Bedingungen: Warm, fast windstill, und für Wiener
Verhältnisse unglaublich klar; sogar die Milchstraße ist vom
Kahlenberg aus zu sehen!
Das anhaltend schöne und warme Wetter macht auch
an diesem Samstag keine Pause. Ein makellos blauer Himmel über
Wien spiegelt sich in der Donau, die an diesem Abend also wieder einmal
ihrem Namen alle Ehre macht.
Wien an der blauen Donau. Traumhafte Bedingungen, der Dunst am Horizont löst sich bald auf
Wir sind gewarnt; Schönwetter und Samstag, Mars in allen Medien
und in aller Munde, unsere Aktion in den Medien sehr gut präsent:
Radio Wien, Wien Heute, Kronenzeitung, Presse, alle haben
angekündigt. Es wird ein grosser Ansturm werden. So viel wie am 9.
August, als wir mit 330 Besuchern einen einsamen Rekord aufgestellt
haben?
Gut zwei Stunden vor dem geplanten Beginn um 21.30 Uhr beginnen wir
mit dem Aufbau, schon jetzt zeigt sich grosses Interesse an diesem
stark frequentierten Platz.
In der Dämmerung über dem beleuchteten Wien ... |
... bauen wir unsere Instrumente auf |
Der Sternabend beginnt eigentlich fliessend; sobald ein Instrument
fertig aufgebaut ist, ist es von interessierten Gästen umringt und
dank der früh einsetzenden Dunkelheit kann die Beobachtung des
heute strahlend klaren Sternenhimmels schon beginnen, bevor noch der
Mars aufgegangen ist. Auch unser Informationszelt kommt schon gut eine
Dreiviertelstunde vor dem offiziellen Beginn zum Einsatz.
Bald sind alle, kleine und ... |
... grosse Instrumente, belagert |
Ein nicht enden wollender Besucherstrom bewegt sich auf die
Terrasse, die um 21.30 Uhr wirklich kaum jemanden mehr aufnehmen kann.
480 Besucher werden bereits zu Beginn des Sternabends gezählt, und
der Strom reisst nicht ab! Das erfordert eine neue Organisation.
Spontan bilden sich 7 autonome Volkssternwarten mit rund 10
Instrumenten, in denen den wartenden Gästen die Zeit mit
Vorträgen verkürzt wird. Um unser Zelt scharen sich weitere
rund 100 Gästen, die beschliessen, zuerst einen Vortrag zu
hören und dann erst zum Mars zu schauen. Eine weise Entscheidung,
denn je später der Abend, desto besser der Blick zum Mars, der ja
erst vor wenigen Minuten aufgegangen ist.
Open Air Vortrag und ... |
... Detailwissen im Info-Zelt |
Menschen, wohin das Auge blickt. Hinter den Teleskopen haben sich lange Schlangen gebildet. An den Teleskopen erklären unsere wackeren Aktiven bereitwillig, was genau auf dem Mars zu sehen ist, wie man durchschauen muss, was zum Mars gehört und was nicht - denn auch unsere Erdatmosphäre trägt zum Erscheinungsbild bei, allerdings leider nicht im positiven Sinn. Das bewegte Bild und die deutlichen Farbränder gehen auf das Konto unserer Lufthülle. Viele sind überrascht. Ach so, mit Brille durch das Fernrohr schauen? Natürlich! Bei modernen Fernrohren kein Problem! Zunächst sehen viele nur eine helle Scheibe. Erst nach etwa einer halben Minute kommen die ersten Details heraus: Die Polkappe des Planeten, einige wage dunkle Gebiete wie Syrtis Maior.
Zwischen den Schlangen auch kurze Vorträge zur Verkürzung der Wartezeit. Nein, das ist heuer nur eine Sensation in den Nachkommastellen. Mars bleibt jetzt bis Ende September, auch Oktober, noch attraktiv und gut zu sehen. Verfolgen wird man ihn bis April 2004 können. Und dann kommt er 2005 ja schon das nächste Mal in Erdnähe, wenn auch nicht ganz so gut wie heuer. Dafür wird man ihn in unseren Breiten sogar besser beobachten können! Und ungefähr so nahe kommt Mars auch wieder 2018. Nur ganz so nahe eben erst wieder 2208 und näher sogar erst 2287. Ja, so relativieren sich astronomische Sensationen ...
Menschen, so weit das Auge reicht. Alle wollen Mars sehen!
Über den Wartenden strahlt der Rote Planet einsam am spätsommerlichen Himmel
Noch immer kommen Leute auf den Kahlenberg, es werden letztlich zwischen 550 und 600 Besucher sein. Dank des besonderen Einsatzes unseres Teams läuft unser Sternabend trotzdem nicht chaotisch, sondern geordnet und informativ ab. Niemandem ist langweilig, niemand beschwert sich über zu lange Wartezeit, 10 Teleskope lassen auch niemanden länger als 30 Minuten auf den ersten Blick zum Mars warten. Dennoch: Für so einen Ansturm hatten wir unsere mobile Sternwarte eigentlich nie konzipiert. Es ist aber auch eine Ausnahmestituation. Mars hat die Menschen schon immer in seinen Bann gezogen.
