Zwei helle Kometen und viel mehr

Hohe Wand, Kleine Kanzel, 29. 12. 2007

20071229rgr17.html

Beobachter:Alexander Pikhard, Roland Graf
Datum:29. 12. 2007
Zeit:17:00 - 23.00 Uhr MEZ
Ort:Hohe Wand, Kleine Kanzel
Instrument:12" Meade LX200 mit Philips SPC 900, Canon EOS 350D, 18" Obsession Dobson
Bedingungen:
Durchsicht:sehr gut (1)
Grenzgröße:7.0
Aufhellung:gut (2)
Seeing:ausreichend (3)
Wind:kein
Temperatur:+3°C
Feuchtigkeit:trocken
Sonstige Bedingungen:Wolkenlos, windstill, bis zum Aufgang des Mondes sehr dunkel, also makellos.
Bericht:

Die Ferienspielveranstaltung heute Nachmittag haben wir zurecht abgesagt. Das gleiche kalte, graue, feuchte Nebelwetter wie am Vortag macht das Leben in Wien nicht einfacher. Uns Freizeitastronomen reicht es und wir beschließen, auf die Hohe Wand zu fahren, da der Wetterbericht noch einmal eine wunderbare Nacht erwarten lässt.

Die Fahrt auf die Hohe Wand ist um eine Facette reicher an diesem Samstag um diese Zeit: Gegenverkehr! Hunderte Autos kommen mir zwischen Wöllersdorf und Stollhof entgegen, und bald ist klar, sie kommen alle von der "Wand". Hundertschaften sind dem Nebel - der sich übrigens schon bei Muthmannsdorf, also im Tal, lichtet - entflohen und auf die Hohe Wand gefahren, um die Sonne zu sehen.

So bekomme ich um 17 Uhr auf der Kleinen Kanzel zunächst fast keinen Parkplatz; dafür, als Entschädigung, ein herrliches Panorama mit einer - Abenddämmerung! Wie lange ist es her, dass ich eine Abenddämmerung gesehen habe? Viel zu lange!


Abenddämmerung über dem Schneeberg, im Tal wieder Nebel. Heimelig einladend die Lichter der Schutzhütten auf den Bergen.

Kapitel 1 - Der erste Kontakt mit den Sternen

Nach und nach verlassen die Ausflügler die Kleine Kanzel. Da ich mein Fernrohr schon aufgebaut habe, kann ich hier ein paar jungen Familien jenen Kontakt mit dem Sternenhimmel vermitteln, der uns heute in Wien versagt bleibt. Über uns strahlt der schönste Sternenhimmel, den man sich nur vorstellen kann. Alle, die das Gasthaus verlassen und deren Augen sich an die Dunkelheit angepasst haben, bleiben fassungslos stehen. Viele wollen wissen, ob das hier immer so ist, und ich kann die Frage insofern bejahen, dass das bei gutem Wetter und wenn der Mond nicht am Himmel steht hier immer so ist. Die meisten Gäste kommen aus Wien ...


Südosten. Die schwache Wintermilchstraße und mitten drin der Rote Planet Mars.


Nordosten. Im Tal lichtet sich mancherorts der Hochnebel.


Nordwesten. Die Milchstraße zwischen Schwan und Kepheus.

Kapitel 2 - Zwei freisichtige Kometen

Ich bin schon extrem gespannt, was aus Komet 17P/Holmes geworden ist. Hochnebel und vor allem der Mond haben in den letzten Wochen eine Beobachtung vereitelt. Doch, ich brauche nur kurz zum Zenit zu schauen, und da erkenne ich den hellen Kometen ohne Probleme. Er ist gross, diffus und hell, und der direkte Vergleich zeigt, er sieht mit freiem Auge aus wie Praesepe.

Dann möchte ich wissen, wie es Komet 8P/Tuttle geht. Ich steuere das Fernrohr auf seine Koordinaten und sehe zunächst nichts. Doch das liegt nicht am Kometen, sondern an massiven technischen Problemen, die ich seit ein paar Tagen mit meinem in die Jahre gekommenen LX-200 habe (in meinen ersten Astronomiejahren hiess es noch, ein Fernrohr hält ewig, doch da war noch keine Elektronik drin). Mit etwas manueller Suche kann ich den Kometen aufspüren, und welch Überraschung! Der Komet ist nicht nur im Hauptfernrohr (12" LX-200, 40mm Pentax-Okular) sehr hell, sondern auch im Sucher, im Feldstecher und, wie ein kurzer Blick unmissverständlich zeigt, auch mit freiem Auge!

