Routine ist gut, Routine ist schlecht. Routine ist gut, wenn es darum geht, mit recht geringem Aufwand eine Großveranstaltung reibungslos zu absolvieren. Diese Routine haben wir, daher gehen wir auch heute die Sache sehr locker an. Routine ist schlecht, denn sie verleitet dazu, Innovation zu vernachlässigen, und dann wird auch die beste Sache allmählich langweilig. Heute besteht dafür keine Gefahr, denn prächtiges Sommerwetter nimmt uns den größten Teil der Choreographie ab.
Zum zweiten Mal treten wir offiziell gemeinsam an, die Kuffner-Sternwarte, das Zeiss-Planetarium Wien und die WAA. Die neu eröffnete Urania-Sternwarte ist noch zu neu und tritt nur in Form von Namensschildern und im aufliegenden Veranstaltungsprogramm in Erscheinung, doch das macht nichts. Heute geht es darum, im Rahmen der Eröffnung des Ferienspiels, dem Super Schnupper-Startfest, Werbung für Astronomie zu machen; jeder für jeden, denn wer sich einmal für die Sache begeistert, kommt öfter als einmal wieder, und Vielfalt ist das beste Rezept gegen Eintönigkeit, womit sich der Kreis schließt. Bunt, lustig, vielfältig - so wollen wir für Astronomie begeistern.
Aber es ist sehr früh ...
Aufbau in der Frische eines Sommermorgens
In der Frische des warmen Sommermorgens bauen wir unsere Instrumente auf. Ja, es ist noch nicht lange her, dass wir sie abgebaut haben. Vor wenigen Stunden endete das erste "Abenteuer Astronomie" unserer Jugendgruppe mit Gestirnen am Tag, einer Nova und einer Supernova. Fast könnte man sagen, bedingungsloser Körpereinsatz ist das Markenzeichen unserer Arbeit. Der Lohn ist nicht Geld, aber grenzenlose Freude der "mit Sternen Beschenkten", und die ist viel, viel mehr wert.
Aber es ist wirklich sehr früh ...
Rettung naht: Kaffee! |
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Siesta astronomicana |
So heterogen wir sind, so eingespielt sind wir; ein Team, das einen Großteil der Wiener Astronomie repräsentiert. Das gemeinsame Frühstück im Grünen ist ein Frühstück unter Freunden. Und dann geht es an die Arbeit. Unsere Instrumente sind bereit: Ein Doppelrefraktor zur Beobachtung der Sonne im Weißlich und Hα (Coronado PST), ein computergesteuertes 12" LX-200 für die Beobachtung anderer Gestirne bei Tag und die geballte Ladung des 18"- (45cm-) Dobson mit 8" Leitrohr für hochauflösende Blicke zur Sonne.
Ein besonderes Geschenk macht uns die Sonne, unser Stern. Praktisch mitten im Aktivitätsminimum zeigt sie sich sehr aktiv mit unzähligen Sonnenflecken und tollen Strukturen in der Chromosphäre (Filamente und auch einige Protuberanzen). Schon vor Beginn des Festes ziehen unserer Fernrohre die ersten Interessierten an (und ins Planetarium) und lassen sie die Sonne bewundern.
Prächtig zeigt sich die Sonne im weißen Licht der Photosphäre
(Digicam-Schnappschuß durch das 12" LX200)
Die großen Fernrohre sind sofort ein Blickfang und locken viele Interessierte an,
Kinder und auch Erwachsene - für viele ein "erster Kontakt" mit dem Weltall
Auch im Ha-Licht der Chromosphäre ein Erlebnis: Die Sonne
(Digicam-Schnappschuß durch Coronado PST)
Mit der Sonne kann man aber noch mehr anfangen, als sie nur (mit sicheren, starken Filtern) zu beobachten. Mit einer Sonnenuhr zeigen wir, wie man die Himmelsrichtungen bestimmen kann - vorausgesetzt, man weiss, wieviele Minuten die Sonnenuhr vor- oder nachgeht. Das ist gar nicht so einfach!
