Beobachter: | Thomas Weiland | ||||||||||
e-Mail: | weiland@a1.net | ||||||||||
Datum: | 04. 05. 2004 | ||||||||||
Zeit: | 18.30 bis 22.30 UT | ||||||||||
Ort: | Nahe Grünau / Namibia
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Instrument: | Spektiv 30x75 (Swarovski) | ||||||||||
Bedingungen: |
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Bericht: | Bedeckungen von hellen Sternen während einer totalen Mondfinsternis zählen zu den seltensten Himmelserscheinungen überhaupt. Jean Meeus hat die "Häufigkeit" derartiger Ereignisse näher untersucht("Mathematical Astronomy Morsels"; Willmann-Bell; 1997). Lässt man die Erdabplattung sowie die Vergrößerung des Schattens durch die Erdatmosphäre außer Acht bzw. beschränkt man sich auf Sterne > +3,0mag, so können laut Meeus gegenwärtig nur Regulus (Alpha Leo; +1,3mag), Akrab (Beta 1 Sco; +2,9mag) und Zuben Elgenubi (Alpha 2 Lib; +2,9mag) vom total verfinsterten Mond bedeckt werden. Für Regulus fand die letzte Bedeckung während einer Totalität 1859 02 17 statt, die nächste tritt erst 2510 02 25 (!) ein. Für Beta 1 Sco ereignete sich im 20. Jahrhundert lediglich eine einzige Bedeckung durch den total verfinsterten Mond (1975 05 25). Bei Alpha 2 Lib konnte ein Vorübergang des Mondes zuletzt während der totalen Finsternis 1985 05 04 über weiten Bereichen Afrikas und im Westen Australiens beobachtet werden. Expeditionen zu den beiden Grenzlinien der Sichtbarkeit (Sudan bzw. Südafrika) lieferten den damals genauesten Wert für den Polardurchmesser des Mondes (siehe Sky and Telescope, Vol. 70, No. 2 (Aug. 1985), pp. 183-185). Exakt einen Metonischen Zyklus später (das ist die Zeitspanne von 19 Jahren, nach der sich alle Mondphasen auf + 1 Tag genau wiederholen) sollte das letztgenannte Ereignis erneut eintreten. Auf Grund der kürzeren Dauer des Saroszyklus (18,6 Jahre) verschob sich jedoch der (in diesem Falle absteigende) Knoten um 7,57° nach Westen und somit das Sichtbarkeitsgebiet der Bedeckung von Alpha 2 Lib nach Süden, wobei die nördliche Grenzlinie nunmehr über Namibia, Südafrika und die Antarktis verlief. Da die drei oben genannten Sterne gegenwärtig von Österreich aus nicht während einer totalen Mondfinsternis bedeckt werden können und das nächste derartige Ereignis erst 2050 05 06 (ebenfalls Alpha 2 Lib) eintreten wird, entschied ich mich kurzerhand, nach Namibia zu reisen. Bei meiner Ankunft in Windhoek begrüßte mich der wolkenlose Himmel Afrikas. Sogleich machte ich mich auf, um zunächst die herrlichen, roten Dünen von Sossus Vlei am Rande der Namib zu besuchen. Mit über 200 m Höhe zählen sie zu den mächtigsten Dünen der Welt. Anschließend stand der berühmte Köcherbaumwald nahe Keetmanshoop auf dem Programm. Dabei zeigte sich das Wetter stets von seiner besten Seite. Doch ausgerechnet am Morgen des Finsternistages zogen Wolken auf. Sie lösten sich zwar im Laufe des Vormittages wieder auf, ab Mittag setzte jedoch erneut starke Quellwolkenbildung ein. Ein Blick auf das aktuelle Satellitenbild von Meteosat zeigte keinen eindeutigen Trend, und so hatte ich die Qual der Wahl, entweder nach Westen (Richtung Atlantikküste) oder nach Süden (Richtung Südafrika) zu fahren. Intuitiv entschied ich mich für letzteres. Mit im Gepäck hatte ich unter anderem ein Spektiv 30x75, ein Fotostativ, ein GPS-Gerät, einen Kurzwellenempfänger sowie eine digitale Uhr mit mehrmaliger Stoppmöglichkeit. Während meiner Fahrt nahm die Bewölkung zunächst noch weiter zu, je näher ich aber der Grenzlinie kam, desto klarer wurde es. Da die Sonne bald untergehen sollte, beeilte ich mich, den genauen Ort zu