Beobachter: | Wolfgang Valentin | ||||||||||||
Datum: | 10. 12. 2004 | ||||||||||||
Ort: | Mariazell/Neuberg | ||||||||||||
Instrument: | 6" und 7" Refraktor | ||||||||||||
Bedingungen: |
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Bericht: | Viele Berichte dieser Tage haben schon Eingang in die Chronik der WAA-Beobachtungsliste gefunden, und vieles, was ich von diesen Nächten berichten könnte, haben andere schon ausführlich dokumentiert. Dennoch fühle mich veranlaßt, den Ausnahmebedingungen dieser Tage Tribut zu zollen und einen eigenen Beitrag zu verfassen. Zum Glück bietet der Nachthimmel zu jeder Jahreszeit eine so große Fülle von Unterschiedlichem und für jeden individuell Erlebbarem, dass es trotz der vielen Vorberichte auch für mich noch Neues zu erzählen gibt. Die ersten beiden Nächte des Wochenendes habe ich auf der Winter Star Party in Mariazell verbracht. Der entspannten Atmosphäre entsprechend habe ich - so wie viele andere - mich überwiegend den einfach zu sichtenden Standardobjekten des Winterhimmels gewidmet. Oft konnte in mehreren Teleskopen gleichzeitig das selbe Objekt beobachtet werden, sodaß sich Vergleiche zwischen den verschiedenen Instrumenten anstellen ließen. Ich habe es mir dabei außerdem zum Thema gemacht, vor allem ausgedehnte Objekte zu beobachten, denn die gute Durchsicht versprach auch bei großer Austrittspupille dunklen Himmelshintergrund. Dazu sollte mein noch wenig erprobter Astro-Physics Telekompressor zum Einsatz kommen, der die Brennweite auf 75 Prozent verkürzt. Leider musste ich feststellen, dass ich anstelle des 2-Zoll Zenitprismas den Zenitspiegel eingepackt hatte, mit dem sich aufgrund seiner etwas größeren optischen Länge das ultimative Weitfeld-Nagler 31mm am Zeiss-Refraktor nicht fokussieren ließ. Also blieb mir nichts anderes übrig als mich ohne Verkürzung bei Nennbrennweite von 1200mm auf rund 2° Gesichtsfeld bei rund 40-facher Vergrößerung zu beschränken. Und immerhin - die Plejaden sind noch knapp im Gesichtfeld vollständig unterzubringen, M81 und M82 haben gemeinsam ebenso bequem Platz wie der Doppelsternhaufen h+chi im Perseus oder der Andromedanebel gemeinsam mit den Begleitgalaxien M32 und M110. Später am Abend gaben weiters M46 und M47 ein reizvolles Pärchen im gemeinsamen Gesichtsfeld ab, und selbstverständlich durfte der Komet Machholz auf der Beobachtungsliste nicht fehlen. Gegen 23:00 bot sich erstmals gutes Seeing an Saturn, den ich mit Bino und Baader 4-fach Barlowlinse bei Vergrößerungen von 192x -300x beobachtete. In den besten Momenten war unglaublich viel Detail zu erkennen, doch vor allem waren die verschiedenen Farbnuancen der gelblichen Planetenscheibe und der eher weißlichen Ringe waren sehr auffällig. Die Cassini-Teilung ließ sich ganz mühelos rundum - außer wo sie von der Planetenscheibe verdeckt wurde - beobachten. Gegen 1:00 Uhr früh kehrte ich nochmals zu Saturn zurück, die Momente guten Seeings waren nun aber seltener und kürzer als zuvor. Dazwischen hielt ich mich im Orion auf, um nach dem Pflichtbesuch beim großen Orionnebel M42 bewaffnet mit H-ß Filter Jagd auf den Pferdekopfnebel zu machen. Und tatsächlich gelang mir und einigen anderen Beobachtern die Sichtung, und das mit einer Öffnung von für Deep-Sky-Ambitionen