Totale Sonnenfinsternis

Sonnenfinsternisreise der Kuffner-Sternwarte, Çolaklι/Türkei, 29. März 2006

Es ist nicht meine erste totale Sonnenfinsternis, aber diese bereitet mir besondere Freunde. Zum einen, weil mir die Ehre zuteil wurde, eine beachtliche Gruppe von 60 Finsternisreisenden so zu betreuen, dass die Finsternis für alle ein unvergessliches Erlebnis wird. Und zum zweiten, weil das Wetter mitspielt und die Finsternis vor der wunderschönen Kulisse des Mittelmeers stattfindet. Es ist in der Tat meine erste totale Sonnenfinsternis am Meer.

Ein strahlender Morgen mit wolkenlosem Himmel setzt eine Menge Glückshormone frei, die steigende Spannung tut das Ihrige; ein paar Cirruswolken beeinträchtigen die Finsternis nicht, im Gegenteil. Wie jede Sonnenfinsternis beginnt alles zunächst recht ruhig und unspektakulär. Ein paar kleine Sonnenfleckengruppen sind aufgetaucht, als Verzierung; und Gabi Richters Coronado verheisst viele Protuberanzen.

Noch eine Ehre wird mir zuteil: Norbert Zeitlinger lädt mich ein, die Finsternis mit meiner Canon EOS 350D an seinem 4" f/6.2 TMB-Apo zu fotografieren, das gibt ein chickes Teleobjektiv von 650mm Brennweite. Die Kombination mit 8 Megapixel liefert dann auch gestochen scharfe Bilder.

Je näher der zweite Kontakt rückt, desto klarer wird, wie stimmungsvoll diese Finsternis sein wird. Die Temperatur fällt spürbar ab. Herbert Smutek misst einen Abfall von 4,3°C - dabei sollte die Temperatur bis zu dieser frühen Nachmittagsstunde eigentlich steigen, nicht fallen.


Die Sonnenflecken sind ein netter Aufputz; man beachte auch die Fackelgebiete.
Bildausschnitt in Originalgröße.

Wenige Minuten vor dem dritten Kontakt beginnt dann die Natur, alle Register zu ziehen: Rund um die dünne Sonnensichel ein Hof aus irisierenden Eiskristallen und rund um die schon recht stark verfinsterte Sonne eine Sonnenhalo! Aber halt, rasch ein Blick zum Boden: Auch fliegende Schatten sind zu beobachten. Ein Phänomen, das sich kaum im Bild festhalten lässt.


Sonnenhalo um die schon stark verfinsterte Sonne

Dann geht es Schlag auf Schlag. Venus taucht auf, wie in der Dämmerung. Der Horizont verfärbt sich. Der Kernschatten kommt!


Venus im Kernschatten

Im Kamerasucher kann ich er dünnen Sichel der Sonne beim Schrumpfen zusehen. Nur mehr ein Hauch. Ist das dunkel! Wo ist der Knopf für die Displaybeleuchtung der Kamera? Hier - gut! Rasch den Sonnenfilter abmontieren und ...


Zweiter Kontakt

Ein wunderschöner Diamantring zerfällt zu einer glitzernden Perlenschnur, die gleißend hellen Perlen gesäumt von größen, hell roten Protuberanzen. Könnte man doch die Zeit anhalten, ein paar Sekunden wenigstens ...


Zweiter Kontakt, Detail in Originalgröße

Eine wunderschöne Minimumcorona strahlt über uns, eher weißlichblau statt blaugrün. Länglich, mit deutlichen Strahlen, die sich freisichtig mindestens einen Sonnendurchmesser in jede Richtung verfolgen lassen. Ich nehme drei Belichtungsserien von 1/500s bis zu 1/2s auf, dabei bleibt aber immer noch viel Zeit zum visuell beobachten, auch zum in die Gegend Schauen.


Schnappschuss der Corona

Heute passt das Wetter in jeder Hinsicht; auch das Seeing ist sehr gut. Das liegt wohl daran, dass wir über das Meer schauen und zwischen uns und dem Meer nur ein schmaler Streifen Wiese und dann Sandstrand liegt. Deutlich ist das Mondrandprofil zu erkennen, vor allem am Südpol, wo die Berge über 10.000 Meter hoch über ihre Umgebung aufragen.


Mondrandprofil nahe dem Südpol des Mondes, Bildausschnitt in Originalgröße.

In der aktuellen Ausgabe von Sky&Telescope ist ein Artikel erschienen, wie man mit Photoshop aus einer solchen Belichtungsserie ein Kompositbild der Corona macht. Das muss ich gleich ausprobieren.


Komposit aus acht Aufnahmen, Belichtungszeiten 1/1000 bis 1/10s bei 100 ISO

In dem Komposit kommen die magnetischen Feldlinien unglaublich gut heraus. Es ist wirklich eine bemerkenswert reich strukturierte Corona. Das Bild entspricht recht gut dem Anblick mit einem Feldstecher. Doch bald heisst es aufpassen ...


Dritter Kontakt

Eine richtige "Wand" in der Chromosphäre steigt auf, so dass sich der dritte Kontakt sogar mit freiem Auge in Form einer hellen roten Verfärbung am Mondrand ankündigt. Dann erscheint die zweite Perlenschnur, die in einen wunderschönen Diamantring übergeht. Was für eine Totalität; mit 3 Minuten 45 Sekunden auch lange genug, um viele Fotos zu machen und auch noch zu schauen.

Es ist vorbei. Es ist mehr als sportlich, auch die nachfolgenden partiellen Phasen zu fotografieren. Die Stimmung ist heiter, gelöst, glücklich. Wann ist die nächste totale Sonnenfinsternis?

Ja, wann ist wirklich die nächste totale Sonnenfinsternis? Fred Espenak weiss die Antwort, ich wusste sie natürlich auch schon länger: Am 1. August 2008; sichtbar in -- Sibirien. Die Wetterdaten für diese Finsternis sind nicht gut und sie dauert nur zweieinhalb Minuten. Mal sehen ...