Beobachtung

Innere Einöde/Ktn., 03. 08. 2002

20020803wpu20.html

Beobachter:Dr. Thomas Schröfl, Wolfgang Puglnig
 
e-Mail:schroefl@via.at
 
Datum:03. 08. 2002
 
Zeit:20.00 bis 02.30 MESZ
 
Ort:Innere Einöde/Ktn.
Geogr. Länge:13 55 00
Geogr. Breite:46 41 35
Seehöhe:1200
System:

 
Instrument:Optolyth 100/700, Sky-Watcher 150/1200
 
Bedingungen:

Durchsicht:2 Freis. vis. Grenzgröße:6.0
Aufhellung:2 Seeing:2
Wind:leicht aus W  
Temperatur:14 °C Luftfeuchtigkeit:
Sonstige Bemerkungen:anfangs leichter Westwind, gelegentlich vereinzelte dünne Wolken, nach Mitternacht sehr gutes Seeing


 
Bericht:

Was macht man 15km jenseits des kleinen Kärntner Ortes mit dem vielsagendem Namen Innere Einöde zu später Nachtstunde? Beobachten auf einem hervorragenden Platz unter besten Bedingungen praktisch ohne künstliche Aufhellung! Zunächst ein Dankeschön an Albert Richter, der mir den Kontakt zu Wolfgang Puglnig von der AVK in Klagenfurt (Sternwarte Gerlitzen Alpe, Planetarium Klagenfurt) vermittelt hat. Ich wurde von Wolfgang, wie von einem alten Freund sofort nach Eintreffen in meinem Urlaubsort Bodensdorf/Ossiachersee freudig telefonisch in Empfang genommen, mit der Entschuldigung, daß heute die Sternwarte leider nicht frei sei, er aber einen sehr guten Beobachtungsplatz wisse. Sinnigerweise vereinbarten wir unsere Zusammenkunft im Ort Treffen, von wo mich Wolfgang voranfahrend über Schleichpfade zu einem Bauerngehöft auf 1200m Seehöhe führte, nördlich der Gerlitzen in den Ausläufern der Tauern, etwas südöstlich von Radenthein. Weit und breit ist keine einzige künstliche Lichtquelle zu sehen; nur am tiefen östlichen Horizont eine geringe Aufhellung. Lediglich zweimal in 5 Stunden störten kurz Autoscheinwerfer. Wolfgang hat seit einigen Wochen, nachdem er bisher ?nur? auf der Sternwarte mit dem 62cm Ritchey-Cretien beobachtet hat, einen Sky-Watcher-Refraktor auf einer E-Q6 und ist ebenso wie ich erpicht das neue Gerät ausgiebig zu testen. Zeit und Wetter haben es auch bei mir bisher nicht zugelassen, mit dem Refraktor auf Deep-Sky-Beobachtung zu gehen. Am Anfang habe ich zunächst etwas Schwierigkeiten zufolge meiner noch mangelnden Praxis mit dem Skysensor 2000. Man darf halt nicht überlesen, daß man zur Bestätigung der Referenzsterne die Align-Taste nicht nur kurz drücken darf sondern 3sec bis zum Bestätigungspieps. Nach dieser kurzen Lernphase stürzen wir uns beide mitten in die sommerliche Milchstraße. Wolfgang, dem ich mein Bino zum Ausprobieren überlassen habe, seines soll demnächst kommen, ist von dieser neuen Art des astronomischen Sehens so begeistert, daß ich ihm seine Gastfreundschaft mit dem Überlassen des Binos für den Rest der Nacht danke. Mein erstes Interesse gilt den Vorzug des großen FOV des Refraktors zu nutzen und mir großflächige Objekte anzusehen. Wolfgangs geübter Blick hilft mir erstmals den Nordamerikanebel zu sehen mit der Erkenntnis, daß die Deutlichkeit großflächiger Nebel doch eine sehr relative Sache ist. Schon einmal in der Cygnus-Region gibt es kein Vorbei an Albireo. Fulminant die Abbildungsqualität des APO+s. Nadelscharfe Sternpunkte ohne jeglichem Farbsaum. Die Farbunterschiede blau und gelb so deutlich und klar wie noch nie. Bei dieser Aufgabe sticht der APO trotz des beachtlichen Öffnungsunterschiedes mein C11 glatt aus. Ich steigere mit dem TV Nagler Zoom 3-6mm die Vergrößerung von 117x bis zum Maximum von 233x. Nach geringem Nachfokussieren immer das gleiche: punktscharf. In der Schnelligkeit habe ich mir kein Beobachtungsprogramm für heute erstellt. So surfe ich Richtung Süden weiter durch die Milchstraße und mache, wie schon so oft einen Stop bei Sadr und seiner Nebelregion, die in ihrem Kernbereich bei indirektem Sehen sofort ins Auge springt. Der extreme Sternenreichtum in dieser Region und sein Eindruck im großen Gesichtsfeld läßt mich unwillkürlich an David Bowman+s Ausspruch in Kubrick+s 2001 A Space Odyssey denken, als er in den Monolithen stürzt: ?Mein Gott! Es ist voll mit Sternen?. Es geht weiter zu Lyra und dem Ringnebel. Wohl auch als helles Scheibchen problemlos zu erkennen, doch hier zeigt sich wo die Stärken des