bescheidenen 150mm! Gegen 3:00 Uhr Früh verließ ich als einer der letzten für diese Nacht die Beobachtungsstätte. Die zweite Beobachtungsrunde sollte bereits wesentlich früher beginnen: da am Samstag meine Anreise von Neuberg mit nur etwas mehr als 30 Minuten wesentlich kürzer als Tags zuvor von Wien ausfiel, war noch Zeit für Tagbeobachtungen: ich nutzte die für mich seltene Gelegenheit, an einem 10-Zoll Schmidt Cassegrain Protuberanzen der Sonne im H-alpha Licht zu beobachten, während ich an meinem heute mitgebrachten 180mm F/9 Astro-Physics Refraktor im Weißlicht beobachtete. Aber aufgrund des bereits niedrigen SOnnenstandes war das Bild von Luftunruhe stark beeinträchtigt, und Fleckenaktivität war auch kaum auszunehmen. Also wandte ich mich dem Aufsuchen von Fixsternen zu; Vega war natürlich kein Problem, aber auch Epsilon Lyrae ließ sich auffinden und gegen 15:00 Uhr, hoch im Zenit stehend, in alle Komponenten trennen. Ich hatte diese Beobachtung schon einmal im Sommer gemacht, daher fiel mir die Sichtung verhältnismäßig leicht. Einige weitere Besucher versuchten sich mit unterschiedlichem Erfolg. Gegen 16:00 Uhr, als viele Partygäste allerdings gerade zum Weihnachtsmarkt nach Mariazell abgestiegen waren, war die Sichtung bereits bedeutend einfacher, obwohl es noch immer taghell war und die Sonne über dem Horizont stand. Heute war ich schlauer und brachte alle Ausrüstung mit, um mit dem Telekompressor arbeiten zu können. Am Astro-Physics Refraktor ergab sich daraus mit f=1240 mm rechnerisch etwa die gleiche Brennweite wie am unverkürzten Zeiss-Refraktor. Tatsächlich hatte ich aber den Eindruck, daß das Gesichtsfeld etwas größer als am Vorabend war. Ich bemühte mich, die gleichen Objekte wie am Vorabend durchzugehen um Unterschiede festzustellen. Der größere Astro-Physics Refrakor bietet um 40 Prozent mehr Lichtsammelvermögen, was sich in einem Gewinn an Grenzgröße von 0,4mag niederschlagen sollte. Tatsächlich kamen mir die Unterschiede geringer vor; das mochte daran liegen, daß am Astro-Physics mit dem Telekompressor zusätzliches Glas und somit weitere reflektierende Oberflächen im Spiel waren; oder daran, daß meinen bisherigen Beobachtungen zufolge der Zeiss-Refraktor eine geringfügig bessere Kontrastleistung bot; oder daß schlicht und einfach daran, dass die geänderten Beobachtungsbedingungen dieser neuen Nacht ihren Teil dazu beitrugen. Der auffälligste Unterschied zeigte sich am Pferdekopfnebel, den ich im Astro-Physics deutlicher erkennen konnte. Hier dürfte das höhere Lichtsammelvermögen im Hinblick auf den lichthungrigen H-ß Filter den Ausschlag gegeben haben; wie auch immer - was sich an den Refraktoren darbot, wurde letztendlich nebenan am 18-Zoll Dobson deutlich auf die Ränge verwiesen. Weiters beschäftigte mich an diesem Abend der Versuch einer Webcam-Sequenz von Uranus, aus welcher sich trotz führender, meisterlicher Hand von Sebastian Voltmer, mit dem mitgebrachten Handwerkszeug an Software gleich im Anschluß noch keine wirklich befriedigenden Ergebnisse erzielen ließen; vielleicht folgt später dazu noch eine Nachlese ... Danach versuchte ich mich an McNeil+s neu entdecktem Nebel im Orion; die Auffindung war nicht einfach, via Internet mußte zunächst die genaue Position recherchiert