Sterngucker-Schule

Wien 3, Cards & Systems, 16. 04. 2003

20030416api19.html

Beobachter:Alexander Pikhard (ed.)
 
e-Mail:apikhard@utanet.at
 
Datum:16. 04. 2003
 
Zeit:19.30 bis 22.20 MESZ
 
Ort:Dachgeschoss der Firma Cards & Systems, Wien 3
 
Instrument:Celestron 8, Olympus Camedia C3000, Philips ToUCam Pro
 
Bedingungen:

Durchsicht:2 Freis. vis. Grenzgröße:3.5
Aufhellung:(Vollmond) Seeing:1-2
Wind:nicht bemerkbar  
Temperatur:+12 °C Luftfeuchtigkeit:trocken
Sonstige Bemerkungen:Starkes Mondlicht, sonst klar


 
Bericht:

Jetzt ist es soweit, endlich ist Premiere. Mit viel Spannung habe ich sie erwartet, und gerade am Premierenabend herrscht herrliches Wetter! Das können wir auch gut brauchen, denn wir haben die Sternguckerschule geschaffen, um nicht nur in der Theorie die Himmelsbeobachtung zu vertiefen, sondern auch in der Praxis.

Die wunderschön eingerichteten Räume des Seminarzentrums der Firma Cards & Systems stehen bereit; im 7. Stockwerk, Ecke Landstrasser Hauptstrasse / Untere Viaduktgasse bietet sich ein überwältigender Anblick über Wien. So müßte man wohnen! Aber ein Penthouse in dieser Lage und Größe dürfte die Brieftasche doch erheblich überfordern. Um das Geld kann man auf dem Land 5 Sternwarten bauen ... Umso mehr danken wir der Firma, dass wir einmal im Monat hier zu Gast sein dürfen.


Impressionen vor dem Ansturm

Der Abend ist ja wirklich perfekt. Malerisch geht die Sonne hinter dem Stephansdom unter, und so mancher von uns bekommt nostalgische Gefühle: Ja, das Panorama erinnert stark an die Urania-Sternwarte, die ja keine 300m Luftlinie von hier entfernt ist.


Sonnenuntergang über Weltkulturerbe

Der Ansturm auf die Premiere der Sternguckerschule ist enorm; über 30 "Schüler/innen" finden sich ein, und das, obwohl niemand weiss, was geboten wird. Das haben wir nämlich vorher nicht genau verraten. Der grosse Seminarraum kann unsere Gruppe bequem aufnehmen, und neben Projektionsfläche (aus weichem Kunststoff und daher völlig reflexionsfrei) gibt es auch Whiteboard und Flipchart, damit können ganz gezielt Fragen spontan grafisch beantwortet werden.

Es geht um alles, was im Sternbild Krebs beobachtet werden kann: Die Praesepe (M44) mit freiem Auge und Feldstecher, den offenen Sternhaufen M67 nahe Alpha (dem unteren Scherenstern) und die beiden schönen Doppelsterne Zeta (Schwanzstern) und Iota (oberer Scherenstern), jeweils für kleine Fernrohre. In der Mitte und an jedem Ende des Krebses liegt ein interessantes Beobachtungsobjekt!

Und es geht um Jupiter, der derzeit mitten im Krebs, nahe der Praesepe, steht. Und vor allem um Jupitermonderscheinungen.


Erklärung von Jupitermonderscheinungen (links) mit dem wichtigen Datum 27. 4.,
dem nächsten Durchgang des dunklen Monds Callisto vor Jupiter; rechts wurde das
Prinzip der Helligkeisschätzung nach Argelander erläutert, mit dem der
Verlauf von (gegenseitigen) Verfinsterungen der Jupitermonde gemessen werden kann.

Die Beobachtungsaufgaben dieses Monats sind also:

  • Freisichtige Beobachtung der Praesepe unter verschiedenen Bedingungen (siehe auch Wie viele Sterne sehen wir noch?)
  • Auffinden und beobachten von M67, Zeta und Iota Cancri mit kleinen Fernrohren
  • Beobachtung des Durchgangs von Callisto vor Jupiter am 27. 4.
  • Beobachten und messen einer gegenseitigen Verfinsterung von Jupitermonden (Daten siehe hier).

Was zu einem Beobachtungsbericht gehört, wird auch verraten:


Das gehört in einen Beobachtungsbericht

Das entsprechende Formular gibt's hier. Jetzt kann es schon losgehen!

Dann geht's ans Beobachten. Merkur macht den Anfang. Der kleine Planet steht über der Spitze des Stephansdoms und ist leicht mit freiem Auge zu erkennen. Im Fernrohr zeigt er eine kleine, rötliche Sichel.


Reger Andrang beim Sterngucken - wie es sein soll!

Dann wird Saturn bewundert, viele begnügen sich nicht mit einem Blick durchs Fernrohr, er ist ja auch wirklich zu schön. Und wer gerade nicht schaut, findet rasch einen Gesprächspartner zum Fachsimpeln. Dann Jupiter! Oh danke für diese attraktive Vorstellung! Der Grosse Rote Fleck fast im Zentralmeridian, Europa vor dem Planeten, und dann, als Europa gerade ihren Durchgang beendet, beginnt ihr Schatten über Jupiter zu ziehen. So sehen wir das zuvor theoretisch behandelte Thema gleich in der Praxis. Es bleibt Zeit, die WebCam zu montieren und das Geschehen im Bild festzuhalten. Die Aktion stösst auf reges Interesse.


Jupiter, links um 21.32 Uhr MESZ (Europa steht schwer sichtbar vor der Scheibe in der hellen EZ)
und um 22.09 Uhr MESZ (hier steht Europa schon rechts knapp neben dem Rand, ihr Schatten ist jetzt
bereits deutlich in der EZ zu erkennen.

Die Aufnahmen sind erstaunlich, denn sie werden von der nicht gerade erschütterungsfreien Terrasse, auf der sich über 30 Leute bewegen, mit einem nicht richtig aufgestellten und daher nicht exakt nachgeführten C8 mitten aus der Stadt gemacht. Nicht wenige meinen, sich unbedingt auch eine WebCam anschaffen zu wollen. Planetenfotografie mit solch einfachen Mitteln und solchen Ergebnissen, das ist wirklich eine Wucht!

Und dann der Ostervollmond! Traumhaft steigt er im Lauf des Abends aus dem Osten empor und sorgt zuammen mit der beleuchteten Stadt für eine mehr als romantische Kulisse.


Ostervollmond über der Landstrasse

Im Fernrohr - und auch schon mit freiem Auge - fällt die extreme Libration des Mondes in Breite auf; das Mare Frigoris, die "Augenbrauen" des Mondes, sind weit nach Norden verschoben und Tycho im Süden steht weit in der Mondscheibe. So verwundert es nicht, dass heute das Mare Australe zu sehen ist.


Ostervollmond mit Mare Australe (rechts unten)

Erst gegen 22.30 Uhr löst sich unsere "Schule" auf, und ich denke, viele haben wirklich etwas dabei gelernt. Es war jedenfalls wieder eine ganz besondere Sternstunde. Dass Lernen derart gesellig sein kann, ist schon das größte Markenzeichen der WAA. Dazu gehören aber auch die entsprechenden Mitglieder, denen für diesen Abend genauso herzlich gedankt sei wie der Firma Cards & Systems, die uns diese mehr als attraktiven Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung stellt.