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Impakt!
Wie wahrscheinlich ist ein Asteroidentreffer?
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Alle paar Jahre berichten Medien vom Einschlag eines Meteoriten auf der Erde,
der meistens glimpflich ausgeht wie jener in Tscheljabinsk am 15. Februar 2013.
Die Wissenschaft ist sich auch sicher, dass ein solcher Einschlag vor 66 Millionen Jahren
zu einem massiven Klimawandel und in dessen Folge zu einem der größten Massenaussterben der
Erdgeschichte geführt hat, das unter anderem auch die Ära der Dinosaurier beendet hat. Wie
wahrscheinlich ist ein solches Ereignis in unserer heutigen Zeit, wie früh kann davor gewarnt
werden uns was wären Gegenmaßnahmen?
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Inhalt
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1. Asteroid, Meteorit, Meteor
Der Asteroid Vesta, aufgenommen von der NASA-Raumsonde Dawn
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Als
Asteroid bezeichnen wir Himmelskörper, die die Sonne umkreisen,
größer als Meteoroiden, aber kleiner als Zwergplaneten sind. Ältere, nicht mehr
gebräuchliche Bezeichnungen für einen Asteroiden sind Planetoid oder Kleinplanet.
In unserem Sonnensystem gibt es geschätzt einige Millionen Asteroiden, von weniger
als einer Million ist die genaue Bahn bekannt. Aufgrund systematischer Suche werden
mehrere Tausend Objekte pro Monat neu entdeckt.
Asteroiden mit Bahnen, die jener der Erde nahe kommen, werden als Near Earth Object
(NEO) bezeichnet. Objekte, bei denen eine Kollision mit der Erde nicht ausgeschlossen
werden kann, werden als Potentially Hazardous Object (PHO), also als potenziell
gefährliches Objekt bezeichnet.
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Ein Eisenmeteorit
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Als
Meteoroid bezeichnen wir kleine Körper (einige mm bis einige Meter),
die die Sonne umkreisen und die Erdbahn kreuzen. Die Masse dieser Objekte beträgt
einige Gramm bis mehrere Tonnen. Die Abgrenzung nach unten zum kosmischen Staub und nach
oben zu den Asteroiden ist offen.
Als
Meteorit bezeichnen wir einen festen Körper kosmischen
Ursprungs, der den Erdboden erreicht hat. Meteorite bestehen aus Silikatmineralen
(Steinmeteorit) oder einer Eisen-Nickel-Legierung (Eisenmeteorit). Bevor ein
Meteorit den Erdboden erreicht hat, war er ein Asteroid, und zwar ein PHO.
Objekte, die deutlich kleiner als 100 Meter sind, erreichen die Erde derzeit
meist noch unbemerkt.
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Eine Meteorerscheinung am Himmel |
Als
Meteor bezeichnen wir die Leuchterscheinung, die beim Eintritt eines
Meteoroiden in die Erdatmosphäre entsteht. Dies passiert
typischer Weise in einer Höhe von ca. 80 Kilometern. Die Eintrittsgeschwindigkeit
der Objekte liegt zwischen 11 und 72 Kilometer pro Sekunde.
Meteoroide mit mehr als 10mm Größe erzeugen helle Meteore, auch
Feuerkugeln oder Boliden genannt. Die klassischen, noch mit freiem Auge
erkennbaren Meteore oder Sternschnuppen, werden von Objekten in der
Größenordnung von 1 bis 10mm erzeugt. Noch kleinere Objekte
erzeugen Erscheinungen, die nicht mehr mit freiem Auge gesehen werden können.
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2. Auswirkungen und Wahrscheinlichkeit
Aus dem der Wissenschaft vorliegendem Datenmaterial, geologischen
Untersuchungen und Modellrechnungen lassen sich die Wahrscheinlichkeit
und die Auswirkung eines Asteroidentreffers auf der Erde einigermaßen
genau abschätzen.
Alan W. Harris hat im Jahr 2009 die folgenden Daten veröffentlicht:
Wahrscheinlichkeit und Auswirkungen von Einschlägen auf der Erde.
