Beobachter: | Bernhard Kohmanns | ||||||||||||||||||||||
e-Mail: | kohmanns.bernhard@siemens.com | ||||||||||||||||||||||
Datum: | 08. 01. 2003 | ||||||||||||||||||||||
Zeit: | 17.00 bis 01.30 MEZ | ||||||||||||||||||||||
Ort: | Sudelfeld bei Bayrischzell
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Instrument: | 105/610mm Apochromat; 15x45 Feldstecher | ||||||||||||||||||||||
Bedingungen: |
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Bericht: | Nachdem in den letzten Wochen das Wetter fast durchgängig schlecht war bzw. nur um die Vollmonde herum aufklarte, schien der 8.Jänner 2003 endlich wieder ein astronomisch verheißungsvoller Tag zu werden. Es klarte im Lauf des Vormittags auf, und mittags schien die Sonne vom blauen Himmel. Über den Alpen hingen um die Mittagszeit zwar ein paar Wolken, und die Berge waren vom Dunst verborgen. Diese Ausläufer des Mittelmeer-Tiefs ließen zuerst Bedenken aufkommen, ob sich eine Fahrt überhaupt rentieren würde. Nach einigem Hin- und Her-Überlegen entschloß ich mich doch, gegen 14.00 Richtung Berge aufzubrechen. Um im schlimmsten Fall nicht ganz umsonst gefahren zu sein, nahm ich noch mein Rodel mit. Sollte das Wetter wirklich zuziehen, hätte ich mir halt einen schönen Sport-Nachmittag gemacht. Nachdem ich Ausrüstung, Rodel und das voluminöse Daunen-Polar-Gewand ins Auto verladen hatte (diese Anzieherei im Winter ist wirklich jedes Mal grauslig), düste ich los. Heute wollte ich das erste Mal Sternfelder fotografieren, und habe auch die Kamera-Ausrüstung eingepackt. Ach ja, und im letzten Moment noch die Schneeketten, was sich später noch als weiser Entschluß heraus stellen sollte.... An der Seilbahnstation zur Rodelbahn wurde mir von der freundlichen Ticketverkäuferin jedoch gleich mitgeteilt, daß wegen Schneemangels das Rodeln leider ausfallen müsse. So beschloß ich, gleich zum Sudelfeld weiter zu fahren. Gegen 15.30 kam ich am Fuß des Berges an. Der Weg zum Beobachtungsplatz hinauf war zwar geräumt, aber dennoch drehten die Reifen wegen der Steigung auf halber Strecke durch. Also kam ich doch nicht um das leidige Schneeketten-Aufziehen herum... Endlich oben angekommen, stellte ich entsetzt fest, daß ich das Leitrohr zuhaus vergessen hatte... also sollte es auch mit Fotografieren nix werden. Mein Ärger hierüber war aber schnell wieder verraucht, als ich ein wunderschönes Alpenglühen in der untergehenden Sonne beobachten konnte. Die Berggipfel drum herum leuchteten in den schönsten Rot- und Magenta-Tönen, die sich nahezu minütlich mit dem Sonnenstand veränderten. Ich beschloß, die absolute Stille der verschneiten eisigen Bergwelt auf mich wirken zu lassen und den Wechsel der Tageszeiten bewußt und in Ruhe zu erleben. Die zunehmende Mondsichel stand um diese Uhrzeit in Meridiannähe. Und er sollte sich noch sehr sehr lange Zeit lassen bis zum Untergang... So begann ich, nunmehr in dickste Daunen verpackt, mit dem Aufbau. Bereits eine Viertelstunde nach Sonnenuntergang waren die ersten hellen Objekte zu erkennen: z.B. Saturn, Wega, Capella und Beteigeuze. Bereits zum Ende der Bürgerlichen Dämmerung um viertel sechs Uhr, als der Himmel noch in strahlendem Blau erschien, waren schon an die 20 lichtschwächere Sterne zu sehen, unter anderem auch der ersehnte Polarstern und das Fuhrmann-Sechseck. So etwas ist bei uns nur unter Gebirgshimmel möglich. Da es für Deep Sky aber noch viel zu hell war, nahm ich mir halt den guten alten Mond vor. Das Seeing war grauslig: es war, meine ich, das schlechteste, das ich je