paar Tage hier zu verbringen. Nicht nur, um das lokale Klima und die Ausweichrouten, sondern überhaupt auch die Gegend und die Menschen kennen zu lernen. Alles in allem war die Zeit hier auf jeden Fall ein Gewinn. Auch wenn man anfänglich oft denkt oder sagt, "warum tu' ich mir das an?", es ist doch immer das Gleiche: Nachher denkt man schon an die nächste Finsternis. Denn wenn ein Blick durchs Fernrohr ein zartes Zwinkern in Richtung Astronomie ist, die Anschaffung eines Fernrohrs ein heftiger Flirt, das erste Astrofoto der erste zarte Kuss, die Fahrt zu einem dunklen Beobachtungsplatz ein romantisches Rendezvous, dann ist eine Sonnenfinsternis - klar, was ich meine? (Unsere Seite ist jugendfrei)


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Mein herzlicher Dank gilt Günther Eder für die perfekte Organisation dieser Tour und dass ich, als Mitglied im Astroteam Mariazellerland, daran teilnehmen konnte. Während ich diese Zeilen schreibe, sind Günther, Angelika, Walter und Herta noch unterwegs in die Heimat. Viel, viel Glück!

Text und Fotos: Alexander Pikhard


 
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