Ich erinnere mich an die Erzählungen des Urgrossvaters grossmütterlicher Seite meiner Tochter: "Wir sind vom Wienerberg zu Fuss zur Urania gegangen, da wir kein Geld für die Strassenbahn hatten. Wir mussten das Geld für die Eintrittskarte zur Urania sparen. Dort sind die Schlangen bis über die Aspernbrücke gestanden, aber wir haben gewartet, um den Mars sehen zu können." Das war 1924, als Mars das letzte Mal der Erde so nahe gekommen ist wie heuer. Damals hat der legendäre Oswald Thomas auf der Urania geführt.
High Tech: Das elektronische Auge sieht Mars viel kontrastreicher als wir
Gegen 23 Uhr ist ein harter Kern an Interessierten auf der Terrasse geblieben. Nich mehr alle Instrumente sind zum Mars gerichtet. Der klare Himmel gewährt unglaubliche Blicke auf Kugelsternhaufen, planetarische Neben und sogar den Grossen Andromedanebel. An anderen Instrumenten demonstrieren wir, wie moderne Technik den Roten Planeten deutlicher machen kann.
An das größte Instrument, ein 30cm-Spiegelteleskop, dessen Brennweite auf 6m verlängert wird, montieren wir eine WebCam. Auf dem Computerbildschirm sind Details zu erkennen, die unser Auge beim blossen Durchschauen nicht zu erfassen imstande war. Mit Farbfiltern dringen wir durch die dunstige Marsatmosphäre vor oder studieren den blauen Kohlendioxiddunst, der fast über der ganzen Oberfläche des Planeten liegt. Auch wenn unsere Lufthülle nach wie vor das Bild verschwimmen lässt, die Details sind dennoch beachtlich.
Mars im elektronischen Auge der mobilen Sternwarte
Deutlich verstärkt der Orangefilter die Details der
Oberfläche, dunklere gegen hellere Gesteinsformationen. Im
Blaufilter zeigt sich aber deutlich der bläuliche Dunst, der
über weiten Bereichen der Marsoberfläche liegt. Mit einer
Marskarte - ebenfalls am Computer - können wir die Landschaften
mit ihren eigenartigen, an das Weltbild der Antike erinnernden Namen
identifizieren.
In unser Marsbild eingeblendet sind hier die Namen der wichtigsten Formationen
Es ist nach Mitternacht, noch immer leisten uns viele Interessierte
Gesellschaft. Sie haben jetzt alle nur einen Wunsch: Die beiden
Marsmonde Phobos und Deimos zu sehen. Da muss zunächst noch ein
weiterer Trick her. Die WebCam wird ersetzt durch eine hochempfindliche
CCD-Kamera, mit der selbst bei nur einer Sekunde Belichtungszeit vom
Mars nur ein greller, überbelichteter Lichthof übrig bleibt.
Doch neben diesem Lichthof, da ist zunächst nur Deimos zu
erkennen. Klar, denn Phobos steht parktisch vor der Scheibe des
Planeten. Aber mit seinen nur 7 Stunden Umlaufzeit bewegt er sich
rasch. Innerhalb eines Zeitraums von nur 20 Minuten können wir
verfolgen, wie Phobos aus dem Lichthof des Mars auftaucht und um 0.48
Uhr deutlich neben dem Planeten steht.
Die beiden Marsmonde Phobos und Deimos in einem eine Sekunde lang belichteten CCD-Bild.
In den überbelichteten Lichthof des Mars wurde ein 1/100s lang belichtetes Bild der WebCam kopiert.
Das klare Bild am CCD-Bildschirm macht uns neugierig. Wir probieren nebenan, am 25cm-Spiegelteleskop, die beiden Marsmonde mit unseren eigenen Augen zu sehen. Und in der Tat, Deimos ist blickweise zu erkennen, und ein einziges Mal blinzelt auch Phobos hervor. Leider wird es Minuten später dunstiger und wir verlieren die beiden Marsmonde wieder.
Es war eine unglaubliche Sternstunde, eine Werbung für Astronomie, von der alle profitieren, die von oder für Astronomie leben. Es war hart, anstrengend, herausfordernd, hat aber genauso viel Spass gemacht wie das Überwinden der eigenen Grenzen beim Leistungssport. Das Gefühl danach ist unbeschreiblich. Das Interesse - und das Wissen! - an Astronomie in der Bevölkerung ist enorm und stimmt ebenfalls positiv. Es hat sich viel geändert in den letzten Jahren. Wir sind auf dem richtigen Weg. Neue Herausforderungen warten. Nach Mars 2003, der uns noch für gut und gerne 6 Wochen intensiv beschäftigen wird, warten schon die Mondfinsternisse vom November 2003 und Mai 2004, vielleicht der Komet C/2001 Q4 (NEAT) im Mai 2004, der Venusvorübergang am 8. Juni 2004, Mars 2005, und, und, und ... Langweilig wird uns sicher nicht. Und hoffentlich auch nicht allen, die mit uns das Weltall erleben!
Unser Dank gilt allen, die diesen unvergesslichen Abend ermöglicht haben!
Alexander Pikhard