[WAA] OBSERVATION REPORT

Name:Bernhard Kohmanns
 
e-Mail:bernhard.kohmanns@mchw.siemens.de
 
Datum:22.7.01, 23.07.01
 
Zeit:21.00 - 4.00
 
Ort:Taubenberg, ca.870 m.ü.d.M.; rund 13 km nördl. Tegernsee, 47 Grad 49'58,8" Nord + 11 Grad 49'1,2" Ost
 
Instrument:Astro-Physics Traveler 105/610; Feldstecher Canon Stabi is 15x45
 
Bedingungen:

Wolkenlos, mondlos, windstill, 18 Grad -13 Grad C. Das Seeing war verglichen mit Afrika miserabel; gemessen an den Verhältnissen mit unseren heißen Sommertagen erwartungsgemäß; verbesserte sich aber sichtbar ab ca. 1.00


 
Bericht:

Okulare: 40mm 2" Erfle, 15mm Eudia, 10mm Plössl, 7mm Ortho, 5mm Ortho, 3,5mm LWV, 2,8mm Hi-Ortho; 2" 2-fach Barlow

Nachdem das Wetter die letzten Tage vor Neumond und auch in der Neumond-Nacht selbst unter aller Kanone war, hielt mich am Sonntag nachmittag trotz der Hitze nichts mehr am Badesee; nicht einmal die frischeste Maß Bier (und das will was heißen). Rechtzeitig hab ich mich also heim begeben, geduscht und mein Geraffl zusammengepackt, um mich auf eine meiner längsten Beobachtungsnächte mit der kürzesten anschließenden Schlafzeit aufzumachen; denn am Montag war wieder arbeiten angesagt :-( Natürlich war ich mit 21.00 viel zu früh am Beobachtungsort; mit einer staufreien Anfahrt von nur 35 Minuten hatte ich jedoch nicht gerechnet. An ein Einnorden der Montierung war jetzt noch nicht zu denken; noch nicht einmal Mars war in der ersten Viertelstunde zu sehen. Dieser zeigte sich aber dann als erster; und so wurde er mein erstes Objekt in jener Nacht. Tief hing er am Südwesthimmel in der "Suppe"; ab 122-fach war die Szintillation deutlich auszunehmen. Oberflächenstrukturen -wie in Afrika- waren überhaupt keine zu sehen. Wollte man die Luftschlieren vermeiden, mußte man die Vergrößerung soweit runterfahen, daß vom Mars kaum mehr was zu sehen war. Mithin ist unser lieber Nachbar-Planet dieses Jahr kein optimales Objekt. Schade. Inzwischen war der Polarstern aufgegangen und ich machte mich an eine möglichst exakte Einnordung. Obwohl ich (noch) kaum fotografiere. Aber ich hasse die ständigen Korrekturen in Dec. Insbesonders bei hohen Vergrößerungen, wenn das Objekt durch das Bildfeld eilt und der Fokus immer enger wird, überdies jede Berührung das Rohr unangenehm schwingen läßt, will ich mir jede zusätzliche Schrauberei und Dreherei ersparen. Neben Mars wollte ich mir diese Nacht Objekte in Scorpion, Schütze und Steinbock vornehmen. Im letzeren vornehmlich Uranus und Neptun, deren Licht aufzufangen mein Fernrohr noch nie Gelegenheit hatte. Im Scorpion beobachtete ich M4, M6, M7 und M80. Die beiden Kugelhaufen vertrugen schon eine ordentliche Vergrößerung; bis 217-fach mit dem kurzen Hi Ortho konnte ich gehen, um zumindest einen der beiden bis fast ins Zentrum aufzulösen. Allerdings lies das Licht bei meinen gut 4" ab dieser Vergrößerung schon deutlich nach. Die beiden offenen Haufen M6 und M7 hingegen waren bei 30-fach mit dem 40mm und der Barlow am schönsten. Ohne lange Auskühlzeit und ohne Tubus-Seeing, standen diese Objekte knackscharf im Okular. Auch im Feldstecher mit beidäugigem Sehen waren sie ein ästhetischer Anblick. Nun dachte ich mir, als noch relativer astronomischer Neuling mit erst einem Jahr Teleskop-Erfahrung sollte ich mich erstmal mit der Lage der Objekte zueinander und im Sternbild auseinandersetzen, bevor ich mir einzelne Objekte herauspicke und diese dann mit verschiedenen Vergrößerungen traktiere. Go To Beobachter mögen es mir verzeihen; aber ich bin halt an der Stelle ein bissl konservativ. So griff ich zum Feldstecher und wanderte damit durch den Schützen. Ein Wahnsinn, welche Anzahl an Objekten einem da ins Auge springt! Jede Sichtung checkte ich mit dem Karkoschka gegen und versuchte, mir deren M-Nr. oder NGC-Nr. einzuprägen. Ich möchte einfach noch viel vertrauter werden mit unserem Himmel. Die Zeit lief, Mitternacht war längst vorbei. Denn zwischenzeitlich hatte sich noch ein Vater mit seinen beiden jugendlichen Söhnen, von denen einer ein