Leoniden-Nacht

Ebenwaldhöhe, 17. 11. 2001

20011117api20.html

Beobachter:Alexander Pikhard
 
e-Mail:apikhard@utanet.at
 
Datum:17. 11. 2001
 
Zeit:20.30 MEZ
 
Ort:Ebenwaldhöhe
 
Instrument:freies Auge, Feldstecher 20x50, diverse Fernrohre von 4" Newton bis 18.5" Dob.
 
Bedingungen:

Durchsicht:1 Freis. vis. Grenzgröße:7.0
Aufhellung:1 Seeing:2
Wind:kein aus keine Angabe  
Temperatur:-2 °C Luftfeuchtigkeit:nahe 0 %
Sonstige Bemerkungen:Es war die klarste Nacht seit Jahren, die Durchsicht war enorm gut und vor allem nach Mitternacht wurde es sehr dunkel, als in den Tallagen Nebel einfiel. An den Sternen des kleinen Wagens konnte die freisichtige visuelle Grenzgröße unschwer zu rund 7 mag abgeschätzt werden. Da ich kein Teleskop betreute, konnte ich extrem gut dunkeladaptieren.


 
Bericht:

Ich war heute als "Gastbeobachter" da, ohne eigenens Teleskop. Mein LX-200 steht zerlegt zuhause herum, ich warte auf ein neues Getriebe für den Höhenantrieb, es dürfte doch der Motor eingegangen sein. Ich hatte aber auch kein Instrument nötig, es waren genug Stationen aufgebaut, und so streifte ich - wie auf unserer Afrikareise - nur mit Zubehör und guten Ratschlägen bewaffnet von Instrument zu Instrument.

Viele bekannte Gesichter und Instrumente waren da, es war ein kleines WAA-TT:

Günter Jenner und sein 18.5" Dob; Hans Peter Müllner mit seinem C8, ebenso Anneliese mit ihrem C8. Tahir Saban mit einem 5" Starfire Refraktor. Albert und Gabi Richter mit ihrem 10" LX-200. Unser 4" Newton - das offizielle Leihfernrohr der WAA - war auch da.

Zuerst gibt es ein reges Spazierenschauen an den wichtigsten Herbst- und Winterobjekten. Da fehlen die Haufen im Fuhrmann (M36, M37 - den habe ich sogar selbst am kleinen 4" WAA-Newton eingestellt - und M38) genausowenig wie M31 mit Begleitern, M33, Pleiaden, M1 oder h+Chi im Perseus.

Ich kann nur einige der Highlights schildern:

M31 und Begleiter in Tahir Sabans 5" Starfire mit 31mm Nagler war umwerfend. Alles in einem Feld! M31 mit einem fast rundherum laufenden Spiralarm, M32, und M110 erschien unglaublich groß. h-Chi sahen bei dieser Konfiguration wie auf einem Foto aus.

Und in diesem Rohr, gleiche Konfiguration, war auch der Nebel um Merope in den Pleiaden ohne Filter (!) deutlich zu erkennen.

Dann die erste Attraktion des Abends: Der Komet C/2000 WM1 (LINEAR). Er wird in allen Rohren eingestellt und auch gefunden, denn er ist schon im Feldstecher sehr hell und nicht zu übersehen. Außerdem steht er an einer markanten Stelle nahe bei Algol im Perseus (Skurril - auch Hyakutake und Hale Bopp zogen an dieser Stelle vorbei).

Im 20x50 Feldstecher erscheint der Komet sehr groß, diffus und sehr hell. In den diversen Instrumenten erkennt man einen diffusen, hellen Kern und in den größeren Rohren wie Tahirs Starfire, den beiden C8's von Hans Peter und Anneliese oder dem 10" LX-200 von Albert und Gabi erkennt man vom Kern ausgehend auch zwei bis drei Strahlen.

Ich versuche, den Kometen freisichtig zu erwischen, und nachdem ich den richtigen Punkt für indirekte Sehen erwischt habe, klappt es auch: Blickweise erwische ich ihn! Es war eine traumhafte Nacht, so klar, wie ich es seit Jahren nicht erlebt habe. Unglaublich, was noch alles freisichtig ist: M31, klar; soäter M42 wie ein Komet, M44 extrem auffällig. h+Chi, klar. Auch M33, ohne große Probleme! Da ich kein Instrument betreuen muß, dessen Leuchtdioden meine Dunkeladaption vernichten, kann ich mich heute extrem gut an die Dunkelheit anpassen. An den Sternen von UMi erkenne ich 7mag als freisichtige visuelle Grenzgröße.

Es ist eigentlich ein Jammer, wie sorglos die Hersteller moderner Geräte überall Leuchtdioden montieren... Ab einer gewissen Dunkelheit stört jedes Licht, egal, ob rot, gelb, blau oder sonst eine Farbe!

So klar die Nacht ist, so gut ist zeitweise auch das Seeing. Und so verwundert es nicht, daß der nächste Höhepunkt ein Planet ist: Saturn.

Schon die ersten Blicke durch Annelieses C8 zeigen, es ist toll heute. Hans Peter montiert seinen Binokular und bei diesem Blick werden die Augen erstmals feucht. Daß die Cassini-Teilung deutlich ist, brauche ich nicht zu erwähnen. Da ist viel mehr da! Der C-Ring schwebt, deutlich abgetrennt vom B-Ring, ganz fein in einem rotbraunen Ton. Auf Saturn erkenne ich einen dunklen Fleck im Äquatorband, aber auch einen hellen, schräg verlaufenden Streifen, der von der Äquatorzone in das Band reicht. In der Äquatorzone sehe ich zwei hellere, ovale Strukturen.

