Supervollmond? Nicht wirklich super!

Alexander Pikhard

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Alle 14 Monate sprechen Medien von einem "Supervollmond", manche sogar mehrmals in einem Jahr, was die Sache noch lächerlicher macht. Was ist an diesem Begriff aus astronomischer Sicht dran? Nichts, wie wir hier zeigen.

Was passiert wirklich? Nun, es ist die - fast jährlich wiederkehrende - Koinzidenz zweier Ereignisse, nämlich des Vollmonds und der Erdnähe des Mondes. Wir erläutern hier, warum der Superlativ absolut nicht angebracht ist.

Die Mondphasen

Der Mond wandert um die Erde. Er benötigt dafür eine gewisse Zeit, die wir den siderischen Umlauf nennen. Nach einem siderischen Umlauf steht der Mond wieder an der gleichen Stelle des Sternenhimmels.


Siderischer Monat

Übrigens benötigt der Mond die gleiche Zeit wie zur Umrundung der Erde für eine Umdrehung um die eigene Achse. Aus diesem Grund sehen wir vom Mond praktisch immer die gleiche Seite.

Der Mond wird primär von der Sonne beleuchtet. Die wechselnden Stellungen von Sonne, Erde und Mond zu einander bewirken die Mondphasen. Vom Mond, dessen Form annähernd eine Kugel ist, wird von der Sonne stets die Hälfte beleuchtet. In welcher Phase wir den Mond sehen, hängt davon ab, wo am Himmel Sonne und Mond stehen.


Die Mondphasen

Steht der Mond in der gleichen Richtung am Himmel wie die Sonne, sehen wir von der Erde nur die unbeleuchtete Seite des Mondes und ihn damit gar nicht (abgesehen vom seltenen Fall einer Sonnenfinsternis). Steht der Mond am Himmel der Sonne genau gegenüber, sehen wir die ganze beleuchtete Seite des Mondes, es ist Vollmond.

Anmerkung: Da die Mondbahn zur Erdbahn deutlich geneigt ist, stehen bei Neumond Sonne, Mond und Erde meist nicht auf einer Linie. Ebenso stehen bei Vollmond Sonne, Erde und Mond meist nicht genau auf einer Linie. Statistisch alle sechs synodischen Monate geht es sich aber bei Neumond global betrachtet für eine Sonnen- und bei Vollmond für eine Mondfinsternis aus.

Da nach einem siderischen Monat auch die Erde ein gutes Stück um die Sonne gewandert ist, stehen nach dieser Zeit Sonne, Erde und Mond nicht mehr in der gleichen Position zu einander, somit der Mond nicht mehr in der gleichen Phase. Die Mondphasen wiederholen sich in etwas längeren Abständen, die wir synodische Monate nennen.


Synodischer Monat

Nach einem synodischen Monat wiederholen sich die Mondphasen - natürlich an einer anderen Stelle des Himmels. Dass der Mond in der gleichen Phase von Monat zu Monat an einer anderen Stelle des Sternenhimmels steht, ist ein direkter Beweis dafür, dass die Erde die Sonne umkreist.

Anmerkung: Die hier angegebenen Zeiten für siderischen und synodischen Monat sind langfristige Mittelwerte, die tatsächliche Länge kann von Monat zu Monat leicht variieren.

Doch die Mondphasen sind nicht alles ...

Die Mondentfernung

Der Mond ist im Schnitt 384.000 km von der Erde entfernt, doch das ist eben nur ein Mittelwert. Tatsächlich ist die Bahn des Mondes um die Erde eine Ellipse und die Mondentfernung von der Erde schwankt zwischen etwa 357.000 und 407.000 km.


Die Mondbahn um die Erde

Dementsprechend erscheint der Mond am Himmel nicht immer gleich groß. Tatsächlich entspricht der Größenunterschied des Mondes in Erdnähe (Perigäum) zu jenem in Erdferne (Apogäum) in etwa dem einer 2-Euro-Münze zu einer 1-Euro-Münze.


Vollmond in Erdferne und Erdnähe

Nun steht der Mond nicht immer an der gleichen Stelle des Himmels in Erdnähe.


Anomalistischer Monat

Da sich die Achse der Mondbahn (Apsidenlinie) langsam um die Erde dreht, vergeht zwischen zwei erdnahen Passagen des Mondes wieder eine andere Zeit, der anomalistische Monat. Er ist ähnlicher dem siderischen als dem synodischen Monat.

Supervollmond

Supervollmond ist kein astronomischer Begriff. Er wurde 2011 von dem Astrologen Richard Nolle geprägt und kann als ein Produkt des Esoterik- und Medienzeitalters angesehen werden. Als Supervollmond wird ein Vollmond, der mehr oder weniger genau in Erdnähe stattfindet, bezeichnet. Das ist fast jedes Jahr einmal der Fall. Im Schnitt alle 13,6 Monate fallen Vollmond und Erdnähe zusammen, weil 15 anomalistische Monate (413,3 Tage)  recht genau 14 synodische Monate (413,4 Tage) sind. Vollmond in Erdnähe ist also keine allzu seltene Sache.

Doch dürfen wir einen Riesenmond erwarten?


Dürfen wir einen Riesemond erwarten?