Wir haben also zwei freisichtige Kometen auf einmal, und sie stehen so knapp beisammen, dass man sie auf einmal wahrnehmen kann. Also das gab's noch nie, nicht einmal 2004 in Namibia, wo die beiden hellen Kometen damals in ganz unterschiedlichen Himmelsregionen standen.

Jetzt aber ein paar Fotos.


Weitwinkelbild. Canon EOS 350D bei F=18mm, 8x30s bei 1600 ISO, stehende Kamera.

Dazu eine Anmerkung: Komet 8P/Tuttle ist fotoscheu. Er ist mit freiem Auge und auch im Feldstecher wesentlich auffälliger als auf allen Aufnahmen. Woran das liegt, ist mir schleierhaft. Leuchtet er in einer Farbe, in der die Canon EOS 350D ausgerechnet unempfindlich ist?


Weitwinkelbild. Canon EOS 350D, F=35mm, 9x30s bei 1600 ISO und stehender Kamera. 30s sind schon etwas zu lang.

Keine Frage, die Region mit den beiden hellen Kometen - 17P/Holmes ist noch immer eine Wucht - sowie M31, h+χ, M33 und M34 ist fürs freie Auge und für den Feldstecher ein Paradies. Ich montiere die Kamera mit 300mm Tele huckepack an mein Teleskop.


Komet 17P/Holmes. Canon EOS 350D, F=300mm, nachgeführt, 13x25s bei 1600 ISO.


Komet 8P/Tuttle. Canon EOS 350D, F=300mm, 12x25s bei 1600 ISO.

Die beiden Kometen sind ein ungleiches Paar, das macht die Sache noch reizvoller. Diesmal steht 8P/Tuttle nahe dem Zenit, was zu einer merklichen Bildfeldrotation führt. Der Fokus ist auch verrutscht, Mist.

Kapitel 3 - Filtertests

Seit gut zwei Monaten liegen bei mir zwei komplette Sets von Astronomik Deep-Sky Filtern zum Testen herum, die uns Gerd Neumann Jr. dankenswerterweise für die Okular- und Filterparty geborgt hat. Nur, seit damals (1. November!) gab es keine brauchbare Deep Sky Nacht mehr. Das ist heute anders, und so machen Roland und ich uns daran, diese Filter an ein paar Klassikern auszuprobieren. Im Vergleichstest auch meine eigenen Lumicon-Filter.


Unsere zwei Teleskope sowie ein paar Gäste auf der Kleinen Kanzel.

Im folgenden Test bewerten wir die Sichtbarkeit der einzelnen Objekte nach Schulnotensystem. Alle Tests am 12" LX-200 mit 40mm Pentax-Okular.


  Orionnebel
M42
Crabnebel
M1
Flame-Nebel
NGC 2024
Pferdekopf-N.
B33
Eulennebel
M97
ohne Filter 2 3 4 5 3
Astronomik CLS 1,5 3 4,5 5 2
Astronomik UHC-E 1,5 3 4,75 4,75 1,75
Astronomik UHC 1,5 2,5 4,75 4,5 1,5
Lumicon UHC 1 --- 5 4,75 1
Astronomik O-III 0,75 4 5 --- 1
Lumicon O-III 1 --- --- --- 2,5
Astronomik Hβ 2,5 5 5 4 ---

Ein paar Bemerkungen dazu:

  • --- bedeutet "wurde nicht getestet"
  • 5 bedeutet, dass überhaupt nichts zu erkennen ist. 4 geht gerade noch, bis 1 "haut einen um".
  • Bei den Astronomik CLS und UHC-E Filtern fällt unangenehm auf, dass helle Sterne extrem giftgrün erscheinen
  • Erstaunlich ist, dass kein Filter beim Flame-Nebel etwas gebracht hat
  • Der Hβ-Filter ist einfach der Filter für den Pferdekopfnebel
  • Der Lunicon UHC-Filter hat einen besseren Kontrast als der Astronomik UHC-Filter, kann diesen aber nur bei hellen Objekten ausspielen (Orionnebel: Eine Wucht!)
  • Der Lumicon O-III-Filter hat sicherlich mehr Kontrast als der Astronomik O-III-Filter, dadurch werden die Objekte aber zu dunkel. Auch er kann seine Leistung nur bei hellen Objekten ausspielen.
  • "Must haves" für seriöse visuelle Deep Sky Beobachtung an Teleskopen mit 8" Öffnung und mehr: UHC, O-III und Hβ.
  • Bei Deep Sky gilt natürlich: Für jedes Objekt gibt es die optimale Filter-/Okular-Kombination.