Eine Sonnenuhr ist ein interessantes Instrument |
Für viele mehr als erstaunlich: Die Venus bei Tag |
Das computergesteuerte 12" LX-200, ein 30cm-Spiegelteleskop, das (fast) jedes Gestirn am Himmel automatisch einstellen kann, vetritt würdig das modernisierte Fernrohr der Urania-Sternwarte. Fast spielerisch findet es Gestirne bei Tag und so beginnen wir am Vormittag mit einem Blick zum -- Roten Planeten Mars!
Unglaublich, dass man sogar bei Tag eine Polkappe des Planeten und einige Details seiner Oberfläche erkennen kann. Doch leider geht Mars bald unter, und Ersatz kommt in Form des Planeten Venus, den wir bis in den späten Nachmittag verfolgen können. Gestirne bei Tag, für viele ein unerwarteter Anblick, der oft und oft genau hinterfragt wird.
Das Super Schnupper-Startfest ist ein buntes Fest, zum Glück nicht so laut wie das Maifest, dafür bunter und lustiger, es ist eben eine Kinderveranstaltung. Und plötzlich begeben wir uns auf eine Zeitreise, zurück ins Mittelalter, in die maurische Kultur, als Gaukler auftreten.
Gaukler! Die Stelzengeher sind wirklich beeindruckend.
Sind wir nicht alle Gaukler? Auch wir versuchen, die Aufmerksamkeit auf uns zu lenken, nicht mit Akrobatik (zumindest nicht beabsichtigt), sondern mit unseren Fernrohren der Mobilen Sternwarte. Und das, was wir "vorgaukeln", gibt es halt wirklich; aber ohne unser Zutun würde keiner hinschauen, niemand es bemerken. So bedarf es der Show, denn der Zweck heiligt die Mittel.
Was man nicht kennt, macht neugierig |
Wissenschaftliche Schaubude |
Es ist heiß heute Nachmittag. Ein schattenspendendes Zelt ist da sehr willkommen. Ach, und wenn da gleich interessante Informationen über Planeten und Sterne zu lesen sind, bilden wir uns gleich ein wenig weiter. Im Planetarium ist es noch kühler, dank Klimaanlage? 20 Minuten sitzen, entspannen, und dabei einen Flug durchs Universum machen, bei freiem Eintritt? Nichts wie hinein!
Vom heißen Tag in die kühle, künstliche Nacht |
Das Planetarium entführt von Wien ins All |
Rund 1.200 Personen besuchen an diesem Nachmittag die Stationen von "Astronomie in Wien" und erleben eine wunderbare Kostprobe, auf wie viele Arten man in unserer Stadt den Sternen näher kommen kann. An die 20 Mal kann man im Rahmen des Sommerferienspiels an Stationen im Planetarium, auf der Kuffner-Sternwarte und der Mobilen Sternwarte der WAA teilnehmen.
Sterngucken, fast ohne Ende. Auch wenn Sonne und Venus bald hinter den Bäumen versinken,
das Interesse ebbt nicht ab.
Ein paar Quellwolken am Nachmittag können uns die Freude nicht verderben. Als die Sonne sich anschickt, hinter einem nahen Baum zu verschwinden, begeben sich die mobilen Sonnenteleskope einfach auf die Wanderschaft. Das computergesteuerte Teleskop geht einen anderen Weg; als Venus hinter dem Baum verschwindet, schwenkt es, hoch nach Osten, zum Stern Arktur. Ein Stern, eine andere Sonne, 40 Lichtjahre entfernt. Wow ...
Nadelfein und goldgelb funkelt Arktur vom Taghimmel
Wir leben in einer interessanten Zeit voller Herausforderungen, gar nicht so weit vom Mittelalter entfernt (und das nicht unbedingt im negativen Sinn). Jeder macht, was er will, und doch folgen alle irgendwie einem Ziel. Individualität steht im Vordergrund, das Interesse ist hoch, die Fragen viel, Antworten schwierig oder nicht vorhanden. Wer sie weiss, muss trommeln, schillern, um gesehen und gehört zu werden in der enorm mobilen Masse. Gaukler eben ...
Text und Fotos: Alexander Pikhard