finden, was angesichts von Alfons Gabel (Mainz) dankenswerterweise zur Verfügung gestellter Tabellen zur GPS-Feinnavigation (in Längenschritten von 0,0001°, das entspricht etwa 10 m) mühelos gelang. Diese waren bereits auf eine voraussichtliche Höhe von 1000 m sowie einen Bereich 1300 m innerhalb des Sichtbarkeitsgebietes mit zumindest vier zu erwartenden Bedeckungsereignissen adaptiert. Auf Grund der Unsicherheit des Mondrandprofils genügte es jedoch völlig, sich in Schrittweiten von 100 m vorzutasten. Nach Erreichen des gewünschten Ortes bestimmte nochmals die Position: 18,2056° E; 27,9031° S; 900 m Höhe über NN (WGS 84). Anschließend schloss ich die Stoppuhr an ein verfügbares Zeitsignal an (zuerst vermutlich RWM Moskau (9996 kHz), später WWV, Fort Collins, Colorado (10000 kHz)). Bald nach Eintritt des Mondes in den Kernschatten zeigte sich letzterer im Spektiv leicht rötlich und das weite Sternenpaar Alpha 1/Alpha 2 Lib (+5,3mag/+2,9mag; 231" Distanz), von denen Alpha 2 in etwa 1+ Stunden bedeckt werden sollte, bereits strahlend hell. Etwa 20 Minuten später war er auch freisichtig zu erkennen. Mit fortschreitender Verfinsterung kam auch der Komet C/2001 Q4 (NEAT) zum Vorschein. Er erschien mit freiem Auge nur minimal schwächer als o2 CMa (somit +3,1mag) und wies einen kurzen Schweif von 1,5° Länge auf. Später (während der Totalität, um 20h 15 UT) konnte ich im Feldstecher 7x50 sowohl einen dünnen Gas- als auch einen breiteren Staubschweif (4° bzw. 2°) erkennen. Den Komadurchmesser schätzte ich auf 14'. Mit Beginn der Totalität um 19h52,5m UT - der Mond stand nun als kupfer- bis pfirsichfarbene Scheibe mit gelblichem Rand knapp 50° hoch - brach plötzlich eine stockdunkle Nacht über mich herein. Eine prachtvolle südliche Milchstraße überspannte den Himmel, und auch die Große Magellan'sche Wolke befand sich noch ca. 20° über dem Horizont. Doch mein besonderes Interesse galt natürlich Alpha 2 Lib, dem sich der Erdtrabant bereits dramatisch genähert hatte. Wenige Minuten vor der Bedeckung sorgten ein paar Wolkenfetzen nochmals für Spannung. Dann ließ ich den Stern nicht mehr aus den Augen. Er schien nun geradezu am Mondrand zu kleben, und die verbleibende Zeit wurde mir zur Ewigkeit. Um 20h28m07,6s UTC kam schließlich das erlösende "Aus". Wenig später (20h28m09,5s) tauchte er in einem Mondtal wieder auf, um nach kurzem "Flackern" erneut hinter Mondbergen zu verschwinden (20h28m10,4s). Das letztmalige Auftauchen fand um 20h28m27,4s statt. Dabei erfolgte der Kontakt graduell (etwa 1s), was wohl auf Beugungserscheinungen zurückzuführen ist. Die persönliche Gleichung schätzte ich auf jeweils 0,3s, beim 3. Kontakt auf 0,5s (bereits berücksichtigt). Zur Finsternismitte (20h30m UT) zeigte der Mond vom Schattenzentrum ausgehend in Richtung Rand zunächst ein tiefes, dann helleres Kupfer sowie ein gelbbraunes Segment. Da Einzelheiten auf seiner Scheibe nur zum Teil deutlich auszumachen waren, bewertete ich die Finsternis nach Danjon mit L = 2,5. Das Ende der Totalität um 21h08,0m UT kündigte sich schließlich mit lebhaften Farbtönen an, unter anderem einem pfirsich- bis orangefarbenen Bereich sowie einem bläulichgrauen Segment unmittelbar am Schattenrand. Der weitere Verlauf der Finsternis fand in gewohnter Weise statt, auch Alpha 2 Lib verlor bald wieder an Glanz. Nach einer kurzen Nacht im Auto besuchte ich an den nächsten beiden Tagen noch den Fish River Canyon, den "Grand Canyon Afrikas", bevor ich mich auf den Rückweg machte und nach etwas mehr als einer Woche wohlbehalten zu Hause ankam. (Siehe auch "Der Sternenbote" Heft 9/2004). |