erlebt hatte in meiner "Beobachter-Karriere". Mit dem 9er Nagler bekam ich den Mond bildfeldfüllend ins Oku. Einen Tag nach der maximalen Libration Nord ist uns die Nordhalbkugel stärker zugewandt. Der Terminator verlief knapp hinter den drei großen eng beisammen liegenden Kratern Theophilus, Cyrillus und Catharina. Südlich davon stach besonders auch Piccolomini ins Auge. Es macht Spaß, die mit zunehmender Dunkelheit langsam zu erkennenden Sternbilder zu erraten. Hellere ertranken später fast in ihren normalerweise nicht sichtbaren schwächeren Sternen, während schwächere Sternbilder überhaupt erst sichtbar wurden. Ich nutze die Zeit der Dämmerung für die Einnordung. Durch den Mond und die stark reflektierende Schneedecke bleibt es aber bis zu dessen Untergang um halb elf sehr hell. Was also tun, wenn die relativ seeing-resistenten Nebel wegen der Helligkeit noch nicht gut heraus kommen, andrerseits aber die helligkeits-unempfindlichen (Doppel-) Sterne, Kugelhaufen und Planeten vom Seeing verschmiert werden? Nun, man kann die Zeit durch freisichtiges Beobachten der Sternbilder, sowie mit sich Vertrautmachen über die Lage von Objekten nutzen, z.B. mit dem Feldstecher. Oder durch spontanes Herum-Spechteln, einfach frei nach Gusto. Gegen 8 Uhr - in der Hoffnung, das Seeing sei jetzt besser -, beginne ich mit der eigentlichen Beobachtung. Ich nehme mir Mü Cephei, den Granatstern, einen gigantischen Überriesen mit 1.900-fachen Sonnendurchmesser, vor. Tief orange-rot leuchtet er im Nordwesten. Aber, oh Schreck: schon bei 67-fach ist er nicht punktförmig zu sehen, und das bei nur 4" Öffnung! Ich bin kurz vor dem Kapitulieren, überlege, ob ich nicht abbrechen soll. Aber die Schönheit und der Reiz dieser sternklaren Nacht bringen mich wieder von diesem Gedanken ab... Gut, dann probier ich halt Offene Sternhaufen aus, denke ich mir. M36, M37 und M38 im Fuhrmann waren bereits hübsch hoch. Sie flackerten auch kaum: also genau das Richtige bei diesen Verhältnissen. Im 9er Nagler bei 67-fach heben sich die Haufen deutlich von ihrer sternärmeren Umgebung ab. M37 ist der schönste: sehr viele, winzige Sternpunkterln, dicht beinander. M36 ist wesentlich sternärmer, dafür aber mit größeren Sternen. Er wirkt dadurch fader als M37. Und M38 ist ein Kompromiß: Sternengröße und -anzahl zwischen M36 und M37. Da von hier oben der Blick weit nach Süden möglich ist, möchte ich ein etwas exotisches Objekt angehen: NGC 1360, einen Planetarischen Nebel im Fornax (Ofen). Laut Karkoschka ein Fernglasobjekt. Ich fand ihn, trotz intensiver Suche und richtiger Lokalisierung weder im Fernglas, noch im Teleskop. Vermutlich lag es an der Helligkeit und am horizontnahen Dunst, welcher dieses doch recht tief liegende Objekt verbarg. Dafür begannen meine Okulare zuzufrieren. Kein Wunder: das Thermometer zeigte -15°C. Jetzt machte sich erstmals an diesem Abend mein kleiner Reisefön bezahlt: angeschlossen an den 12V Aku, sind die Okus im Nu wieder frei. Man kommt sich vor wie ein Zahnarzt: in der linken Hand die Lampe, in der rechten den Fön, das Oku spielt den Zahn... Zwischendurch kam eine leichte Brise auf, was ein wenig gegen all zu schnelles Zutauen half. Die Andromeda-Galaxie hatte den Meridian schon durchschritten. Gemessen an der durch Mond und Schnee verursachten Dämmerung (man kam fast ohne Lampe aus) kam sie aber doch gut heraus. Die klare Luft bietet scheints wenig Angriffsfläche für vom Schnee reflektiertes Mondlicht, sodaß es in Bodennähe zwar recht hell ist, der Himmel aber dennoch