Beobachtungsnacht

Observatorio del Teide, Teneriffa, 10. 09. 2008

20080910api19.html

Beobachter:Alexander Pikhard
Datum:10. 09. 2008
Zeit:19:00 - 05:00 UT (20:00 - 06:00 Ortszeit)
Ort:Observatorio del Teide, Teneriffa
Instrument:Canon EOS 350D, 50cm Mons Teleskop, 10" Meade LX-200
Bedingungen:
Durchsicht:sehr gut (1)
Grenzgröße:6.5
Aufhellung:sehr gut (1)
Seeing:ausreichend (3)
Wind:kein
Temperatur:12 - 4°C
Feuchtigkeit:10 - 40%
Sonstige Bedingungen:Nach Mitternacht kurzer Durchzug von Cirren, sonst wolkenlos und windstill. Mond im Alter von 10 Tagen geht gegen 3 Uhr UT (4 Uhr Ortszeit) unter. Danach erstklassige Bedingungen.
Bericht:

Wir haben heute noch einmal Gelegenheit, im Rahmen der Studienreise der Kuffner-Sternwarte zu den großen Observatorien auf den Kanarischen Inseln eine Beobachtungsnacht auf dem Observatorio del Teide, am Mons-Teleskop, zu verbringen. An dieser Stelle sei dem Direktor von Astronomie in Wien und Leiter dieser Tour, Dr. Peter Habsion, ganz herzlich für die Vermittlung dieser einmaligen Möglichkeit gedankt.

Aber wird das Wetter besser werden? Die vergangene Nacht fiel ja den viel zu hohen Passatwolken mit ihrer Feuchtigkeit zum Opfer. Das Observatorium präsentierte sich gruselig wie das Kulissenlondon aus alten Edgar-Wallace-Filmen. Und auch heute Nachmittag, während der offiziellen Führung durch das Observatorium (Bericht auf www.kuffer.ac.at, sobald alle Fotos gesammelt sind, in einigen Wochen), war es nicht viel besser. Die Luftfeuchtigkeit lag noch immer jenseits der 80% und damit im roten Bereich, siehe Bericht vom Vortag.

So fahren alle nach der Führung wieder zurück nach Puerto de la Cruz, während Peter und ich die Sache beobachten, mit nicht allzu viel Optimismus.

Aus einem ganz anderen Anlass hatten wir auf dieser Tour schon über den folgenden Cartoon von Sidney Harris gelacht:


Then a miracle occurs © Sidney Harris

Während ich prophylaktish ein in einem Stauraum des Mons-Teleskops gefundenes 10" Meade LX-200 classic (mit dem ich mich bestens auskenne, ich habe das 12" Modell daheim) zusammenbaue, damit wir wenigstens in Wolkenlöchern beobachten können, fällt mein Blick zufällig auf die Webseite der Wetterstation des Observatoriums.


Und wirklich, es passiert ein Wunder

Um 19 Uhr Ortszeit, also 18 Uhr UT, fällt die Luftfeuchtigkeit binnen Minuten fast ins Bodenlose, ärger als die Aktienkurse bei einem Börsenkrach. Ich laufe fassungslos, einen Messfehler vermutend, aus dem fensterlosen Raum ins Freie. Wirklich! Die Passatwolken, die bis vor kurzem bis über das Observatorium gereicht haben, sind auf die normale Höhe von nicht mehr als 1.600m gefallen und darüber strahlt ein blitzblauer, wolkenloser Himmel wie er schöner nicht sein kann.

Ich rufe Ralf Loacker an und gebe grünes Licht für die erste Gruppe, die die Schicht von 20 bis 1 Uhr Ortszeit hat. Sie können sich auf den Weg machen. Die langfristige Statistik der Wetterstation zeigt auf einen Blick, wie nahe Glück und Unglück beim Beobachten beisammen liegen.


Die Langzeitstatistik

Nach vielen Wochen besten Beobachtungswetters wurde das Wetter ausgerechnet im Lauf der letzten Tage immer schlechter und die Nacht von vorgestern auf gestern war der erste Totalausfall seit langem. Doch dann hat sich alles wieder zum Guten gewandt und die Luftfeuchtigkeit wird im Lauf dieser Nacht sogar auf unter 10% fallen - gar nicht so angenehm und auch extrem ungesund.

Als die erste Gruppe das Observatorium erreicht, erleben wir zunächst das eindrucksvolle Schauspiel des Sonnenuntergangs.


Die Residencia des Observatoriums in den letzten Sonnenstrahlen, tief daruter die Passatwolken. Darüber der Mond.


Sonnenuntergang hinter dem Pico de Teide, dem höchsten Berg Spaniens mit 3.718m

Wer das Observatorio del Teide kennt, weiss, dass es jetzt an der Zeit ist, in die entgegengesetzte Richtung der Sonne zu schauen, um ein ganz besonderes Schauspiel zu bewundern: Den Schatten des Teide auf den Wolken und gegen den Dunst der tiefen Atmosphäre.


Der Schatten des Teide auf den Passatwolken ...


... und wenig später gegen den Dunst, mit dem Schatten der Windfahne über dem Gipfel!

Die untergehende Sonne taucht das Observatorium in ein einmaliges Licht.


Der Mond über einer Testkuppel für das E-ELT


Letzte Sonnenstrahlen fallen auf die Türme der Sonnenteleskope

Dann gilt unsere erste Aufmerksamkeit den Abendplaneten (Merkur wird bald vom Teide verschluckt).


Venus und Mars rechts an der Flanke des Teide, links oberhalb des Gipfels Spica

Das helle Mondlicht hüllt das Observatorium in ein geheimnisvolles Licht; es mag auch der Grund sein, warum hier in dieser Nacht kaum Betrieb ist; nur in zwei bis drei anderen Kuppeln wird gearbeitet.


