Zum dritten Mal veranstalten wir heuer die Easter Star Party. In den vergangenen beiden Jahren war das Wetter jeweils exzellent, im Vorjahr überhaupt unübertreffbar. Heuer fällt Ostern auf einen sehr frühen Termin, und das erste Wochenende nach dem Vollmond, das sich anbietet, fällt auch noch in den März. Bereits während der Planung der Aktivitäten für 2008 macht uns dieser Umstand Sorgen. Werden wir vielleicht gar im meterhohen Schnee stehen?
Exakte Wetterprognosen, das haben wir mittlerweile gelernt, sind in unseren Breiten nur über ein paar wenige Tage im voraus sinnvoll. Doch der März bereitet uns allgemein Sorgen. Ein massiver Wintereinbruch mit zwei Wochen langem Schlechtwetter scheint unsere Befürchtungen Realität werden zu lassen; doch belassen wir es einmal bei Bauernregeln. "Märzenschnee tut keinem mehr weh" ist da noch die harmloseste. "Märzenschnee und Jungfernpracht dauern oft kaum über Nacht" ist da schon etwas deutlicher.
Doch der am Karfreitag auf der Hohen Wand (und sogar in Wien) gefallene Schnee, der wirklich bald von gestern war, macht uns die geringsten Probleme. Wir brauchen klaren Himmel, in den letzten zwei Wochen Mangelware, wie ein Blick auf unsere Berichte deutlich macht.
Ab Mitte der Woche sind Prognosen möglich. An sich. Theoretisch. Doch divergenter können die Modelle wohl kaum sein. Ein paar Tiefdruckgebiete mit jeder Menge von Kalt- und Warmfronten und Okklusionen von allen Seiten machen eine seriöse Prognose fast unmöglich. So planen wir für alle Fälle. Das heisst zunächst, wir erklären das darauf folgende Wochenende zum Ersatztermin. Lange sieht es so aus, als ob wir auf diesen zurück greifen müssen.
Mittwoch, 26. März. Für heute ist die Wetterentscheidung angekündigt. Aber: Unmöglich, eine sinnvolle Prognose abzugeben. Wir spielen auf Zeit und lassen den Tag zu Ende gehen, ohne unsere Mitglieder zu informieren, wann jetzt die Easter Star Party stattfinden kann.
Donnerstag, 27. März. Erste Wetterkonferenz mit Andreas Pfoser. Es besteht Hoffnung für die Nacht von Samstag auf Sonntag; Freitag auf Samstag dürfte im Bergland keine Chance bestehen, höchstens im Raum Wien und nördlich davon. Wir beschliessen eine sehr ungewöhnliche Strategie: Dreiteilung der Easter Star Party. Teil 1, die erste Nacht von Freitag, 28., auf Samstag, 29. März kann nicht auf der Hohen Wand stattfinden. Wir planen einen Abend auf der Sofienalpe oder gar im Weinviertel als Ersatz. Teil 2, Beobachtungsnacht auf der Hohen Wand, Nacht vom 29. auf den 30. März. Teil 3, ein oder zwei Nächte am Ersatzwochenende.
Freitag, 28. März, vormittags. Die neuesten GFS-Prognosen sind da. Mist! Teil 1 wird definitiv ausfallen, eine Okklusion zieht genau am Freitagabend über Ostösterreich, keine Chance auf irgendeine Beobachtung, weder auf der Hohen Wand, noch bei Wien, noch im Weinviertel. Doch die viel schlimmere Nachricht: Ein Adriatief mit Zentrum über Slowenien soll Fronten von Süden bringen, diese machen auch die Nacht von Samstag auf Sonntag zunichte. Auf der Hohen Wand. Im Norden soll es klar werden. Soweit das GFS-Modell. Was sagt BOLAM? Das Gegenteil, aber auch nicht gut. Wolken von Norden, auch bis über die Hohe Wand. Ein Irrsinn, so eine Divergenz so knapp vor dem Termin. Ein Blick aufs Satellitenbild zeigt das Chaos in aller Deutlichkeit: Rivalisierende Tiefs von Südosten und Nordwesten geben Zwischenhochs keine Chance. Ich erreiche Andreas nicht und sage resignierend auch Teil 2 ab.
Freitag, 28. März, nachmittags. Andreas ruft mich an. Der neueste GFS-Lauf ist gerechnet. Ausserdem hat Andreas noch Zugriff auf andere Modelle wie ECMWF, die uns Amateuren nicht zur Verfügung stehen. Es besteht eine Chance für Samstag auf Sonntag. Was bitte sollen wir jetzt machen? Das klingt nach dem absoluten Chaos und Desorganisation, doch halt! Wir lehren doch immer wieder, naturwissenschaftlich zu denken; wir predigen auch immer, dass Astronomie als Freilufttätigkeit ein Hohes Mass an Flexibilität erfordert. Also leben wir es einfach. Andreas überredet mich in einem dreiviertelstündigen Telefonat, die Beobachtungsnacht von Samstag, 29., auf Sonntag, 30. März wieder auferstehen zu lassen. Ich vertraue ihm und verkünde abermals die Änderung im Programm.
Im Gasthof Postl wundert sich Familie Krenn nicht über unsere wiederholten Zu- und Absagen. Als Alpengasthof, dessen Kunden ihr Verbleiben vom Wetter abhängig machen, sind sie diesen Kummer offenbar gewöhnt. Und was das Wetter anbelangt, sitzen Astronomen, Kletterer und Flieger in einem Boot.
Die Frage ist nur: Wird es auch wirklich etwas?
Und die noch viel bangere Frage: Werden unsere Mitglieder nach diesem Auf und Ab noch die Motivation haben, an Teil 2 der Easter Star Party teilzunehmen?
