Bedeckung Sigma Sagittarii

Rajasthan, Indien, 03. 11. 2008

20081103twe12.html

Beobachter:Thomas Weiland
Datum:03. 11. 2008
Zeit:12:30 bis 14:00 Uhr UT
Ort:Rajasthan, Indien
Instrument:Spektiv 30x75 auf Stativ
Bedingungen:
Durchsicht:schlecht (4)
Seeing:gut (2)
Sonstige Bedingungen:Wolkenlos
Bericht:

Bereits mehrmals während der letzten Jahre konnte ich besondere Bedeckungsereignisse durch den Mond verfolgen (Streifung von α2 Lib während der totalen Mondfinsternis 2004 05 04 / Namibia, totale Bedeckungen von α Sco 2005 02 04 und 2005 04 27 / Österreich sowie eine randnahe Bedeckung von β Tau 2006 04 03 / Ägypten; siehe diesbezügliche Beobachtungsberichte). 2008 ergab sich mit der laufenden Serie von σ Sagittarii eine weitere derartige Gelegenheit.

σ Sgr (aus dem Arabischen abgeleitet: Nunki; ZC 2750; +2,1mag) repräsentiert den zweithellsten Stern im Schützen und ist der sechsthellste, den unser Trabant bedecken kann. Auf Grund seiner ekliptikalen Breite von β = -3° 27' durchläuft σ Sgr in 18,6 Jahren zwei Bedeckungs-Serien von etwas mehr als 2 Jahren Länge, deren Mitten durch sehr unterschiedliche Zeitspannen voneinander getrennt sind. Leider finden für Österreich auf Grund der südlichen Lage des Sterns (δ = -26° 17') nur in seltenen Fällen Bedeckungsereignisse statt. So auch innerhalb der laufenden Serie, welche 2006 12 21 mit einer (unbeobachtbaren) Bedeckung auf der Südhalbkugel der Erde begann und 2009 02 20 mit einer (geringfügig besser sichtbaren) auf der Nordhalbkugel enden wird. Lediglich bei der Bedeckung 2008 11 03 wäre der Austritt des Sterns am hellen Rand (bei Tag sowie in geringer Höhe über dem Horizont) theoretisch sichtbar gewesen (Sichtbarkeitsgebiet siehe Abbildung 1). Gute Beobachtungsbedingungen ergaben sich hingegen für Zentral- und z. T. Südasien, weshalb ich mich gemeinsam mit Alexander Ertler entschloss, dies mit einer schon länger geplanten Reise in jene Gegend zu verbinden.


Sichtbarkeitsgebiet der Bedeckung von σ Sgr 2008 11 03 (OCCULT 3.1.0)

Allerdings kam auf Grund der politischen Verhältnisse nur der Nordwesten Indiens (Rajasthan) als einigermaßen sicheres Reiseziel in Frage, welches aber mit einer zu erwartenden mittleren Wolkenhäufigkeit von weniger als 30 % relativ günstige meteorologische Voraussetzungen bot (Abbildung 2).


Mittlere Wolkenhäufigkeit im November

Indien zählt zu den faszinierendsten, wenngleich nicht ganz einfach zu bereisenden Ländern unserer Erde. Besonders Rajasthan hat sich bis in unsere Tage seine Ursprünglichkeit in vielen Bereichen bewahrt, und so erwarten den Besucher am Rande der Wüste Thar nicht nur jahrhundertealte Festungen und Paläste sondern vielerorts pulsierendes Leben mit farbenfroh gekleideten Menschen. Insbesondere Fotografen kommen hier auf ihre Rechnung, tragen mitunter aber auch zur Erheiterung der Bevölkerung bei (Abbildungen 3 und 4).