Aus Alan W. Harris, "Estimating the NEO population and impact risk: past,
present and future" presented at the 1st IAA Planetary Defense Conference, 2009)
Nach diesen Berechnungen treten Ereignisse mit landes- oder gar
kontinentweiter Zerstörung nur alle 40.000 bis 200.000 Jahre auf, was auch durch
die jüngere Menschheitsgeschichte belegt ist, die kein derartiges Ereignis kennt.
Auf längere Sicht sieht die Sache schon anders aus, denn rund alle 100 Millionen Jahre
droht die fast vollständige Auslöschung des Lebens auf der Erde, wie eben vor
66 Millionen Jahren am Ende der Kreidezeit.
Anmerkung: Der vom Impakt eines Asteroiden mit mehreren Kilometern Durchmesser
ausgelöste Klimawandel steht in keiner Relation zum derzeitigen vom Menschen selbst
verursachten. Letzter ist im Vergleich dazu harmlos.
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3. Die systematische Suche nach PHOs
In einer Strategie, die Menschheit vor der völligen Auslöschung
durch den Impakt eines Asteroiden (oder auch Kometen) zu bewahren,
ist der erste Schritt, alle potenziell gefährlichen Objekte zu kennen.
Anzahl der bekannten NEOs Anfang Jänner 2019. Quelle
https://cneos.jpl.nasa.gov/stats.
Deshalb werden viele Projekte betrieben, deren Ziel die automatische Durchmusterung
des Himmels ist, um möglichst viele bisher unbekannte Asteroiden und Kometen zu entdecken.
Sie setzen robotische Teleskope ein, die ihre Daten an Computeralgorithmen liefern, die
selbstständig neue Objekte identifizieren und nach Möglichkeit klassifizieren. Dies
ist auch der Grund, warum in den letzten Jahren so viele Kometen den gleichen Namen wie
PanSTARRS, LINEAR oder NEAT tragen, werden sie doch nach ihren Entdeckern benannt.
Liste der wichtigsten Projekte zur automatischen Suche nach NEOs:
Statistik der NEO-Entdeckungen nach Projekt (Stand 2017):
Statistik der NEO-Entdeckungen nach Projekt. Quelle: Wikipedia.
Ein sehr ehrzeiziges Projekt, das Large Synoptic Survey Telescope (LSST)
(http://www.lsst.org/) entsteht derzeit auf dem
Cerro Pachón in Chile. Es handelt sich um ein robotisches 8,4-Meter-Teleskop, das mit einer
3,2-Gigapixel-Kamera Felder von 3,5° nach NEOs durchsuchen wird. Die Inbetriebnahme ist für 2020
geplant. Es soll die Anzahl der bekannten Objekte um einen Faktor 10 bis 100 vergrößern
und somit auch kleinere Objekte unter 100 Meter Durchmesser erfassen.
Die größte Herausforderung wird die Bearbeitung der enormen Datenmenge von 15 Terabyte pro Nacht
sein, die bei der Suche anfällt. Die Daten sollen unmittelbar über Google der gesamten Menschheit
zur Verfügung gestellt werden.
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4. Turiner und Palermo-Skala
Ist ein NEO (Asteroid oder Komet) einmal bekannt, wird das
Objekt nach Bestimmung seiner Bahn und Größe nach der Turiner
Skala klassifiziert. Diese stuft ein Bedrohungsszenario durch
das Objekt ab.
Die Turiner Skala
Ein möglicher Impaktzeitpunkt fließt in die Bewertung nach
der Turiner Skala nicht ein. Stufe 8 besagt zwar, dass ein
Impakt sicher ist, nicht aber, wann der Impakt droht.
Hingegen fließt in die Berechnung der Palermo-Zahl
auch ein, wie bald ein Impakt droht. Eine negative Palermo-Zahl
bedeutet, dass mit Sicherheit kein Impakt stattfinden wird. Ein
positiver Wert deutet auf eine mögliche Kollision in der Zukunft hin.