Samstag, 29. März. Der Tag verläuft grau und wolkenverhangen, doch das Satellitenbild spricht eine deutliche Sprache. Andreas soll Recht behalten. Die Zeit vergeht. Bald ist es Zeit, aufzubrechen ... Und die Natur spricht: "Es werde schön!"
Es werde schön!
Bei mehr und mehr Sonnenschein fahre ich auf die Hohe Wand, bei wolkenlosem Himmel erreiche ich sie. Es ist das erste große Wunder dieser heurigen Easter Star Party.
Keine Wolke am Himmel!
Noch bleibt die bange Frage: Werden unsere Beobachter kommen?
Sie kommen, und wie zahlreich!
Schon werden die ersten Teleskope aufgebaut
Es ist das zweite große Wunder dieser Easter Star Party. Das Wechselbad der Gefühle der letzten Tage hatte keine negativen Auswirkungen auf die Motivation unserer Beobachterinnen und Beobachter. Als ob der Termin seit langem ohne Wenn und Aber festgestanden wäre, wird ein Teleskop nach dem anderen aufgebaut.
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Unter dem Himmel der untergehenden Wintersternbilder stehen bald zwischen 15 und 20 Teleskopen, ganz so genau können wir das in der Dunkelheit nicht mehr zählen.
Star Party Time!
Einige kleine Restwolken verziehen sich bald.
Abend. Die Wintersternbilder gehen unter. Unter Sirius: Noch immer der Lichtschein vom Hirschenkogel ...
Alle haben aufgebaut. Zeit, die Nacht zu beurteilen. Natürlich ist viel Licht da, von Wien, von den Städten des Steinfelds, und leider auch noch immer von der Flutlichtpiste auf dem Hirschenkogel. Auf fast 1.000m Seehöhe hier liegt kein Schnee mehr, doch die Schneekanonen auf dem Semmering werden im Schein des taghellen Flutlichts nicht müde. Schade.
Abseits vom störenden Licht können wir eine Grenzgröße von 6,5 mag feststellen, gar nicht so übel. Das letzte Quäntchen fehlt halt. Palormar-Kugelsternhaufen und Abbell-Galaxienhaufen müssen auf Beobachtung warten (ich hatte mir ein paar Suchkarten für diese Objekte ausgedruckt, aber bald bemerkt, dass das doch nichts wird).
Natürlich ist Saturn, der den Löwen ordentlich durcheinander bringt, einmal ein zentrales Objekt. Das Seeing ist zeitweise gut, obwohl es die meiste Zeit über bestenfalls durchschnittlich ist.
Löwe mit Saturn nahe bei Regulus
Saturn im 12" LX-200 bei f/20 (F=6m), Philips SPC 900NC, IR Sperrfilter
Im Lauf des Abends verschwindet zuerst Orion und dann auch die anderen Wintersternbilder. Keine Frage, es ist Frühling!
Von Orion ist nur mehr Beteigeuze zu sehen, auch Fuhrmann, Zwillinge und Kleiner Hund gehen bald unter
Wir beobachten Deep Sky Objekte am Frühlingshimmel, und das sind in erster Linie Galaxien (zur Verteidigung meines ursprünglich vorgesehenen Programms muss ich anmerken, dass ich, als er noch höher stand, zumindest eine Ahnung vom Kugelsternhaufen Pal 2 im Fuhrmann wahrnehmen konnte).
Der Anblick der folgenden Klassiker im 12" LX-200 und erst in Rolands 18" Obsession wird uns noch lange in Erinnerung bleiben:
Jetzt dominieren die Frühlingssternbilder den ganzen Himmel.
Die ganze Wasserschlange sowie Becher und Rabe. Am Horizont, zwischen den Bäumen, Theta Centauri.
Jetzt sind Kugelsternhaufen an der Reihe; M3 und M13 sind in Worten kaum zu beschreiben, durch das nicht mehr so tolle Seeing aber auch nicht mehr zu fotografieren. Aber auch ein paar kleinere, exotische Objekte kommen an die Reihe:
Und dann natürlich noch der wunderbare M5!
Mitternacht. Nicht nur, dass die Frühlingssternbilder im Süden stehen, die zirkumpolaren Herbststernbilder stehen in unterer Kulmination.
Cassiopeia in unserer Kulmination, darüber eine Sternschnuppe
Großer und Kleiner Bär, "andersrum"
Zweite Nachthälfte, die ersten Sommersternbilder gehen auf.
Der Skorpion im Aufgang
Das Sommerdreieck ist aufgegangen, in ihm Spuren der Sommermilchstraße
Gegen 2 Uhr MEZ beenden wir diese schöne und fast schon unerwartete Beobachtungsnacht. Es ist Zeit, die Uhren umzustellen. Es ist 3 Uhr MESZ. Diese Nacht ist um eine Stunde kürzer, unser Organismus wird das erst nach ein paar Tagen verkraften. Und ab sofort, bis Ende Oktober, verlieren wir am Abend eine Stunde zum Beobachten. Wieder schade.
Der nächste Morgen ist einfach umwerfend und noch einige Bilder wert.
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Die "Wand"
Was für eine Nacht, was für eine Aufregung davor! Umso größer die Erleichterung. Der Ersatztermin ist noch aufrecht, aber ob wir ihn brauchen oder nicht, ist jetzt egal. Vielen Dank an Andreas Pfoser für die exakten Prognosen und vor allem für die Überredungsgabe, die mich zu einer erneuten Planänderung bewogen hat. Vielen Dank auf an unsere zahlreichen Beobachter, fürs Kommen (und auch für die exzellente Lichtdisziplin während der Nacht!!!), damit aus der Chance auch eine Star Party werden konnte.
Alexander Pikhard