Wir beobachten dann noch den Pferdekopfnebel am 18" Obsession mit 30mm Pentax XW und Hβ-Filter. Toll! So gut haben wir dieses extrem schwierige Objekt noch nie gesehen.


Orion hoch im Süden. Das Licht am Gasthof Kleine Kanzel ist eine in Wirklichkeit recht dezente
Weihachtsbeleuchtung, die nicht wirklich als störend empfunden wird. Die helle Beleuchtung des
Parkplatzes hat der Wirt dankenswerter Weise für uns abgeschaltet.

Kapitel 4 - Mars

Zunächst war in dieser Nacht das Seeing nicht so gut, doch das ändert sich auch zum besseren. Daher ist Mars, der jetzt schon sehr hoch steht, das nächste logische Ziel. Leider zeigt er einmal mehr seine weniger interessante Seite, allein Solis Lacus mit den daran anschliessenden Valles Marineris sind ein Highlight.


Mars. 12" LX-200 bei f/20 (F=6m), Philips SPC 900. Komposit. Kontrast mit IR Passfilter 742nm, Farbe
mit IR Sperrfilter. Solis Lacus ist rechts unten, knapp daüber Valles Marineris. Links unten Mare Sirenum.

Kapitel 5 - Mond

Es war unter anderem deshalb die erste brauchbare Deep Sky Nacht seit längerem, weil der Mond heute erst nach 22.45 Uhr MEZ aufgeht. Bevor der Mond aufgeht, machen wir noch eine visuelle Deep Sky Tour (ohne Filter): M37, NGC 2392 (Eskimo-Nebel), M81, M82 (im 18" Obsession erkennt man zarte Färbungen!), M78, M67 und zuletzt mit NGC 2903 auch schon die erste Löwe-Galaxie. Es wird ja doch Frühling!

Der Aufgang des Mondes ist dann unser letztes Beobachtungsziel.


Löwe mit Saturn und Monddämmerung

Schon einige Minuten vor Mondaufgang kündigt sich der Erdtrabant mit einer Monddämmerung im Osten an, die den schon vollständig aufgegangenen Löwen (es wird Frühling!) mit Saturn (zu tief für sinnvolle Beobachtung) in helleres Licht taucht. Dann ist es so weit.


Unheimliches Licht ...


... hinter den Bäumen, ...


... ein erster heller Schein, ...


... schon ist der abnehmende Mond da, ...


... steigt höher ...


... und höher.

Recht romantisch, wie sich der abnehmende Mond über den Landschaftshorizont schiebt. Schlagartig wird es heller.


Vom Seeing ziemlich verformt: Der aufgehende Mond im Fernrohr.

Mit einem letzten Blick zum Mond verabschieden wir uns von diesem herrlichen Sternenhimmel.

Epilog

Es war seit langem die beste Beobachtungsnacht, reich an Eindrücken und Ergebnissen, trotz zahlreicher kleinerer und größerer technischer Probleme. Ein würdiger Abschluss eines extrem interessanten Astronomiejahres, da der Wetterbericht für die letzten beiden Nächte im Jahr 2007 keine Beobachtungen erwarten lässt. Schade, dass nur zwei Fernrohre hier waren. Ich kann nur sagen, Leute, Ihr hab etwas versäumt!

Es war auch schön, interessierten Gästen den Himmel näher zu bringen. Eine Bitte habe ich aber an die eigenen Reihen: Gemeinsam Beobachten heisst deshalb so, weil wir - also wir alle - gemeinsam beobachten. Gemeinsames Beobachten kann keinen Kurs, kein Seminar, keinen Workshop ersetzen! Wir helfen einander gerne gegenseitig, brauchen aber auch Ruhe und Konzentration für eigene Beobachtungen, sonst passieren Fehler. Zum Erlernen von Techniken gibt es unsere Workshops. Zur Pefektion am eigenen Gerät die Astropraxis. Zum echt sinnvollen Arbeiten eben gemeinsames Beobachten - weil's alleine weniger Spass macht und im Winter sogar gefährlich werden kann.

A propos nicht alleine Beobachten: Eines der zahlreichen technischen Gebrechen betrifft meinen Bleigel-Akku, der offenbar auch sein Lebensende erreicht hat. So muss ich etwa die Hälfte der Zeit den Strom für mein Fernrohr widerwillig aus dem Auto beziehen. Es springt zum Glück noch an und ich mache mich über die teilweise eisglatte Bergstraße auf ins Tal. Von +3°C auf der Kleinen Kanzel sinkt die Temperatur wieder auf -7°C im Tal, das der Hochnebel auch wieder eingenommen hat. Fein, dass es diese Hohe Wand so nahe bei Wien gibt!