werden, da er in den verfügbaren Sternkarten und Planetariumsprogrammen nicht eingetragen war. Dieses hochinteressante, weil kurzfristigen, beobachtbaren Veränderungen unterliegende Objekt war nicht leicht auszunehmen. Sebastian hatte offenbar das bessere Auge und bestätigte eine klare Sichtung. Eine kurze Vorstellung des Objekts findet sich hier: http://antwrp.gsfc.nasa.gov/apod/ap040219.html Reichlich weitere Informationen zum Stöbern liefern Suchmaschinen unter dem Begriff "mcneil nebula". Auch diese Beobachtungsnacht endete gegen 3:00 Uhr, hilfreiche Hände halfen mir beim Abbau meiner Ausrüstung - schließlich ging es wieder heimwärts - was in der Dunkelheit und der nun doch schon zunehmenden Müdigkeit den Zeit- und Nervenaufwand deutlich reduzierte. "Heim" bedeutet für meine Fernrohre Neuberg an der Mürz; und dort boten sich am nächsten Tag nochmals derart traumhafte Bedingungen, dass ich nicht widerstehen konnte nochmals den Zeiss-Refraktor aufzubauen. Gegen 15:30 Uhr richtete ich nun auch dieses Gerät auf Epsilon Lyrae: 4 Komponenten, noch viel deutlicher als am Vortag! Ich wußte: eine kurze Sitzung würde das gegen alle Vorsätze auch heute nicht werden. Ich holte nun nach, was in Mariazell nicht möglich war: mit dem Telekompressor verkürzte ich den Refraktor auf eine Brennweite von f=900mm (f/6) und ging mit dem 31mm Okular bei einer Vergrößerung von rund 30x und einem Gesichtsfeld von 2,5° die ausgedehnten Objekte an; tatsächlich, mit dem Zenitprisma läßt sich fokussieren: M45 hatte nun bequem im Blickfeld Platz, und es offenbarte sich so richtig der Sternhaufencharakter, der bei stärkeren Vergrößerungen nicht ausreichend zur Geltung kommt. Die Nebelhöfe rund um die Sterne traten deutlich hervor. Die Spiralarme des Andromedanebel waren noch weitläufiger zu beobachten als die Nächte zuvor. M81 und M82 standen eng auf deutlich weniger als 1/2 Gesichtsfelddurchmesser (Winkelabstand der beiden Galaxien bei rund 35 Bogenminuten) beisammen; neben M42 hat die ganze Nebelkette des Schwertgehänges im Orion Platz: NGC 1981-1973-1977-1980, alles passte mit ins Bild. Auf der Astro-Physics Homepage werden Vorbehalte gegen die visuelle Nutzung des Telekompressors geäußert, der vornehmlich fotografisch eingesetzt werden sollte; ein langbrennweitiges Okular sei die bessere Lösung als die Okular-Telekompressor-Kombination, heißt es dort. Nun gibt es keine Alternative wenn es sich beim Okular bereits um das 31mm-Nagler handelt; ich kann diese Äußerungen auch nicht nachvollziehen: die Nagler-Okulare bieten bis zum Rand auch bei f/6 scharfe Abbildung, eine Degradierung der Abbildung ist meines Erachtens auch bei kritischer Untersuchung nicht zu erkennen. Ich wechselte in weiterer Folge zum 22mm Nagler, das brachte zu Vergleichszwecken wiederum einen Bildausschnitt wie unverkürzt mit dem 31mm Nagler (v= rd. 40x) und staunte nicht schlecht: die Abbildung war wesentliche kontrastreicher, z.B. im Andromedanebel wurden plötzlich reichlich Strukturen in den Spiralarmen sichtbar. Also machte ich mich mit stärkeren Vergrößerungen an Stephan+s Quintett heran, einem Galaxienhaufen im Pegasus; zunehmende Vergrößerungen förderten die Sichtbarkeit. Ab v=53x mit dem Nagler 17mm konnte ich etwas erkennen, bei v=75x am 12mm-Okular