WAA beim Maifest im Prater

Planetarium Wien, 1. Mai 2005

Im Zuge unserer Kooperation mit den Wiener astronomischen Volksbildungseinrichtungen wurden wir heuer erstmals eingeladen, auch beim Maifest im Wiener Prater teilzunehmen; an diesem schon traditionellen Fest steht das Planetarium bis weit in den Abend offen und die Mobile Sternwarte würde eine gute Ergänzung darstellen.

Wir nahmen die Einladung dankend an und schritten dennoch mit gemischten Gefühlen ans Werk; was würde uns hier erwarten? Beim Astronomietag war klar, dass wir ein doch auf Astronomie eingestelltes Publikum erwarten dürfen. Doch heute, wo doch Unterhaltung im Vordergrund steht? Würde die Mobile Sternwarte zwischen Biergarten, Imbissbude und Showbühnen nicht wie ein auf dem falschen Planeten gelandetes, ausserirdisches Raumschiff wirken?

Ganz und gar nicht, wie sich zeigen sollte; oft ist es gut, wenn man zur Kreativität einen externen Antrieb hat. Und wenn Astronomie im Südburgenland in einer Therme, am Rand des Schwimmbeckens, betrieben werden kann, warum nicht auch hier, als Ergänzung zu Freizeitfest und Rockkonzert?

Ko(s)mischer Maiaufmarsch

Unter all den eher kulinarisch und schaustellerisch orientierten Installationen hier im Prater wirkt unsere Mobile Sternwarte zunächst wirklich etwas exotisch, und so verwundert es nicht, dass die erste Frage, die an uns gestellt wird, jene nach Bier ist. Nein, Bier gibt's hier in diesem Zelt nicht.


In unmittelbarer Nähe der Showbühne ...

... bauen wir unsere Station vor dem Planetarium auf

Schon in der Aufbauphase erregt unsere Station Interesse

Unsere bemerkenswerte Erfahrung beginnt dennoch schon in der Aufbauphase. Kaum steht das erste Fernrohr - es zeigt noch gar nicht zur Sonne, noch irgendwo anders hin - zieht die Mobile Sternwarte die ersten Interessierten an. Und es fragt auch niemand mehr nach Bier. Auch nicht, was wir hier machen. Sondern -- was es am Himmel zu sehen gibt!

Star and Party

Während sich der Kaisergarten, wie der ganze Prater, an diesem ersten wirklich sommerlichen Tag (es hat 25°C im Schatten) mit Menschen füllt, füllt sich der Eingangsbereich des Planetariums mit Teleskopen. Und wo anfänglich eine eigenartige Leere geherrscht hat, sammeln sich auch hier Leute in neugieriger Erwartung einer unvermuteten Begegnung mit dem Weltall.


Hier Party ...


... hier Star(s)

Die Weltkugel und das Showplakat "Geheimnisse des Südhimmels" mit den tollen VLT-Teleskopen bilden eine herrliche Kulisse für unsere Station, die sich bald mit sehr viel Leben füllt und auch als wichtiger Magnet für das Planetarium fungiert.

Was haben wir eigentlich an Instrumenten dabei? Nun, unsere Flotte ist heute beachtlich. Das kleinste Fernrohr ist auch das beachtlichste, denn es ist ein Coronado Personal Solar Telescope (PST), das die Sonne im Hα-Licht zeigt, also die Chromosphäre, mit ihren interessanten Details und vor allem den Protuberanzen. Zur visuellen Sonnenbeobachtung haben wir dann auch noch Spiegelteleskope von 10 bis 45cm (!) Durchmesser dabei, und das computergesteuerte 25cm-Teleskop wird uns am späteren Nachmittag sogar Sterne am Tag bewundern lassen.

Let the Sun Shine

Der Himmel meint es heute mit uns besonders gut. Nicht nur, dass das Wetter wirklich gut ist, abgesehen von ein paar Cirruswolken, auch die Sonne zeigt sich heute von ihrer besten Seite. Sie müßte es eigentlich nicht, denn wir befinden uns im Minimum der Sonnenaktivität. Sie tut es dennoch mit einer sehr großen, sogar freisichtigen Sonnenfleckengruppe und schönen Protuberanzen, die in Rolands neuem Coronado PST besonders gut zu sehen sind.


Die Sonne zeigt sich an diesem Tag sehr präsentabel
mit einer riesigen, freisichtigen Fleckengruppe

Unsere Sonnenstation zieht heute wesentlich mehr Neugierige an als am Astronomietag, und das Interesse an der Sonne speziell oder an Anstronomie allgemein ist auch zumindest genauso groß wie vor zwei Wochen. Ist das positiv für den heutigen Tag oder negativ für den Astronomietag? Darüber werden wir uns später den Kopf zerbrechen, heute freuen wir uns, mit sehr vielen netten Leuten einen schönen Astronomienachmittag erleben zu dürfen; untermalt von Show und Musik, doch das macht die besondere Stimmung aus.