C11 liegen. In Vulpecula mache ich durch Wolfgang aufmerksam gemacht Station beim Hantelnebel M27, dessen markante Form bei indirektem Sehen klare Konturen zeigt, nahezu Hubble in schwarz-weiß. Täuscht mich mein Eindruck, daß bei größerer Öffnung zumindest ein Farbschimmer zu sehen sein müßte? Endstation der Milchstraßentour ist tief im Süden, wo ich den gesamten Bereich scutum, sagittarius, serpens cauda und Scorpius abscanne, mit Stops bei allen sichtbaren Messier-Objekten insbesondere meinen beiden Lieblingsobjekten M11 und M17, die ich zuletzt mit dem C11 beobachtet habe. Im Vergleich kann hier das C11 natürlich seine große Öffnung ausspielen. Es zeigt bei M17 deutlich mehr von den Randbereichen. Es ist gegen 02:00 und Müdigkeit macht sich langsam bemerkbar. Wir wollen aber den Abend nicht beenden ohne wenigstens einen raschen Blick auf die schönsten Objekte im Osten zu werfen. Die Andromeda-Galaxie zeigt nicht nur ihren hellen Kern, mit indirektem Sehen ist fast ihre ganze, das Sichtfeld ausfüllende Ausdehnung zu erkennen, das Staubband, nördlich von ihr eine Dunkelwolke und darüber als kleiner nebeliger Fleck M110. Mein letzter Blick gilt dem WAA-Symbol, den Pleiaden, die tief im Osten stehen. Erstmals habe ich sie in ihrer Gesamtheit im Blickfeld, wirklich ein sehr erhabener Eindruck. Viele male hat mich Wolfgang während des Abends an sein Gerät gerufen, um mit ihm die Freude binokularen Sehens zu teilen. Der ständige Vergleich zeigt, daß sich Binos auch für Deep-Sky-Beobachtungen wirklich hervorragend eignen. Das Baader-Großfeldbino vergeudet konstruktionsbedingt wirklich kein Quentchen Licht, bietet ein enormes Bildfeld und läßt sich mit den eudiaskopischen Okularen (sehr gutes Einblickverhalten und hervorragende Schärfeleistung) halbwegs kostengünstig bestücken. Mit den Glaswegkorrektoren lassen sich übrigens ebenfalls sehr kostengünstig verschiedene Brennweiten erzielen ohne in zusätzliche Okularpaare investieren zu müssen. Ein kleines Manko das Wolfgang ? im Gegensatz zu mir mit unterschiedlicher Fehlsichtigkeit zwischen linken und rechtem Auge ? aufgefallen ist: eine Dioptrienkorrektur ist nur durch Verschieben der Okularhülse möglich. Bei homofokalen Okularen kann man sich hier wohl mit entsprechenden Distanzringen helfen. Ein weiteres Vergleichsergebnis dieses Abends APO contra Fraunhofer-Achromat: nach meiner doch noch auf etwas wenig Erfahrung und Vergleichsmöglichkeiten beruhender Einschätzung ist der APO frei von Farbfehlern, während der Fraunhofer bei hellen Sternen leichte bläuliche Farbsäume zeigt. Ebenso fehlt ihm bei der Schärfeleistung das letzte an nadelpunktgenauer Sternabbildung und Knackigkeit. Nicht getestet, aber nach Gerald Rhemanns Fotos (übrigens ohne der optional erhältlichen Bildfeldebnungslinse) auf seiner homepage zu vermuten: der APO bietet insbesondere mit dem Flatfield-Korrektor fürs KB-Format ein vollkommen ebenes Bildfeld, was der Fraunhofer wohl nicht erreichen wird. Dafür bietet der Fraunhofer bei doch 150mm Öffnung mit rund ? 2.000.? incl. EQ-6 einen moderaten Preis, während das Mehr an Leistung beim APO mit deutlich weniger Öffnung doch sehr kräftig zu Buche schlägt; von einem 150mm APO gar nicht zu reden. Mein persönliches Resumee dieser Nacht: die sommerliche Milchstraße bei guten Bedingungen ist eine unerschöpfliche Fundgrube beobachtenswerter Objekte für Teleskope jeder Öffnung und die Anschaffung des APO-Refraktors war in mehrfacher Hinsicht eine lohnende Investition. Er ist einerseits von den Beobachtungsmöglichkeiten her gesehen eine ideale Ergänzung zum C11, bietet er doch ein großes Gesichtsfeld und ist überdies wesentlich weniger anfällig für mäßigeres Seeing, und andererseits leicht transportabel. Schließlich erwarte ich mir wohl nicht zu unrecht für die Zukunft auch eine hervorragende fotografische Leistung. Und nicht zu vergessen: Beobachten in gleichgesinnter Gesellschaft macht einfach mehr Spaß. Um 02:30 beenden wir nun mit ausgeprägter Sehnsucht nach einem Bett einen von Kärntner Gastfreundschaft und einem herrlichen Sommer-Milchstraßen-Erlebnis geprägten Abend und treten die Heimfahrt an.