Besser beobachten - der erste Kontakt

Sofienalpe, 16. Jänner 2005

Es gibt keine besseren Bedingungen für einen ersten Kontakt mit dem Sternenhimmel als heute; gestern, während des Sternabends, klarte der Himmel auf, und heute herrscht strahlendes Winterwetter. Es ist kalt, aber kristallklar; ein paar Cirren in Horizontnähe stören nicht.

Wir begrüßen die recht zahlreichen neuen Sterngucker gleich mit einem Blick zur Sonne. Das herrliche Winterwetter hat uns dazu animiert, zwei Teleskope vor dem Eingang zum Hotel Sofienalpe aufzustellen, ausgestattet mit Sonnenfiltern. Sonne, jetzt, 2005? Befinden wir uns nicht so gut wie im Minimum der Aktivität? An sich ja, doch heute zeigen sich auf der Sonne viele Flecken, darunter eine sogar - bei entsprechendem Schutz - freisichtige Gruppe.


Der allererste Kontakt:

Sonne an LX200 und Dobson

Mit der Digitalkamera (Minolta Dimage Z1) und meinem so gut dafür geeigneten Okular, dem 2" 50mm Plössl, fange ich die Sonne ein. Zunächst an Rolands 12" Dobson, dann am 10" LX200GPS der WAA.


Sonne im 12" Dobson, Baader-Folie. Durch den offenen Tubus entstehen natürlich
Geisterbilder, doch die Bildschärfe ist nicht zu überbieten.


Im 10" LX200GPS fange ich die Flecken im Detail ein. Traumhaftes Seeing!
So viele Details in einem einfachen Schnappschuss durchs Okular.

Dann beginnt unser Seminar; bei all der interessanten Theorie sind wir in Gedanken aber doch stets bei der Praxis, an die uns die in den Kursraum scheinende Wintersonne erinnert. In der ersten Pause beobachten wir noch einmal die Sonne, in der zweiten Pause bereits den Mond.


Schon bei hellem Himmel zeigt sich der Mond scharf und kontrastreich.

Noch einmal geht es zur Theorie, doch nach dem gemeinsamen Abendessen hält uns nichts mehr und trotz der niedrigen Temperatur von -2°C beginnen alle mit dem Aufbau ihrer Instrumente auf der Wiese. Es entsteht ein richtiges kleines Teleskoptreffen.


Im (meist roten) Schein der Taschenlampen ...

... wachsen die Teleskope aus dem Boden

Alles ist da; computergesteuerte Schmidt-Cassegrains, Newtons und sogar ein echter Cassegrain und viele Dobsons, von 6" bis 18". Trotz seiner Helligkeit wird als erstes Objekt der Mond beobachtet. Das Seeing ist sehr gut. Am 10" LX200 gibt's wieder eine Demonstration, wie man mit der Webcam fotografiert, hier die durchaus beachtlichen Ergebnisse (verkleinert).


Theophilus, Cyrillus und Katharina


Maurolycus am Terminator

Highlight ist die - fast streifende - Bedeckung des recht hellen Sterns 88 Psc, die am dunklen Rand ganz knapp bei der nördlichen Hörnerspitze erfolgt. Mit der Webcam wird die Bedeckung auf Bildschirm übertragen, so dass sie alle beobachten können. Vor allem Christine ist begeistert. Wird sie zum neuen Bedeckungsfan?

AVI-Video der Bedeckung

Trotz Mondlichts wird auch Deep Sky beobachtet. Der Grosse Orionnebel ist wirklich noch immer sehr beeindruckend, die offenen Sternhaufen wie M35 natürlich auch sehr schön, und sogar unser Komet C/2004 Q2 (Machholz) ist noch mit freiem Auge zu sehen, im Fernrohr ist er sehr deutlich. Gegenüber Anfang Jänner hat seine Helligkeit aber schon etwas abgenommen.

Dann geht es zu Saturn. Ist das ein Seeing heute! Ab einer Vergrößerung von etwa 150x - 200x ist die Encke-Teilung ohne Probleme zu sehen. Ich wage mich wieder an eine Webcam-Aufnahme am 10" LX-200. Trotz nur 2,5m Brennweite ist diese dünne Teilung schon ansatzweise angedeutet. Schade, ein Versuch mit einer 2x-Barlowlinse scheitert an -- zu wenig Licht! Ich hätte wohl doch mein 12" LX200 mitnehmen sollen ...