ergab war der Eindruck gewiß, daß es sich um eine Mehrzahl einzelner Nebelfleckchen handelte. Gegen 19:30 telefoniere ich mit Günther Eder von der Sternwarte Mariazell, er saßt natürlich auch schon in der Kuppel. In Neuberg schien es feuchter zu sein als auf der Strehralm, denn das Gerät (aber glücklicher Weise nicht die Optik) war am Tubus bereits gehörig angeeist was die Nächte zuvor nie der Fall war. Am Osthang bildete sich bei mir gerade Nebel, der aber nicht aufstieg; gegen 20:30 Uhr sollte er sich außerdem wieder restlos aufgelöst haben. Während unseres Telefonates maß Günther weiters 0,4°C Lufttemperatur, während ich bei mir an der Hauswand -7°C ablesen konnte. Wie schon die vergangenen Nächte bei meinen Heimfahrten nach Neuberg zu bemerken, war es in niedrigeren Lagen wieder deutlich kälter, und die 300m Höhenunterschied zur Mariazeller Strehralm machten dabei jeweils gut 8°C aus. Da ich mittlerweile zu stärkeren Vergrößerungen gewechselt hatte, wollte ich den Telekompressor wieder ausbauen, aber offenbar war er etwas zu stark angezogen und die Kälte trug das Ihre dazu bei - er wollte sich ohne Abnahme des Teleskopes nicht entfernen lassen, und das wäre mir zu aufwändig gewesen. Also machte ich mit unveränderter Konfiguration weiter. Den Pferdekopfnebel wollte ich mir nun nocheinmal ansehen: bei Vergrößerungen zwischen 30x und 75x wurde ich neuerlich fündig; bei schwachen Vergrößerungen konnte ich die Nebelbank IC434, vor die sich der eigentliche Dunkelnebel B33 schiebt, deutlicher als zuvor erkennen. Den Pferdekopfnebel selbst konnte ich interessanter Weise dennoch nicht besser, aber auch nicht schlechter als die Tage zuvor (in den Refraktoren) ausnehmen. Letztlich blickte ich mit freiem Auge zu Saturn; es war gegen 22:00 Uhr und er stand gerade erst in etwa 30° Höhe, aber das ungemein ruhige Licht versprach gutes Seeing. Aber wie beobachten mit dem Telekompressor? Ich probierte etwas herum, und letztendlich konnte ich hohe Vergrößerungen am Bino erzielen, indem ich eine 1,75x Barlowlinse hinter den Telekompressor anbrachte. Und ich staunte nicht schlecht als ich feststellte, dass selbst diese verwegene Konstruktion das Bild nicht umbzubringen vermochte: Saturn stand da wie eingemeisselt, nur geringfügige Luftbewegungen waberten gemächlich darüber - viel weniger störend als nervös zitterndes Seeing. Ich vergrößerte bis v=260x, was 6mm Okulare erforderte; dennoch war das Bild krachscharf, die Cassiniteilung neuerlich perfekt definiert. Viele Farbnuancen ließen sich in den Wolkenbändern an der Planetenscheibe entdecken, von einem ockergelb bis hin zu hell-rostfarbig. Der Kreppring ließ sich erkennen und außerhalb der Cassiniteilung war in den Ansen der Ringe ein gewisses Helligkeitsminimum andeutungsweise auszumachen. Ja, der Herr der Ringe - mit ihm beschloß ich schweren Herzens, den Beobachtungsabend gegen 22:30 Uhr unter Rücksicht auf die bevorstehende Arbeitswoche abzubrechen. Ich erinnerte mich zurück - voriges Jahr war es vor Weihnachten der Kinofilm, der durch eine erhabene Vorstellung das Jahr glanzvoll ausklingen ließ. Für das heurige Jahr wird mir wohl das vergangene Wochenende in dieser Erinnerung bleiben. Zufall? Auch dieses Wochenende war ein Dreiteiler ... 11 Oscars? Keine Frage!! |