dunkler ist als in vergleichsweise tieferen Lagen. Der Offene Haufen Praesepe im Krebs kommt am besten bei 30-facher Vergrößerung im 31er Nagler mit 2-fach Barlow heraus. Bei 15-fach hängt er noch zu klein und verloren am Himmel, bei 67-fach ist vom Umfeld nichts mehr zu sehen. Das gilt auch für die Plejaden: bei 30-fach sind sie bildfeldfüllend: junge, heiße, bläuliche, nadelpunktfeine Sterne, eine Augenweide. Um die hellen Sterne herum ist auch deutlich Meropes Reflexionsnebel in diesem Sternentstehungsgebiet zu erkennen. Dto. NGC 2244, der offene Haufen im Rosettennebel im Einhorn. Wegen des Mondes ist aber trotz Nebelfilter um diese Zeit noch nichts vom Nebel zu sehen. Um 21.30 Uhr ist die Temperatur seltsamerweise leicht angestiegen, auf nur noch -11,5°C. Nach nunmehr 4,5 Stunden setzt auch der "Glasklotz" des Refraktors Eiskristalle an, die aber schnell weg gefönt sind. Ich schenke mir brühend heißen Tee ein. Die Lippen frieren am Metallbecher fest, gleichzeitig verbrüht man sich die Zunge, innerhalb von 2 Minuten ist der Tee kalt. Der blanke Wahnsinn! Um viertel elf war der Mond hinter den Bergen verschwunden, und endlich wurde es richtig dunkel. Ab jetzt machte es auch Sinn, nach lichtschwachen Objekten zu suchen. Und trotzdem gleich ein Frusterlebnis: NGC 2301 und NGC 2327, die beiden Offenen Haufen im Einhorn, waren beide unauffindbar. Trotz intensiver Suche. M79, ein 40.000 Lichtjahre entfernter Kugelsternhaufen im Hasen, ist auch bei 217-fach mit dem 2,8er Ortho nicht aufzulösen: Er liegt einfach zu weit entfernt, weit außerhalb des Milchstraßensystems. Nochmal zurück zum Rosettennebel, jetzt, nach Monduntergang. Am schönsten ist er im 31er Nagler, bei 15-fach. Nimmt man einen UHC Filter oder besser einen OIII Filter zu Hilfe, hebt sich dieser Emissionsnebel wunderschön vom schwarzen Hintergrund ab. Die sechs großen Sterne von NGC2244 in seinem Zentrum bleiben dennoch sichtbar. Ein visueller Hochgenuß! Natürlich lasse ich mir den Orion-Nebel nicht entgehen: dieser macht sich am schönsten bei 67-fach, wobei der OIII-Filter die Strukturen am deutlichsten heraus arbeitet. Um halb zwölf Uhr, nach nunmehr 6,5 Stunden Beobachtungszeit, wage ich mich nochmals an die Planeten, die zuvor noch jämmerlich im Seeing ersoffen waren. Saturn geht bis 217-fach. Deutlich sind die Cassini-Teilung zu sehen und das große Wolkenband, sowie vier seiner Monde. Bei Jupiter ist mit 217-fach die Schmerzgrenze überschritten, er wirkt schon zu verschwommen. Ich vergrößere ihn nur bis 174-fach mit dem 3,5er LWV. Das Seeing ist nach wie vor nicht gut: man erkennt kaum mehr als die beiden großen Äquatorbänder sowie die vier Galileiischen Monde. Die Kälte macht zunehmend dem Material zu schaffen: Okulare lassen sich nicht aus den Abdeckungen nehmen bzw. passen nicht mehr herein; Adapter gehen nur mit Mühe in ihre Aufnahmen, Kabel werden steif, alles wird zunehmend von Reif bedeckt. Wie im Eiskasten... Das letzte Objekt an diesem Abend sollte M41 sein, ein Offener Haufen im Großen Hund. Dieser kam am besten im 21er Plössl bei 29-fach heraus. Obgleich es mich nach wie vor nicht friert, beginne ich um halb zwei mit dem Abbau. Fazit dieser Nacht: Durch Schnee wird die "erhellende" Wirkung des Mondes vervielfacht; man sollte ihn tunlichst noch mehr meiden als zu schneefreien Zeiten. Dennoch kann man mit ein bissl Flexibilität auch solch helle, szintillierende und eiskalte Nächte in astronomischer Hinsicht zum Genuß werden lassen.
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