Saturn bei 2,5m Brennweite im 10" LX-200

Als die meisten Beobachter schon abgebaut haben, passiert etwas Wunderbares. Das Seeing wird so gut wie seit Jahren nicht! Nachdem der Ringplanet im 18" etwas Schärfe vermissen lassen hatte, justiert in Roland nach. Ein Blick durchs Okular. Wow! Unglaublich! Schärfer, als es ein Dia vermitteln kann, steht Saturn da im Gesichtsfeld des 7mm Pentax, bei einer rund 300-fachen Vergrößerung. Die Encke-Teilung ist eigentlich ohne Probleme zu sehen. Ich zücke die Webcam. Ohne Nachführung nehme ich den Saturn auf, lasse ihn über den Chip laufen, rund 250 Bilder gehen sich in den rund 10 Sekunden aus, in denen die Erddrehung den Planeten durch das Bildfeld eilen lässt. Leider sind 2m Brennweite zu kurz, um die Encke-Teilung aufzunehmen, sie ist kleiner als ein Pixel, doch die Schärfe kommt heraus.


Saturn bei 2m Brennweite im 18" Dobson

Lag die Belichtungszeit im 10" bei 1/25s und hoher Signalverstärkung, so liegt sie im 18" Dobson bei 1/100s ohne Verstärkung. Da gibt's kein Rauschen, reichen von den rund 250 Bildern lächerliche 50 zum Stacken!

Eigentlich wollen wir abbauen, doch ich habe eine Idee. Ich setze meine 2x-Barlowlinse ein. Ein Blick durchs Okular. Gar nicht leicht, den Planeten bei fast 600x zu halten. Dann ein ruhiger Moment ... ... ... mir fehlen die Worte. Der Planet ist immer noch gestochen scharf. Die Encke-Teilung erscheint wie ein feiner Bleistiftstrich rund um den ganzen Planeten. Die Cassini-Teilung wirkt wie mit dem Messer aus den Ringen geschnitten. Im B-Ring tauchen zahlreiche Strukturen auf, man ahnt, dass es hier viele Teilungen gibt. Der C-Ring ist samtig, rotbraun, wirkt weich. Der A-Ring ist merklich dunkler als der B-Ring, aber immer noch weiss. Der Planet, im Gegensatz, gelblich, dunkel, drei bis vier Wolkenstreifen sind unschwer zu erkennen. Und das beste: Titan, der Mond, auf dem vorgestern Geschichte geschrieben wurde, ist ein orangefarbenes -- Scheibchen! Eine Bogensekunde und kaum verzittert. Ist das ein Seeing heute!

Mit der Webcam ist das nicht mehr zu machen, die Nachführung des grossen Dobson schaffen wir auch zu dritt nicht mehr. Aber ich greife zu einer anderen "Waffe": Das Bild ist so hell, dass muss doch die Digitalkamera mit einem einzigen Schnappschuss schaffen! Mit einem Adapter montiere ich die Kamera am Okular, so habe ich eine Hand zum Nachführen und eine zum Auslösen. Dass mit die Finger einfreiren, stört mich jetzt wenig. Klick. Klick. Klick. Ein Bild nach dem anderen entsteht. Ein gutes wird schon dabei sein.


Saturn. Einzelschnappschuss bei 400 ISO, 1/100s

Ich muss mit 400 ISO arbeiten. Das bringt viel Rauschen, Details gehen verloren. Schade. Aber mit 100 ISO müsste ich schon 1/10s belichten und bekomme schon die Bewegungsunschärfe. Aber wenn ich das Bild so weit verkleinere, dass es so gross ist wie die Webcambilder, dann - steht es diesen kaum nach!

Andreas, Roland und ich werden "übermütig". Ich setze die 3x-Barlowlinse ein. Das gibt eine fast 900-fache Vergrößerung. Jetzt gibt es nur mehr Freudenschreie, denn Saturn ist immer noch gestochen scharf! Ja, dieser Anblick ist noch viel besser als damals am Grossen Refraktor der Universitätssternwarte. Noch besseres Seeing, noch bessere Transparenz. Eine Gruppe von neu hinzugekommenen Besuchern folgt unserer Einladung zum Durchschauen, und die Begeisterung kennt keine Grenzen. So sieht man Saturn nur selten. Es sieht wirklich fast schon wie eine Cassini-Aufnahme aus.

Wir atmen auf, als wir bemerken, dass das gute Seeing schlechter wird. Jetzt, viel später als geplant, bringen wir es über das Herz, abzubauen und nach Hause zu fahren. Jetzt hat uns die Sofienalpe schon zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit eine sensationelle Nacht beschert. Nicht schlecht ...

Text und Fotos: Alexander Pikhard