Leoniden: Ausbruch

Rajasthan, Indien, 17. 11. 2009

20091117twe20.html

Beobachter:Thomas Weiland
Datum:17. 11. 2009
Zeit:20:00 bis 00:15 Uhr UT
Ort:Rajasthan, Indien
Instrument:Freies Auge
Bedingungen:
Durchsicht:sehr gut (1)
Aufhellung:sehr gut (1)
Wind:maessig
Sonstige Bedingungen:Meist wolkenlos
Bericht:

Wenngleich die letzte Perihelpassage des Kometen 55P/Tempel-Tuttle mittlerweile mehr als zehn Jahre zurückliegt, waren für 2009 von mehreren Autoren noch einmal erhöhte Leoniden-Raten vorausgesagt worden, welche ein Zusammentreffen der Erde mit je einem Staubstreifen aus den Jahren 1466 bzw. 1533 zur Annahme hatten. Die daraus resultierenden Maxima sollten nahezu zeitgleich zwischen 21h und 22h UT eintreten, wobei deren kombinierte Raten auf Basis der Ergebnisse aus 2008 (Staubstreifen 1466) zuerst mit bis zu 500/h [4], nach zum Teil neuerlicher Kalibrierung jedoch mit ca. 150 bis 300/h angegeben wurden [2, 3, 4].

Da der o. g. Zeitpunkt Gebiete in Zentral- und Südasien begünstigte, entschied ich mich gemeinsam mit meiner Frau, eine Kurzreise nach Nordwestindien (Uttar Pradesh, Rajasthan), das zu dieser Zeit meist gutes Wetter bietet, zu unternehmen. Auf Grund der im Vorjahr hinsichtlich der Sichtverhältnisse gemachten Erfahrungen (Bedeckung von σ Sgr durch den Mond, Tauriden; siehe diesbezügliche WAA-Berichte) wählte ich als Beobachtungsplatz einen höher gelegenen Standort im Aravalli-Gebirge, Rajasthan, in der Nähe des Ortes Kumbhalgarh (73°32'01" E, 25°07'54" N, 1110 m Seehöhe; WGS 84). Dieser bot uneingeschränkte Sicht sowie sehr dunklen Himmel (Grenzgröße vor Beginn der Dämmerung konstant +6,35mag). Während der gesamten Beobachtungszeit (20:00-00:15 UT; abzüglich Unterbrechungen in Summe 3h40m) war es praktisch wolkenlos.

Dennoch konnte ich innerhalb der ersten Beobachtungsstunde nur 7 Leoniden sichten. Nach 21:10 UT stiegen die beobachteten Raten jedoch an und erreichten zwischen 21:20 und 21:30 UT mit 8 Leoniden ihr Maximum. Dies entspricht, bei einem über die gesamte Beobachtungsdauer gemittelten Populationsindex von r = 1,70, einer EZHR (equivalent zenithal hourly rate) von 99 ± 35. In der Folge nahmen die beobachteten Raten im Schnitt wieder ab, einzelne Submaxima wurden zwischen 22:30 und 22:40 UT (6 Leoniden; EZHR 51 ± 21) sowie 23:45 und 23:55 UT (7 Leoniden; EZHR 50 ± 19) registriert (siehe auch Diagramme 1 und 2).

Vergleicht man die o. g. mit den von der IMO veröffentlichten Daten (siehe Live ZHR Graphs, Stand 05.12.2009 [5]), so erscheint es auffällig, dass zwar die Höhe des beobachteten Maximums etwa jenem der IMO (83 ± 5; r = 1,9) entspricht, nicht jedoch dessen Zeitpunkt (IMO: 20:13 UT). Letzteres könnte auf die früher gemachte Erfahrung, wonach Leoniden-Teilchenwolken zum Teil Strukturen kleiner als der Erddurchmesser besitzen, zurück zu führen sein [1].

Betrachtet man die Helligkeitsverteilung (Diagramm 3), so zeigt sich das Hauptgewicht bei mittleren Helligkeitsklassen, 35 % der Leoniden erreichten zumindest 0mag (mittlere, auf die Grenzgröße von +6,5mag reduzierte Meteorhelligkeit +1,65mag). Farblich konnte ich vor allem gelbe, daneben orange, grüne und weiße, selten auch blaue Anteile beobachten. Etwas mehr als die Hälfte der Leoniden (57 %) sowie nahezu alle ≥ 0mag hinterließen eine Spur.

An Feuerkugeln konnte ich lediglich eine beobachten (23h48m00s UT), diese erschien niedrig über dem NNO-Horizont und besaß eine Helligkeit von -6mag. Ein Lichtblitz, der Teile des Himmels aufhellte, war die Folge. Ein weiterer Blitz ereignete sich um 22h38m50s UT, ohne dass ein dazu gehöriger Leonide gesichtet wurde. Interessanterweise fielen beide Lichtblitze zeitlich mit den o. g. Submaxima zusammen, während des Hauptmaximums traten darüber hinaus zwei nahezu simultane Leoniden auf.

Insgesamt betrachtet waren die Leoniden 2009, auch wenn die Höhe des beobachteten Maximums deutlich hinter den genannten Prognosen zurück blieb, in jedem Fall eine Beobachtung wert, zumal vergleichbar hohe Raten erst wieder mit Annäherung des Erzeugerkometen an die Sonne in den 2030er-Jahren zu erwarten sind.

Darüber hinaus trugen der Besuch bekannter Sehenswürdigkeiten (Taj Mahal, Fatehpur Sikri etc.) sowie die zauberhafte Kulisse Rajasthans sehr zum Gelingen der Reise bei.

Literatur:

[1] Arlt, R., Rubio, L. B., Brown, P. and Gyssens, M.: Bulletin 15 of the International Leonid Watch: First Global Analysis of the 1999 Leonid Storm. WGN 27:6 (1999), pp. 286-295.

[2] Lyytinen, E. and Nissinen, M.: Predictions for the 2009 Leonids from a technically dense model. WGN 37:4 (2009), pp. 122-124.

[3] Maslov, M.: Leonids 2009-2010: prediction of activity

[4] Vaubaillon, J., Atreya, P. and Vachier, F.: Prediction of the 2009 Leonids

[5] Website der IMO