Für viele die erste Begegnung mit einem Teleskop

Cool: Die Sonne im Weisslicht und im Coronado PST (das kleine goldene Rohr rechts)

Alle Rohre sind zur strahlenden Sonne gerichtet

Beeindruckend: Der 45cm-Spiegel ist schon mächtig, ...

... aber auch im (gut geschützten) Feldstecher sind die Sonnenflecken zu sehen

Den ganzen Nachmittag ist der Andrang - und auch das Interesse - riesengross

Alle wichtigen Informationen zur Sonne auf einen Blick

Sonnenschauen bis zur letzten Minute, in herrlich milder Abendstimmung

Bis zur letzten Minute, bis Sonnenuntergang, sind unsere Fernrohre auf unseren Stern gerichtet. Doch zum allgemeinen Erstaunen kann unser computergesteuertes 10" Teleskop auch schon andere Sterne bei Tag zeigen; so statten wir den Nachbarsonnen Sirius, Procyon, Capella und Pollux einen Besuch ab - am hellen Tag!

Stars & Clouds & Rock'n'Roll

Die Sonne ist untergegangen; die Show auf der Bühne wird heißer, Mat Schuh sorgt für Stimmung. Während wir Sirius und einigen anderen hellen Sternen folgen, ziehen von Norden her dunkle Gewitterwolken auf.


Showtime!

Startime!

Plötzlich wird der Abend ganz einzigartig, in jeder Hinsicht ...

Abwarten, oder doch ...

Rock'n'Roll!

Die Stimmung ist mehr als nur eigenartig. Während im Prater die Show immer lauter und intensiver wird, färbt sich der Himmel dunkel. Aber sind es Töne von grau oder doch von blau? Und werden die Wolken abziehen? Der Oswald Thomas-Platz ist plötzlich menschenleer, als wir wegen eines ganz kurzen Regenschauers unsere Geräte in Sicherheit bringen müssen. Auch wenn der Regen rasch wieder aufhört: Keine Fernrohre, keine Leute.

Ratlos sitzen wir im Zelt, während der Widerspruch zwischen wolkenverhangenem Himmel und Rockmusik immer größer wird. Abbauen? Warten? Abbauen? Warten? -- Rock'n'Roll! Roland hat die rettende Idee und verwandelt den Eingangsbereich des Planetariums zur Tanzfläche, und während unsere Paare das Tanzbein schwingen, weichen die Wolken.

Es folgt: Der erneute Aufbau.

Hard Rock Observatory

Der Himmel klart auf, Saturn und Jupiter werden sichtbar. Bald stehen wieder unsere drei Fernrohre, und wie von Zauberhand ist der Platz vor dem Planetarium wieder mit Menschen gefüllt. Die Show erreicht den Höhepunkt. Chris Norman & Band bringen den Prater zum Beben, Hard Rock und Astronomie, wer hätte das für möglich gehalten.

Wie in Trance stellen wir die Planeten ein, die Menge um das Fernrohr ist nicht ungeduldig. Fast haben wir den Eindruck, es kann gar nicht lang genug dauern. Diese Stimmung! Ein Stern im Sucher! Saturn? Nein Pollux. Ein bißchen weiter. Jetzt ist er da. Der Anblick des Ringplaneten treibt manchen Freudentränen in die Augen. Längere Erklärungen sind bei dieser Musikuntermalung nicht möglich, jetzt, lieber Jupiter und Saturn, müßt ihr für euch sprechen. Und sie tun es!


Im Hard Rock Observatory zu Saturn ...

... und Jupiter.

Und doch tauchen Fragen auf. Wie gross sind die Planeten, wie weit weg, wie sieht es dort aus? Und: Wie weit kann man überhaupt sehen? Einer kleinen Gruppe erkläre ich, so gut es geht, das Prinzip der Raumzeit. Die Faszination kennt keine Grenzen; die scheint es hier und jetzt auch nicht mehr zu geben, vor allem sind alle Grenzen verschwunden, die wir uns noch vor kurzem für unseren Tätigkeitsberich vorstellen konnten. Astronomie in der Therme? Sehr gut, aber Astronomie beim Rockkonzert, das ist Stoff für Heldenlegenden!

Als das Planetarium beginnt, seine Pforten dicht zu machen, bauen auch wir ab. Irgenwie fühlen wir uns schon wie Ritter vor den Burgmauern ... Dafür werden wir dann noch, als alles schon verstaut ist, mit dem traditionellen Feuerwerk belohnt.


Der krönende Abschluß

Wie betäubt fahren wir heim. Was für ein Erlebnis, was für eine Erfahrung. Volksbildung muss zum Volk, auch wenn's hart wird. Lange noch klingt mir die letzte Frage, die eine Besucherin an diesem Abend gestellt hat, im Ohr: "Warum lernt man das nicht in der Schule?".

Text und Fotos: Alexander Pikhard