Kassiopeia und der tief stehende Polarstern über "unserer" Mons-Kuppel und den Sonnentürmen


Der Große Wagen über der Kuppel einer Schmidtkamera, er wird diese Nacht noch untergehen

Trotz Mondlichts eine eindrucksvolle Impression einer klassischen Himmelsregion:


Schütze (mit Jupiter) und Skorpion, sogar Milchstraßenwolken sind zu erkennen

Das Mons-Teleskop erweist sich als nicht leicht einzustellen bei nur 1° Gesichtsfeld des Leitrohrs; umso mehr Freude macht uns zum "Spazierenschauen" das LX-200. Thomas Zwach hat sein eigenes Gerät mitgebracht.


Die Gruppe von "Schicht 1"


Thomas am Arbeiten vor der Optical Ground Station der ESA (links) und einer weiteren Kuppel

Unser erstes ernsthaftes Ziel ist Jupiter. Mit Thomas Zwachs Webcam nehme ich ihn am 50cm Mons-Teleskop und zum Vergleich am 10" LX-200 (mit 2x-Barlowlinse) auf. Ein Vergleich, der bei mittelmäßigem Seeing eindeutig zugunsten des LX-200 ausgeht!


Jupiter am 50cm Mons-Teleskop, F=7,5m, Philips ToUCam Pro II


Jupiter am 10" LX-200, F=5m, Philips ToUCam Pro II

Die südliche Breite von 28°N beschert uns ein paar interessante Himmelsanblicke.


Links oben Fomalhaut, in der Mitte der Kranich, rechts unten Alpha Pavonis (Peacock)


Der Skorpion im Untergang hinter der OGS der ESA

Ich probiere Deep Sky Fotos am Mons-Teleskop. Nach endlosen 20 Minuten, die ich zum Einstellen von M15 brauche (wie gesagt, 1° Gesichtsfeld im Leitrohr und schmaler Kuppelspalt) stelle ich fest, dass die optische Qualität des Teleskops nicht ganz dem entspricht, was wir erwartet haben.


M15 wäre schön, wären die Sterne rund ...

Also verlegen wir uns doch auf das LX-200 (gut, das es funktioniert) und durchstöbern vor allem den hoch stehenden Bildhauer und die Nachbarregionen. Die Skulptorgalaxien NGC 55, NGC 255, NGC 300 und der Kugelsternhaufen NGC 288 sind traumhaft, ich habe sie visuell noch nie so gut gesehen (in Namibia standen sie bisher immer tief am Morgenhimmel). Auch der Fornax-Galaxienhaufen ist wirklich toll.

Und es kommen ja noch mehr südliche Gäste ...


Südlicher Fisch (oben), Kranich (kulminiert), Phönix (im Aufgang, links unten)


Archernar, der Hauptstern des Eridanus, geht auf (der helle Stern unterhalb der Mitte)

Schichtwechsel um 1 Uhr Ortszeit (0 Uhr UT, also Mitternacht). Mit von der zweiten Partie sind Elisabeth Windsteig und Walter Richter. Sie sind Rekordhalter. Innerhalb von 30 Stunden fahren sie zu dritten Mal auf den Berg. Gestern vergeblich wegen des Wetters. Heute Mittag zur Führung, und konnten nicht bleiben, da das Wetter unsicher war. Und jetzt endlich zur Beobachtung. Macht 7.200 Höhenmeter in der kurzen Zeit. Anstrengend!

Noch immer scheint der Mond hell, während die Sommersternbilder verschwinden und die Wintersternbilder aufgehen.


Der Orion geht über Gran Canaria auf. Man beachte die rötlichen Lichter - zum Schutz des Nachthimmels!


Norden ohne Großen Wagen - er ist untergegangen. Der Kleine Wagen steht tief.

Wir beobachten in der Tat in Perseus, Stier und Orion und tasten uns nach Süden fort.


Orion über der Kuppel des Mons-Teleskops - liegend!

Und dann ist er in voller Länge zu erkennen: Der Eridanus. Erstaunlich, wie auffällig dieses Sternbild ist. Es erfordert aufgrund seiner enormen Größe ein Fotomosaik.


Der ganze Eridanus. Alles klar?


Na gut, zeichnen wir ihn ein!

Spektakuläre Momente gibt es auch in der zweiten Nachthälfte. Der Mond geht unter und der Himmel wird einmalig klar; die paar Cirren, die gegen Mitternacht durchgezogen sind, verschwinden rasch wieder und machen einem tollen 6,5mag-Himmel Platz. Es ist nicht Namibia, aber immer noch sehr gut.


Jetzt ist es wirklich gut

Der Aufgang des Sirius ist ein Highlight. Plötzlich blitzt er am Horizont auf und geht deutlich rot verfärbt auf, wie Sonne oder Mond auch. Eindrucksvoll! Den würdigen Abschluss dieser tollen Nacht macht dann das Zodiakallicht.


Das Zodiakallicht am Morgenhimmel, mitten drin die Praesepe

Eine beeindruckende Beobachtungsnacht, die uns noch lange in Erinnerung bleiben wird. Gegen 6 Uhr Ortszeit bauen wir das LX-200 ab, bringen das Mons-Teleskop in Ruhelage und schließen die Kuppel. Die zweite Gruppe tritt jetzt die noch rund eineinviertel Stunden dauernde Heimfahrt an, während Peter und ich unsere Quartiere im Observatorium aufsuchen. Hier kann man am Vormittag in Ruhe schlafen, wie es sich für ein professionelles Institut gehört.