Ferienspiel: Hallo Abendstern

Kahlenberg, 2. August 2002

Bedingungen: Zeitweise Durchzug von Wolken, ansonsten klar, zeitweise windig, mild.

Tag

Ein Postkartenmotiv: Wien an einem lauen Sommerabend, vom Kahlenberg aus gesehen, fast schon kitschig. Ein wenig Dunst über der Stadt, ansonsten ein strahlend blauer Himmel. Gerade rechtzeitig zum Wochenende hat die hohe Gewittertätigkeit nachgelassen und auch die Regenschauer haben aufgehört. Fröhlich und motiviert bauen wir unsere Mobile Volkssternwarte auf. Doch plötzlich ...

Dunkle Wolken

... ziehen bedrohliche dunkle Wolken auf. Bange Minuten beginnen. Wir decken die Fernrohre mit einer Plane ab, für den Fall eines plötzlichen Regengusses. Doch schon nach weniger als 10 Minuten ist der Spuk vorbei, die Sonne lacht wieder vom Himmel, und mit einem Blick zur Sonne durch unseren starken, sicheren Sonnenfilter, beginnt auch unser Programm.

Die Sonne zeigt heute weniger Flecken als an den Tagen zuvor. Wir beobachten sie auch im Licht des Wasserstoffs und können einige wunderschöne Protuberanzen erkennen, von denen uns eine spontan an einen Köcherbaum erinnert. Diese exotische Pflanze gibt es bei uns nicht - aber viele von unserem Team waren heuer in Namibia, wo dieses seltene Gewächs heimisch ist.

Andrang

Das doch sehr schöne Wetter hat heute wieder viele Familien - wir zählen in Summe wieder weit über 100 Erwachsene und Kinder - zu unserer Station gelockt. Nach dem anfänglichen Blick zur Sonne spielen wir wieder, wie immer, Planeten, die die Sonne umkreisen, und Raumschiffe, die von der Erde zu anderen Planeten unterwegs sind.

Doch der Höhepunkt ist wie immer der Blick zur Venus.

Lange Schlange Venus

Schon bei Tag ist unser Schwesterplanet mühelos im Fernrohr zu erkennen und dank Computersteuerung finden wir ihn auch immer ohne Probleme. Heute sieht Venus wirklich wie ein kleiner Halbmond aus - die Sonne beleuchtet sie genau von der Seite. In Wirklichkeit steht die Sonne natürlich westlich, also rechts von der Venus, das Foto, durch unser Fernrohr aufgenommen, zeigt die Venus - wie alles andere auch - auf dem Kopf stehend!

Die Wolken lösen sich langsam auf und es wird ein sehr schöner Sternabend.

Abend

Unser Postkartenmotiv hat sich verändert. Die strahlenden Farben des Tages verblassen zu einem geheimnisvollen Blaugrau in der Dämmerung, durch das nach und nach das künstliche Licht der Großstadt bricht und die Lebensadern dieses riesigen, künstlichen Gebildes deutlich machen. Doch heute kann das Stadtlicht hier am Kahlenberg den Sternenhimmel gar nicht so sehr trüben.

Durch die klare Luft können wir eine Vielzahl interessanter Himmelsobjekte einstellen, und einige unentwegte, darunter auch sehr interessierte Kinder, leisten uns bis etwa 22.30 Uhr Gesellschaft.

Sterngucker

Schon in der Dämmerung beobachten wir die beiden hellen Sterne Arcturus und Vega und erkennen, daß der erste goldbelb, der zweite aber deutlich weißlich strahlt. Ein Hinweis auf die Temperatur dieser Sterne! Die Farben der Sterne werden deutlich, als sich unser Teleskop auf den interessanten Doppelstern Albireo im Schwan bewegt - hier stehen ein heller rötlicher und ein schwächerer bläulicher Stern dicht nebeneinander.

Eine Passage der Internationalen Raumstation ISS erregt unsere Aufmerksamkeit. Rasch zieht das helle, von Menschenhand gebaute Himmelsobjekt über den Himmel und leuchtet, im Licht der Sonne, heller als die hellsten Sterne. Auch andere Satelliten ziehen immer wieder zwischen den Sternen der Sternbilder durch. Gegen 22 Uhr ist es dunkel genug, um die wichtigsten Sternbilder - Großer Bär, Sommerdreieck, Cassiopeia - auch gut zu erkennen. Beim Zeigen leistet uns ein heller Laser gute Dienste.

Die letzten Familien und auch viele WAA-Mitglieder können dann die fortgeschrittene Dunkelheit noch für Blicke zu einigen Deep Sky-Objekten nützen. Den Anfang macht der wunderschöne Kugelsternhaufen Messier 13 im Herkules mit seinen 100.000 feinen Sternen. Aber auch der wesentlich lockerere offene Sternhaufen Messier 11 in der sommerlichen Milchstraße ist ein sehr schöner Anblick. Der Ringnebel in der Leier, Messier 57, ist ein sterbender Stern und dieser Anblick erfüllt viele Betrachter richtiggehend mit Ehrfurcht.

Jetzt wollen es alle noch einmal ganz genau wissen; keiner blickt durchs Fernrohr, als ich erkläre, in welchen enormen Zeiträumen sich Sterne entwickeln, wie riesengroß das Universum ist und daß der Himmel in der Nacht letztendlich deshalb schwarz ist, weil unser Blick dermaßen weit in die Vergangenheit reicht, daß wir in eine Zeit zurückblicken, als es noch keine Sterne gab, das Wort "Es werde Licht!" noch nicht ausgesprochen war ...

Während wir unsere Station langsam abbauen, durchstöbern Michael und ich noch die Milchstraße in den kleinen Sternbildern Delphin und Pfeil und entdecken eine reihe interessanter "sterbender Sterne", sogenannte Planetarische Nebel, die in unserem starken Fernrohr gut zu sehen sind. NGC 6905 im Delphin ist eine recht großes, rundes, diffuses Wölkchen. NGC 6886 im Pfeil ist klein, fast sternartig, aber deutlich, etwas länglich. NGC 6891 im Delphin hat einen sehr hellen Zentralstern, der den Nebel fast überstrahlt. Wer hätte das gedacht; bei einem Sternabend am Kahlenberg, so nahe bei der Stadt, kann man auch persönliche Neuentdeckungen machen!

Es hat sich wieder einmal gezeigt: Astronomie ist enorm interessant, und die Kombination von Spiel, Erklärung und Blick durchs Fernrohr ist schon ein guter Zugang zum Universum. Auch wenn der Blick durch ein Fernrohr nicht leicht ist - wir müssen allen, ob Kindern oder Erwachsenen, erst einmal beibringen, wie man durch so ein Instrument schaut, damit man überhaupt etwas sieht!

Alexander Pikhard