Astropraxis - Merkur und andere Planeten

Sofienalpe, 11. Juni 2006

Nach einem hochinteressanten Seminar über "Besondere Sterne", in denen uns Wolfgang Vollmann mehr als motivierend die Möglichkeiten zur Beobachtung von Doppelsternen und veränderlichen Sternen näher gebracht hat, erwartet uns die erste sommerliche Nacht in diesem Jahr auf der Sofienalpe. Und was für eine Nacht das werden soll: Merkur und drei weitere Planeten stehen am Himmel und der heutige Vollmond wird uns die kürzeste Vollmondnacht bescheren - nicht nur in diesem Jahr, sondern in einem halben Saroszyklus. Mindestens.

Doch zunächst ist nach dem Abendessen noch heller Tag. Auf der sommerlichen Lagerwiese bauen wir ein Teleskoptreffen mit mehr als zehn Instrumenten auf.


Erstes sommerliches Teleskoptreffen in diesem Jahr


Viele kleinere (aber gute) ...


... und größere Rohre sind wieder da


Teleskoptreffen in der Sommerwiese

Die Sonne, die noch recht hoch am Himmel steht, ist unser erstes Beobachtungsobjekt. Das Seeing ist gut. Die Sonne zeigt einige kleinere Flecken, ein paar sehr schöne Fackelgebiete und im Coronado PST jede Menge Protuberanzen. Es ist so klar, dass sich sogar der Sonnenuntergang in Hα beobachten lässt! Die folgende Aufnahme mache ich am 10" LX200GPS mit f/3.3-Verkürzung und Canon EOS 350D aus 60 Einzelbildern.


Sonne aus 60 Bildern am 10" LX200GPS @ f/3.3, verkleinert

Doch die Sonne ist nicht das einzige Objekt vor Sonnenuntergang. Rasch hat mein 12" LX200 bei Tag den Arktur gefunden - die einzige Steuerung, die bei Tag so einfach einzustellen ist, ist meine gute, alte Magellan-Steuerung. Warum keine der modernen Steuerungen (Autostar, Sky Sensor, ...) eine ähnliche Feature hat (Fernrohr waagrecht nach Süden, einschalten, fertig) wird wohl ewig ein Rätsel bleiben.

So finden Wolfgang und ich nach einigem Suchen bald den Stern γ Virginis und können ihn mit dem 14mm Pentax (214x) wirklich deutlich trennen! Auch ε Bootis ist bei noch nicht untergegangener Sonne kein echtes Problem. Und schließlich fährt mein Teleskop auch noch Merkur an. Der kleine, sonnennahe Planet zeigt eine deutliche Sichelphase und trotz problematischem Seeings in der Höhe von nur (oder besser, immerhin) 20° wage ich eine Aufnahme mit der Webcam.


Merkur, Webcam am 12" LX200 bei f/10, ca. 400 Frames

Auch Jupiter ist schon zu erkennen, aber nicht spektakulär. Aber fünf Objekte vor Sonnenuntergang ist schon eine Leistung. Mit Sonnenuntergang beginnt die lange Dämmerung, in der zunächst die Planeten deutlicher werden. So beobachten wir - und zeigen auch etlichen Gästen - Merkur, Mars (na ja, der gibt nicht sehr viel her), Saturn (ja, der ist noch sehr beeindruckend) und Jupiter.


Dämmerung mit Wolke. Wer findet Merkur, Mars und Saturn?

Bald wird klar, dass Jupiter einmal mehr "ein Hammer" ist. Das Seeing ist extrem gut geworden und bald sind alle Rohre auf den Riesenplaneten gerichtet. Schade, dass er uns heute nicht seine "spannende" Seite zeigt. Für die Webcam ist der Riesenplanet heute das Ziel der Ziele.


Jupiter, 12" LX200 bei f/15, ca. 800 Frames, IR Sperrfilter.
Zentralmeridian: System I = 335°, System II = 355°

Was für ein Anblick. Doch dann kommt der eigentliche Star dieser Nacht, der Mond - so tief, wie es geometrisch überhaupt geht.


Tief geht der Mond über unserem Teleskoptreffen auf

Es wird schlagartig hell, fast wie bei einem Sonnenaufgang. Dunkelgelb geht der Mond auf und taucht die Wiese in ein unglaubliches, fast wärmendes Licht. Die Grillen zirpen, es ist nicht allzu kühl, kurz, die Nacht ist bemerkenswert. Zunächst fotografieren alle den Mondaufgang ohne Teleskop, um die Stimmung einzufangen. Das ist aber fast unmöglich.


Unglaublich gelb geht der Mond auf, irisierende Schleierwolken machen die Szene noch
mystischer, als sie ohnedies schon ist. Was für ein Licht! So schön kann ein durchaus
fundamentalastronomisches Phänomen sein.

Im Fernrohr ist der Mond natürlich sehr hell. Aber halt, was für ein seltener, ungewohnter Anblick: Der Mond ist gar nicht voll! Durch die extreme Südbreite von rund 5,2° plus Parallaxe von rund einem Grad steht der Mond nicht nur mehr als 6° südlich der Ekliptik, sondern zeigt im Norden einen durchaus deutlichen Terminator mit Relief. Ein mehr als seltenes Bild. Ich halte es am 12" LX200 bei f/3.3 mit der EOS 350D fest, indem ich 50 Aufnahmen stacke.


Mond mit Terminator im Norden - kultverdächtig!

Trotz Mondlichts beobachten wir noch ein paar Doppelsterne wie 70 Ophiuchi oder ε1 und ε2 Lyrae, sondern auch ein paar Deep Sky Objekte. Gut, die Kugelsternhaufen M13 und M92 leiden nicht unter dem Mondlicht, aber auch M57 und sogar die Galaxie M51 schauen gar nicht so schlecht aus.

Schade, dass morgen, äh, heute, ein Arbeitstag ist, so beenden wir diese bemerkenswerte Beobachtungsnacht knapp nach Mitternacht.

Text und Fotos: Alexander Pikhard