Praktikum bei der Kölner Sternwarte absolviert hatte, zu mir gesellt. Sie selbst hatten außer einem Opernglas nix dabei und wenn nun vier Leute am selben Instrument stehen... Dennoch, bei den schon im Feldstecher hellsten und verheißungsvollsten Objekten konnte ich dann nicht umhin, sie mir im Teleskop genauer anzusehen. So griff ich mir Trifid- und Lagunennebel sowie M22 heraus. Letzerer ist ein richtiges Schmukkastl! Bei hoher Vergrößeung funkeln die einzelnen Sterne wie Diamanten. Um nicht zuviel Licht zu verlieren, fuhr ich die Vergrößerung von 217-fach auf 174-fach (7mm Ortho + Barlow) herunter. Meine Mitspechtler fuhren gegen 1.30 wieder heim und ich konnte endlich in Ruhe weiter beobachten. Nun sollten Uranus und Neptun meinem Rohr höhere Weihen verleihen. Also Delta Capricorni angefahren, die darüberliegenden 3 Sterne 45,44 und 42 Capricorni identifiziert. Uranus bildet z.Zt. ein etwa gleichschenkliges Dreieck mit 45 und 44 Capricorni: und schon war er im 40 mm Okular. Die Vergrößerung mußte ich hochschrauben. Ich ging aber langsam dabei vor, denn immerhin sah ich Uranus das erste mal durch mein Fernrohr und den Genuß einer langsamen Steigerung der Vergrößerung wollte ich mir nicht entgehen lassen. So kamen alle Okulare dran: das 15mm (40-fach), 10mm (61-fach), 7mm 87-fach), 5mm (122-fach), 3,5mm (174-fach) und das 2,8mm (217-fach). Sodann mit der Barlow das 5mm (244-fach), das 3,5mm (348-fach) und das 2,8mm (435-fach). Letzteres war zuviel des Guten: das Bild wurde weich. So belies ich es, trotz des engen Fokus und der aufwendigen Nachführerei, bei 348-fach. Die blaugrüne Farbe war nun deutlich zu erkennen; nach Oberflächendetails hielt ich aber keine Ausschau. Die kommen dann bei der nächsten Sichtung dran. Ähnlich machte ich es mit Neptun: leicht aufzufinden war er durch Ypsilon Capricorni, in dessen unmittelbarer Nähe er zur Zeit steht. Ein winziges Scheibchen, welches als solches erst ab einer erklecklichen Vergößerung zu erkennen ist. Hier fuhr ich die Vergößerung auch gleich in schnelleren Schritten herauf. Oberflächendetails kann man sich abschminken. Ich war froh, ihn überhaupt gefunden und gesehen zu haben: sicherheitshalber verifizierte ich seine Position nochmal mit dem Notebook und dem Kosmos Himmelsjahr. Nun wollte ich die Leistungsfähigkeit meine Optik testen und nahm mir Epsilon Lyrae vor, das berühmte Vierfach-System. Ab 61-fach wurden die beiden Komponenten länglich, ab 87-fach -meine ich- waren sie fast, mit Sicherheit ab 122-fach waren sie jedoch vollständig getrennt. Bei 435-fach sah man um jede Komponente einen Beugungsring, und dazwischen viel schwarzen Himmel. Nun war es 2.45 und ich wollte mir zum Abschluß noch einen Genuß geben: M31, M33 und M101 gemeinsam. Dies gelang mir bei 30-fach im 40mm Erfle und der Barlow. Die Galaxien standen inzwischen hübsch hoch. M33 war ein kleines nebliges Kringerl, M101 ellipsenförmig und M31 blendete fast mit seinem knallhellen Kern. Die Ausläufer gingen bei indirektem Sehen durch das ganze Gesichtsfeld, was mit Barlow immerhin noch 1,97 Grad ausmachte. Ein wahrer Genuß zum Abschluß, dachte ich mir. Um 3.15 begann ich einzupacken und die Ausrüstung zum Auto zu schleppen. Um halb vier tat ich einen kurzen Blick nach Osten, wo sich die Dämmerung abzeichnete, und traute meinen Augen nicht: Saturn und Venus zogen wie am Schnürl die Ekliptik hoch; kurz darauf sollte auch noch Jupi folgen. Also vor dem Auto wieder alles ausgepackt; ich konnte einfach nicht anders, Arbeit hin oder her. Alle drei sah ich mir noch kurz an: Die Venus war gut halb; Saturn zeigte deutlich zwei Wolkenbänder. Jupi hing noch zu tief unten, hier reichte ein Blick durch den Feldstecher. Um 4.00 fuhr ich dann, aufgeputscht durch Cola, endgültig Richtung Heimat. Es war hell und ich war hellwach, als ich daheim ankam. Ich lud aus und gönnte mir noch ein Bier, um die Erlebnisse verdauen und langsam ausspannen zu können. Um 5.15 ging es dann ins Bett; um 6.45 klingelte der Wecker...

Bernhard Kohmanns