Doch nocht einmal zum Ring; der B-Ring erscheint leicht strukturiert, nicht ganz einförmig weiß. Doch der A-Ring! Deutlich ist da eine Struktur drin, das Encke-Minimum.

Jetzt beobachte ich mit Tahirs Starfire und ebenfalls Binokular. Das sieht aus wie die HST-Bilder!!! Ich erkenne viele Details in den Wolken des Planeten, sie sind extrem kontrastarm, feine Nuancen von gelb und grau, kaum zu unterscheiden.

Der B-Ring zeigt blickweise einige Rillen, und manchmal glaube ich auch, die eine oder andere Speiche zu erkennen. Und im A-Ring sehe ich jetzt deutlich die Encke- Teilung, ganz fein, wie mit einer Rasierklinge geschnitten, knapp am Außenrand des A-Rings. Ein Traum!!!

Auch in Albert und Gabis LX-200 sind viele Details da. Wir gehen bis zum 5,2mm Pentax-Okular. Der Versuch mit 7,5mm Pentax und 2x Barlow bringt nichts mehr. Tote Vergrößerung.

Leider wird jetzt das Seeing schlechter.

Der nächste Höhepunkt: Der große Orionnebel M42.

Jetzt sind alle Instrumente auf dieses eine Objekt gerichtet und mit diversen Okularen und Filtern geht es ans Werk. Dabei ist der Nebel schon ohne Filter ein Traum. Schon im 4" weit ausladend, ist er im C8 schon umwerfend. Wieder treibt mir der Blick durch Hans Peters Binokular Tränen in die Augen - was für ein wunderschöner Anblick, so plastisch, so hell! Und die Sterne im Trapez - sie haben unterschiedliche Farben! Das habe ich noch in keinem Guide gelesen, daß die Trapezsterne unterschiedliche Farben haben, und doch ist es so. Einer hell und blau, ein schwächer rötlich, ein anderer gelblich, der vierte wiederum weiß. Ist das hübsch!

Mit UHC- und auch O-III-Filtern holen wir viele Details aus dem Nebel heraus. Vor allem die inneren Strukturen werden sehr deutlich. Geisterhaft grünlich breitet sich der Nebel über einem - filterbedingt - tiefschwarzen Himmel aus.

Höhepunkt: Ein Blick durch Günter Jenners 18.5" Dob. Das ist mit Worten nicht mehr zu beschreiben! Wie ein Foto, nein, besser, wie gemalt sieht der Nebel aus! Als Draufgabe gibt es einen Blick zum Pferdekopfnebel: Mit einem H-Beta-Filter ist er ohne Schwierigkeiten zu sehen!

Keine Frage, es ist eine Nacht zum genießen, ungeeignet für etwaige Rekordversuche. In so einer Nacht muß man die "Klassiker" studieren! Und so vergehen Stunden beim Orionnebel.

Zwischendurch gibt's immer wieder ein paar kleinere Objekte wie NGC 891, M78 oder M76.

Nächster Schwerpunkt: Jupiter. Irgendwer schreit: "Ich habe Jupiter!", und alle schwenken hin...

Sehr hell, sehr hell. Graufilter werden gesucht. Auch Jupiter zeigt enorm viele Details. Das SEB ist geteilt, es erscheint - grünlich! - und ist in der Mitte hell, an den Rändern sehr dunkel. Das NEB ist dunkel rotbraun und zeigt in der Mitte am N-Rand einen dunklen BAR sowie nahe dem E-Rand Jupiters einen auffälligen hellen, länglichen Fleck. EB ist blickweise zu sehen, stellenweise unterbrochen.

Sonst keine Bänder, aber viele Strukturen in den gemäßigten Breiten und den Polarzonen.

Der Löwe geht auf ... Schon steht der Radiant der Leoniden hoch über dem Horizont. Na???

Es ist ca. 1 Uhr morgens und während wir mutmaßen, ob sich Leoniden zeigen werden, geht es los! Es sind nicht viele, aber teils sehr helle Meteore. Höhepunkt: Innerhalb einer Minute drei etwa jupiterhelle Meteore, die deutliche grüne Leuchtspuren zeigen, die über etliche Sekunden nachleuchten. Einen konnten wir sogar hören! Als die Leuchtspur schon erlosch, war ein helles, scharfes Pfeifen in der Luft.

Gegen 2 Uhr, es hat länger keine Leoniden gegeben, fahre ich heim. Abbauen muß ich ja nicht. Tahir, Hans Peter und einige andere harren noch aus.

Daheim angekommen blicke ich um 2.45 Uhr aus dem Fenster nach Süden, und genau über Procyon zieht ein Prachstück: Ca. -8 mag hell, weißblau mit rötlicher Spur, die gut drei Minuten lang stehen bleibt und sich langsam verformend auflöst. Ich bilde mir ein, einen scharfen Knall gehört zu haben.

Diese Nacht wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. So gut können die Bedingungen sein. Der 17./18. November wird wohl lange Zeit ein unerreichbares Ziel bleiben ...