Frauen aus dem Bundesstaat Gujarat (Foto: Alexander Ertler)


Fotograf "in Aktion" (Foto: Alexander Ertler)

Während unseres Aufenthalts präsentierte sich das Wetter, wie erwartet, von seiner besten Seite. Auch der Tag der Bedeckung begann mit blauem Himmel, je näher wir jedoch der Sichtbarkeitszone kamen, desto mehr verwandelte sich die Atmosphäre, bedingt durch Staub und Rauch aus der Landwirtschaft, in ein trübes Grau. Schließlich war die Sicht auf weniger als 500 m gesunken, und wir hatten Mühe, einen möglichst wenig "verschmutzten" Ort zu finden. Am Rande eines kleines Dorfes, unweit von Lalgarh Jattan, hielten wir schließlich an. Damit musste ich allerdings mein ursprüngliches Vorhaben, die Streifung von der an dieser Stelle nur 12 km entfernten Grenzlinie aus zu verfolgen, streichen (sie hätte auf Grund des zu erwartenden Mondrandprofils wahrscheinlich nicht mehr als vier Kontaktzeiten geliefert).

Auf Grund der bereits fortgeschrittenen Zeit machte ich mich sogleich daran, die digitale Stoppuhr an das zu diesem Zeitpunkt über Kurzwelle verfügbare Zeitzeichensignal (vermutlich RWM Moskau; 9.996 kHz bzw. WWV, Fort Collins, Colorado; 10.000 kHz) anzuschließen (Abbildung 5). Dann richteten wir, in Beisein der Dorfbewohner, unseren Beobachtungsplatz ein (Abbildung 6).


Anschluss der Stoppuhr an das Zeitzeichensignal (Foto: Alexander Ertler)


Vorbereitung der Beobachtung (Foto: Alexander Ertler)

Ein erster Blick mit dem Spektiv 30x75 kurz nach Sonnenuntergang zeigte zu meiner Überraschung σ Sgr bereits strahlend hell, und mit fortschreitender Dämmerung gewann der anfangs nur zaghaft erkennbare dunkle Mondrand, der sich dem Stern unaufhörlich näherte, immer mehr an Kontur. Gegen 13h30m UT schien σ Sgr wie ein herrlicher, blauweißer Saphir (Spektraltyp B2) schon an diesem zu kleben, und ich wandte keinen Blick mehr ab, um den Eintritt nicht zu verpassen. Wenig später (13h31m29,4s UTC; persönliche Gleichung 0,3s; abgezogen) verschwand er schlagartig! Da wir uns am Rande des Sichtbarkeitsgebietes befanden, dauerte es nicht lange, bis er wieder vom Mond freigegeben wurde. Dies erfolgte ebenfalls am dunklen Rand, 13° von der beleuchteten Hornspitze entfernt (13h41m12,6s UTC; persönliche Gleichung 0,3s; abgezogen). Zudem verlief der Austritt leicht graduell – ein möglicher Hinweis auf das enge Doppelsternsystem von σ Sgr (+2,9mag/+2,9mag; 0,1"; 90°; OCCULT 3.1.0)!


Ein erster Blick zu Mond und σ Sgr (Foto: Alexander Ertler)

Verlauf der Bedeckung von σ Sgr (Canon EOS 30d, 200-mm-Tele mit 2x-Konverter (entspricht 640 mm KB); Fotos: Alexander Ertler):





Nach der geglückten Beobachtung ermittelte ich mittels GPS die Position (74° 02' 59,0" E, 29° 48' 26,0" N, 170 m Seehöhe; WGS 84). Anschließend hatten unsere Begleiter sowie die anwesenden Dorfbewohner Gelegenheit, Mond und σ Sgr "aus nächster Nähe" zu betrachten. Ausführliche Erklärungen durften da nicht fehlen (Abbildung 12), und natürlich wurde später ein wenig gefeiert (Abbildung 13).


Astronomie-Unterricht (Foto: Alexander Ertler)


Gut gelaunte Beobachter (Foto: Alexander Ertler)

Vielen Dank an Alexander Ertler für die erfolgreiche Reise und das Bereitstellen der Fotos sowie an meine liebe Frau für ihr Wohlwollen und Verständnis!