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5. Öffentliche Daten zu NEOs und PHOs
Die offizielle Stelle, die Daten zu Near Earth Objects (NEOs)
und Potentially Hazardous Objects (PHOs) sammelt, ist
das Center for Near Earth Object Studies (CNEOS) am
Jet Propulsion Laboratroy (JPL) der NASA in Pasadena
bei Los Angeles, Kalifornien (https://cneos.jpl.nasa.gov).
Zwei wichtige Datenquellen sind hier:
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Close Approach Data
Diese Tabelle, deren Inhalt über ein Formular angepasst werden kann, listet alle
Annäherungen erdnaher Objekte in der nahen Zukunft auf, sofern diese bekannt sind.
Angegeben wird die Bezeichnung des Objekts, der Annäherungszeitpunkt inklusive
Unsicherheit, die zu erwartende Distanz im nominellen und (un)günstigsten Fall,
in Astronomischen Einheiten (AU) und Mondentfernung (LD), die Geschwindigkeit des
Objekts relativ zur Erde, seine scheinbare Helligkeit (für alle, die es beobachten
möchten) und die geschätzte Größe. Dank fortgeschrittener Suchsysteme sind hier
schon Objekte ab etwas mehr als 10 Meter enthalten.
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Earth Impact Monitoring
Diese Tabelle enthält die Einschätzung erdnaher Objekte nach der Turiner und der
Palermo-Skala für die Zukunft, auch über einen längeren Zeitraum. Diese Liste ist
also die definitive Quelle zur Beurteilung, ob eine Impaktgefahr besteht oder nicht.
Beide Listen nennen die offizielle Bezeichnung der erdnahen Objekte, aber keine
Bahndaten oder Ephemeriden. Hier sei auf ein anderes System am NASA JPL verwiesen,
den Small-Body Database
Browser. Nach Eingabe der Objektbezeichnung gelangt man zu Bahndaten (Bahnelementen),
interaktivem Bahndiagramm, Ephemeridengenerator und mehr. Das ist für alle, die erdnahe
Objekte beobachten möchten - was keine einfache Aufgabe ist, denn die Objekte sind
klein und dunkel und somit sehr lichtschwach. Die Close Approach Data-Tabelle verlinkt
direkt in dieses System.
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6. Und was, wenn doch?
Am 3. Februar 2019 schlägt ein kleiner Meteorit in Kuba ein, richtet
aber keinen Sachschaden an. Viele fragen, warum so ein Ereignis noch immer
nicht vorhersagbar ist. Nun, das Objekt war definitiv zu klein, um von den
heutigen Überwachungssystemen erfasst zu werden. Ein rund 20m kleiner Asteroid
(so groß wie jener, der 2013 nahe Tscheljabinsk eingeschlagen ist) hat in einem
Abstand von 0,1 Astronomischen Einheiten von der Erde (15 Mio. km) eine
scheinbare Helligkeit von rund 25. Größenklasse, das ist 100 Millionen Mal
schwächer als die schwächsten mit freiem Auge sichtbaren Sterne. Aus heutiger
Sicht zählt ein solcher Einschlag daher noch immer als nicht vorhersehbares
"Unglück".
Und was tut die Menschheit, wenn in der oben erwähnten Earth Impact Monitoring-Tabelle
ein positiver Wert in der Palermo-Spalte auftaucht, oder gar ein Wert > 1 nach der
Turiner Skala?
Asteroiden-Abwehr steht weit oben in der Liste der Projekte von Weltraumorganisationen.
Hinfliegen und sprengen, wie das Hollywood in "Armageddon" vorschlägt, ist allerdings
keine Lösung. Nach dem Motto "aus einem mache viele" erhöht dies nur das Impaktrisiko!
Es gibt andere Strategien, die alle eines gemeinsam haben: Je früher die Erkennung
stattfindet, desto größer die Chancen auf Rettung. Darum hat der Ausbau der automatischen
Suchsysteme eine besonders hohe Priorität.
Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, alle Überlegungen zum Thema
Asteroidenabwehr (Asteroid Defense) zu erörtern. Vielmehr sei verwiesen auf
die entsprechenden Wikipedia-Seiten:
Unser Tipp: Lesen Sie die englische Seite!
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