Was hier folgt, ist die Geschichte einer der ungewöhnlichsten Astronomieveranstaltungen, die wir je durchführen durften. Ihr geht eine lange Serie von Vorbesprechungen und vor allem technischen Tests und Installationen voraus. Am Anfang steht aber eine Einladung; die Einladung durch das Marketingteam der Therme Wien Oberlaa zur Mitwirkung beim - Vollmondschwimmen.
Vollmond im Wellnessbereich, das klingt so eindeutig nach Esoterik, dass wir zunächst Zweifel hatten, ob wir wirklich als Partner gemeint wären. Doch bald schaffte das Gespräch mit der netten Mitarbeiterin der Therme Klarheit; Dr. Wolfgang Wiesinger von der sehr aktiven Weinviertler Astronomiegruppe präsentiert seit geraumer Zeit Astro nomie bei gleichartigen Veranstaltungen der Therme Laa/Thaya, und er war es auch, der den Kontakt zwischen der Therme Oberlaa und uns vermittelt hat.
Wir sind hier also richtig und dass in diesem Bereich aus Anlass des Vollmondes (der heute ja eigentlich schon in der Nacht zuvor war) eben Wissenschaft, nämlich Astronomie, präsentieren, erfüllt uns mit Freude und Stolz - und wir sind uns der grossen Verantwortung bewusst. Daher wenden wir für die Vorbereitung dieser Veranstaltung enorm viel Zeit auf.
Nach einer Generalprobe am Vorabend, bei der nur der - geliehene - Beamer versagte, sind wir heute voll Zuversicht, dass die Veranstaltung gelingen wird. Und irgendwie auch neugierig, denn wie gesagt, so etwas haben wir noch nie gemacht.
Was eigentlich? Um das zu erklären, betrachten wir einmal die Vorbereitungen an diesem Abend. Vorab: Die Therme Oberlaa ist, wie alle Thermen, ein Hallenbad mit Aussenbecken. Gefüllt mit sehr warmen Wasser. Nebel und Seeing sind hier von einer Intensität, wie sie andernorts in der Natur kaum vorkommen, abgesehen von Island vielleicht. Aber im Rahmen von Begehungen und Tests fanden wir eine Lösung, und zwar eine sehr ungewöhnliche, technisch aufwendige, aber auch sehr gute.
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Schon die Zufahrt zur Therme ist exotisch. Geleitet von einem Mitarbeiter der Therme und mit Billigung durch das Stadtgartenamt fahren wir vom Eingang Filmteichstrasse durch den gesamten Kurpark Oberlaa zur Therme. Das erste Straßenstück, man kann es ruhig so nennen, ist breiter als die Straße auf die Sofienalpe. Das letzte Stück aber eine passable, kurvenreiche Bergstraße. Vor fast 20 Jahren bin ich diesen Weg oft mit meiner Tochter im Kinderwagen gegangen, heute fahre ich ihn mit einem Auto voll mit astronomischer Ausrüstung. Skurril.
Doch es wird noch skurriler. Schuhe aus, Badeschlapfen an, und wir fahren mit den Wagerln beladen mit Teleskopen und anderer Ausrüstung durch die Umkleidekabinen, vorbei an fassungslosen Badegästen (bekleidet ist man hier ein Alien und fühlt sich angesichts der Temperatur in der Tat auf einen anderen Planeten versetzt). Dann ein Lift. Zwei Stockwerke höher führt der Lift unvermittelt ins Freie, auf die Terrasse des Buffets. Hier ist die Astronomiestation.
Teleskop und Steuerplatz vor der Schwimmhalle. Oben gibt es freien Himmel.
Das Klima in der Halle - 100% Luftfeuchtigkeit bei annähernd 40°C - macht die Installation jeglicher technischer Geräte unmöglich. So ist alles im Freien. Die Teleskope sowieso, aber auch Computer, Tonanlage, Beamer. Letzerer projiziert durch eine Scheibe ins Innere der Halle, auf eine (leider nicht) Retoleinwand.
Für den Aufbau haben wir zwei Stunden Zeit, dank guter Proben gibt es keine Probleme.
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Währenddessen in der Halle ...
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In der Halle sind also nur unser Infozelt mit den - später - richtig adjustierten Anneliese und Otto, draußen ist der Rest. Auch das Teleskop zum Durchschauen.
Schon leuchten die Sterne in der Therme
Das Programm sieht Kurzpräsentationen zu jeder vollen Stunde vor; um 20 Uhr Mars, um 21 Uhr Mond und um 22 Uhr Saturn. Dazwischen läuft in der Halle astronomische Untermalung und im Freien kann man durchs Fernrohr schauen. Es ist in der Halle wie gesagt so warm, dass die Badegäste keine Scheu haben, kurz nach draussen zum Teleskop zu kommen. Und da der Himmel rechtzeitig aufklart, kommen sie auch wirklich.
