[WAA] OBSERVATION REPORT

Name:Ottokar Lhotsky
 
e-Mail:ottokar.lhotsky@aon.at
 
Datum:18. 11. 2000
 
Zeit:0440 - 0540 OEZ/UTC
 
Ort:Wix/Harwich, England
 
Instrument:Freies Auge, US-Marinefernglas 8X70
 
Bedingungen:

Windstill, 3 Grad C


 
Bericht:

Bei einem Kurzbesuch in England von 16.- 20.11.00 fand ich gute Vorausetzungen zur Himmelsbeobachtung. Der Beobachtungsort am Rande des winzigen Dorfes Wix, inmitten weiter, völlig ebener Felder (und ohne Straßenbeleuchtung) liegt 102 km ONO von London, bzw 12 km westlich des Küstenstädtchens Harwich.

Die Nächte waren meist klar und sehr kalt (2 - 6 Grad C). Trotz des noch recht vollen Mondes war die Milchstraße zu sehen. Mit dem Feldstecher (oder heißt das Seestecher bei der Marine?) konnte ich mir viele Details von schönen (aber mir nicht immer bekannten) Objekten "herholen". Den meisten "Wirbel" machte natürlich der Jupiter. Dieser stand übrigens am Abend des 16. genau zwischen Mond und Saturn auf einer Linie - ein netter Anblick!

Für die Leoniden-Nacht des 17. war Regen vorhergesagt. Da es aber bis Mitternacht - mit Ausnahme vereinzelter tiefer Stratusfetzen - klar blieb, war ich zuversichtlich, daß es auch in der 2. Nachthälfte so bleiben würde. Um 3 Uhr kam jedoch geschlossene Bewölkung auf. Die Wolkendecke war aber derart struktuiert (nämlich wie große Schäfchen) und dünn, daß der Mond durchscheinen und sie über einen weiten Bereich hell erleuchten konnte. Von Leoniden war bisher nichts zu sehen gewesen und ich ging leicht grollend schlafen.

Um 0440 wurde ich wach, vermutlich weil mir der schon tiefere Mond ins Gesicht schien. Es schaute durchs Fenster so aus, als hätte er einen langen waagrechten Kometenschweif nach Osten; eine besondere Brechung der alten Fensterscheibe, nahm ich an. Aber da leuchtete der "Schweif" erneut auf und ich lief ins Freie.

Es hat aufgeklart, und wie sich nun zeigte, war das Schweifähnliche die Kondensspur eines der Leoniden. Sie kamen in unregelmäßigen Abständen, bis 0505 weitere sechs, und hatten alle das gleiche Erscheinungsbild. Beginnend ganz in Mondnähe zogen sie mit hoher Anfangsgeschwindigkeit in gerader Bahn bei gle icher Helligkeit und Farbe - etwa wie der des Jupiter - ostwärts. Sie bildeten dabei einen dünnen Kondensstreifen, der mitleuchtete und am Eintritt keulenförmig aufgeweitet war.

Diese Spuren verliefen genau parallel, glimmten ca 1 Minute nach und hatten mittlerweile einen scharf abgegrenzten, rhombisch geformten, durchscheinenden Cirren-Teppich gebildet. Auf der dem Mond zugekehrten (Eintritts-)Kante dieses gestreiften Teppichs verschmolzen die Kondenskeulen langsam miteinander.

Die "Flugzeiten" der Meteoriten betrugen jeweils eine "gute" Sekunde; die Flugbahnen umspannten dabei schätzungsweise einen Bogen von 60 Grad . Auch ein gerade vorbeikommender Radfahrer berichtet mir aufgeregt (auf Englisch), er habe schon vier dieser Sternschnuppen aus den Augenwinkeln gesehen, also noch vor 0440.

Um 0505 war dann Schluß auf dieser Seite des Mondes, der östlichen. Dafür erschienen nun die Leoniden auf der Westseite, insgesamt weitere acht. Sie bildeten dort einen vom Mond etwas weiter entfernten Strahlen-Halbkranz aus verschieden kurzen gekrümmten Bahnen, waren allerdings um vieles "schwächer". Diese West-Leoniden hinterließen keine Spuren, waren nur für Sekundenbruchteile zu sehen, schienen mir aber bunter gewesen zu sein.

Um 0520 war der Meteorschauer offensichtlich vorbei, der noch immer kompakte Kondensstreifenteppich der Ost-Leoniden war langsam nach SO gedriftet und schon blaß geworden. Auch die Sterne verblaßten langsam. Nur einer im SO wollte nicht schwächer werden in der um 0530 aufziehenden Morgendämmerung. Natürlich, das war ja keiner, das war das herzige rosa Scheibchen des Merkur! Es war noch lange in in der klaren Morgenluft zu sehen. Dieses Wiedersehen nach langer Zeit hat mich für die nur (aber immerhin) 14 Leoniden mehr als getröstet.

Ottokar Lhotsky