Folgende Grafik zeigt, wie sich der scheinbare (also am Himmel wahrgenommene) Durchmesser des Vollmondes innerhalb eines Jahres entwickelt:


Scheinbarer Vollmonddurchmesser innerhalb eines Jahres

Die Schwankung ist vorhanden, aber alles andere als auffällig. Betrachten wir sie genauer:


Scheinbarer Vollmonddurchmesser innerhalb eines Jahres

Selbst wenn wir nur die Schwankung im Bereich von 29' bis 34' betrachten, stellen wir fest:

  • Der Unterschied im scheinbaren Durchmesser vom Minimum (Erdferne) bis Maximum (Erdnähe) beträgt nur ca. 14%; das ist das zuvor beschriebene Größenverhältnis einer 1€- zu einer 2€-Münze. Bezogen auf die Helligkeit des Mondes macht der Unterschied ca. 30% aus.

  • Der Unterschied zwischen einem Vollmond in Erdnähe und jenem im Monat davor oder danach macht im Regelfall weniger als ein Prozent aus (exakt nie mehr als 1,3%). Er ist also ohne Messung absolut nicht wahrnehmbar.

Es hat schon einen Grund, warum es den Begriff "Supervollmond" in der Astronomie nicht gibt. Von Superlativ kann nämlich keine Rede sein. Die folgende Tabelle zeigt den scheinbaren Durchmesser des Vollmondes bei Erdnähe sowie den Unterschied zum Monat davor und danach für die Jahre 2015 bis 2024:


Vollmond und Erdnähe 2020 bis 2029. Daten für den Erdmittelpunkt und ME(S)Z Wien. Kursiv: Scheinbarer
Monddurchmesser bei Vollmond in Bogenminuten bzw. Mondentfernung in Erdnähe in Kilometern.
Daten aus Full Moon Perigee (Super Moon) Table Courtesy of Fred Espenak, www.Astropixels.com.

Interessant ist der Unterschied im scheinbaren Monddurchmesser zum Vormonat (Δ-1M) und dem darauf folgenden Monat (Δ+1M); der Unterschied ist stets kleiner als 1,3% im scheinbaren Durchmesser, also mit freiem Auge absolut nicht wahrnehmbar. Hier wird mehr als deutlich, dass der Begriff "Supervollmond" in der Astronomie nichts verloren hat. Da ein "Supervollmond" alles andere als ein Superlativ ist, sind auch keine katastrophalen Auswirkungen auf die Erde zu befürchten.

Manche meinen, diesen Unterschied mit freiem Auge zu erkennen. Leicht ist es aber nicht, denn es mangelt an Bezugspunkten. Sie werden meinen, den Größenunterschied zwischen einem 1€- und 2€-Stück zu kennen; und sie wissen ja auch, dass letztere Münze größer ist. Machen wir also ein Gedankenexperiment:

Wir befinden uns im Phantasieland Babilobien; die Wähung dort ist uns gänzlich unbekannt. Ich lege vor Ihnen auf eine große, schwarze Tischplatte eine 100-Kuri-Münze und lasse Sie sie betrachten. Dann nehme ich die Münze weg. Ein halbes Jahr später, das ist eine lange Zeit, lege ich auf den gleichen Tisch eine 5-Boro-Münze, die er ersten sehr ähnlich ist, immerhin zeigen beide Münzen das Portrait der Königin von Babilobien. Ich frage Sie jetzt, welche Münze größer ist. Da die Tischplatte gänzlich schwarz ist und Sie nicht nachgemessen haben, fällt Ihnen die Antwort schwer. Ähnlich verhält es sich beim Vollmond!

Siehe auch:

Der jetzt schon in Esoterikkreisen auftauchende "ultimative Supermond" vom 6. 12. 2052 wird um 0,1% größer sein als andere "Supervollmonde". Statistikfans finden viele weitere scheinbar rekordverdächtige Ereignisse; so ist der Vollmond am 14. November 2016 "der drittgrößte der letzten 100 Jahre und größte des Jahrzehnts". Allein: "Rekorde" im System Sonne-Erde-Mond spielen sich immer nur in der x-ten Nachkommastelle ab.

Die Mondtäuschung und vermeintliche Supermond-Fotos

Viel auffälliger als der Größenunterschied des Mondes in Erdnähe und Erdferne ist die so genannte Mondtäuschung. Die Mondtäuschung ist eine optische Täuschung, durch die Mond und Sonne in Horizontnähe größer erscheinen als bei größerer Höhe am Firmament, obwohl es dafür keine physikalische oder astronomische Ursache gibt.


Mondaufgang über Seattle © Shay Stevens (NASA APOD 30. Jänner 2002)

Eine gängige Erklärung für die Mondtäuschung ist, dass wir das Universum über uns abgeflacht wahrnehmen und horizontnahe Erscheinungen in größerer Entfernung wähnen als zenitnahe. Fotoserien wie jene von Shay Stevens widerlegen die Mondtäuschung. Siehe Wikipedia-Seite zur Mondtäuschung.

Wie kommen aber die Fotos vom riesengroß auf- oder untergehenden Mond zustande? Seriöse Fotografen nehmen das Motiv aus großer Entfernung mit einem starken Teleobjektiv auf. Der Vordergrund wird dadurch im Verhältnis zum Mond im Hintergrund sehr klein. Solche Aufnahmen erfordern genaue Berechnung und Vorbereitung!


Mondaufgang hinter dem Cerro Paranal © ESO

Viele im Internet kursierende "Fotos" sind aber auch einfach, ahem, Fotomontagen, die nicht der Realität entsprechen.

Was bleibt vom Supermond? In der Astronomie hoffentlich bald nichts mehr. Vergessen wir den Begriff besser ...

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