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Für die meisten Badegäste ist dieser Blick durchs Fernrohr, zunächst zum Mars, der erste. Und wieder haben wir mit unserer Mobilen Sternwarte Neuland betreten, ganz im Sinne von " to boldly go where nobody has gone before". Was harmlos im Park begann und im Biergarten fortgesetzt wurde, findet hier eine einzigartige Steigerung. Wohin werden wir Astronomie noch bringen?
Vor kurzem noch ein Scherz, heute Realität: Die Mobile Sternwarte im Hallenbad!
Doch wie laufen die Präsentationen ab? Auf mich als Präsentator kommt eine neue Situation zu, ich finde mich prlötzlich in der Rolle eines - Radiomoderators! Mein Platz ist einsam gelegen, draussen auf der Terrasse, ein Tisch mit Laptop, während Christoph das Teleskop bedient (in Hör- und Sehweite, so dass wir die aufwendig getestete Fernsteuerung gar nicht brauchen).
Von hier aus zaubere ich künstlichen Sternenhimmel, schöne Bilder, Musik und meine eigenen Worte in die Halle. Radio WAA.
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Radio WAA on air
Getrennt durch die Glaswand folgt das Publikum gebannt den Ausführungen und blickt via Webcam, Computer, Beamer und Leinwand durch das Teleskop.
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So ein Auditorium hatten wir noch nie, eine ganz tolle Erfahrung.
Aus dem Text der zweiten Präsentation zum Mond: " Meine Damen und Herren, während ich Ihnen hier Bilder vom Mond zeige, passiert über mir etwas ganz Unglaubliches. Die Wolkendecke bricht auf und in einem unglaublichen Farbenspiel leuchtet der noch immer fast volle Mond auf uns herab. Nützen Sie diese Chance, die uns das Wetter gibt, für einen wirklichen Blick durchs Fernrohr!"
Es ist natürlich wirklich so, auch wenn ich als "Radiomoderator" viel erzählen hätte können.
Was für ein Farbenspiel in der Tat. Wie ein Deep Sky Objekt.
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Der Mond über der Therme (unten ein Flugzeug)
Noch eine Präsentation steht um 22 Uhr auf dem Programm, Saturn. Die Wolken sind dichter geworden und so muss meine Late Night Sendung ohne Liveblick auskommen. Macht nichts. Eindrucksvolle Bilder der Raumsonde Cassini und die Simulation des Planeten mit Starry Night entschädigen. Die Menge ist begeistert beim Anblick der Ringe, und dann steigere ich den Zeitrafferfaktor. Immer rascher sehen wir den wechselnden Anblick der Ringe. 2018 - 2019 - 2020 - 2021 - 2022. Die aufgelegte Einstellung für die abschließende Sequenz. Aus dem (spontan eingefallenen) Text:
" Ich habe Sie jetzt bis ins Jahr 2022 geführt und sollte Sie, bevor wir schließen, wieder in die Gegenwart zurück bringen; denn wer weiss, was diese ferne Zukunft bringen wird, ob wir uns dort zurechtfinden. A propos Zukunft. Diejenigen, die unsere Zukunft in den Sternen suchen, werden enttäuscht sein. Denn jeder Blick ins Weltall ist ein Blick in die Vergangenheit. Wie die Zukunft aussieht, hängt von uns selbst ab, und ausschließlich von uns.
Wir sehen die Gestirne wie sie waren; den Mond vor einer Sekunde, den Saturn vor 80 Minuten. Doch das ist nur unsere Nachbarschaft. Sehen wir uns die Sterne des Winterhimmels an, es sind ferne Sonnen. Wir sehen sie, wie sie vor 9, 400, 800 oder gar 1.500 Jahren ausgesehen haben [ich zeige Sirius, Beteigeuze, Rigel und Alnilam, runde die Zahlen absichtlich grob].
Sie werden sich jetzt fragen, ob die Sterne angesichts dieser Zeiten überhaupt noch existieren. Ich kann Sie beruhigen, sie tun es. Denn die Entwicklung der Sterne spielt sich in Zeiträumen von einigen Millionen bis einigen Milliarden Jahren ab. Das Weltall hat andere Dimensionen, als wir es uns zunächst vorstellen können.
Wir wissen viel über das All, aber bei weitem noch nicht alles. Wir kennen gerade einmal 4% des Universums; die restlichen 96% müssen wir erst erforschen. Das ist Stoff für unsere Neugierde, aber auch für unsere Träume.
In diesem Sinn danke ich der Therme Oberlaa für die freundliche Einladung zu dieser Veranstaltung. Träumen Sie schön von den Sternen! "
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Unser Dank gilt dem Marketing der Therme Oberlaa, Frau Mag. Angela Steinkellner, Frau Sabine Wagner und ihrem Team, für die professionelle Zusammenarbeit, und unserem Team vor Ort, Roland Graf, Luffwig Grandy, Anneliese Haika, Ottokar Lhotsky, Christoph Niederhametner.
Das war ein "Auswärtssieg" für die Astronomie und hoffentlich der Beginn einer langen, guten Freundschaft.
Text: Alexander Pikhard. Fotos: Anneliese Haika, Ottokar Lhotsky, Alexander Pikhard, Roland Graf.