Jagd auf IC 349

Sternwarte Mariazell/Stmk., 05. 12. 2009

20091205sfl19.html

Beobachter:Günter EDER, Thomas SCHRÖFL
Datum:05. 12. 2009
Zeit:19:00 bis 21:00 Uhr MEZ
Ort:Sternwarte Mariazell/Stmk.
Instrument:Planewave CDK 20 Zoll, SBIG STL-11000
Bedingungen:
Durchsicht:gut (2)
Grenzgröße:5.0
Aufhellung:ausreichend (3)
Seeing:gut (2)
Sonstige Bedingungen:Teilweise Cirren, Mondaufgang ca. 19:30, wechselnde Durchsicht
Bericht:

Am Freitag beginnt unsere alljährliche Winterstarparty in Mariazell mit einem gemütlichen Abend auf der Sternwarte. Der berühmte „harte Kern“ beplaudert bei Würstel und sonstigen Köstlichkeiten die Zukunft der WAA, ein Thema, das uns in den nächsten Wochen sowohl im Führungskreis als auch auf breiter Basis intensiv beschäftigen wird. Da das Wetter heue nichts Besonderes zu bieten hat, tritt die praktische Astronomie in den Hintergrund. Aber doch nicht ganz, denn Günter Eder präsentiert uns mit nicht unverdientem Stolz, was die Mariazeller in den letzten Monaten auf die Beine gestellt haben. Der Zubau ist im Wesentlichen fertig und das 16 Zoll Meade, das ursprünglich in der großen Kuppel war, ist wieder einsatzbereit und daneben ist noch ausreichend Platz für 1-2 weitere Fernrohre.

Der Samstag bietet zunächst blauen Himmel und Mariazeller Advent, auch wenn der Schnee fehlt und die Temperaturen etwas zu hoch sind. Um 15 Uhr treffen wir in einem recht kleinen Kreis auf der Sternwarte für ein Spezialworkshop zusammen. Mein Anliegen ist es, aufbauend auf der WAA-Festschrift über die Pleiaden, zu zeigen, was sich mit Amateurmitteln in dem Pleiaden forschungsmäßig machen läßt. Die Themen reichen von Polarimetrie – klingt schwierig, ist aber eigentlich recht einfach - bis zu Spektroskopie, einem schon von der Ausrüstung her nicht ganz billigem und aufwendigem Thema.

Eines meiner Themen ist IC 349, Barnard´s Merope Nebel, der eine gewaltige Herausforderung für die Astrofotografie ist. Merope hat eine V mag von 4,2 und nur 30 Bogensekunden neben ihr liegt der ebenfalls nur 30 Bogensekunden große Nebel IC 349. Obwohl er der hellste Teil aller Pleiadennebel ist, wird er von der Helligkeit Meropes derart überstrahlt, daß er fotografisch nur sehr schwer darstellbar ist.

Als ich nach einer Pizza in Mariazell gegen 19:00 auf die Sternwarte zurückkomme, kann ich Günter dazu animieren, daß wir uns IC 349 vornehmen. Das 20 Zoll CDK und eine SBIG STL 11000 sind ja eine Ausrüstung, die auch schwierigere Aufgaben als bloße „pretty pictures“ schaffen sollten, womit ich aber keinesfalls schöne Astrofotografien abwerten will. Aber man kann ein so hochwertiges Equipment eben auch für andere anspruchsvolle Aufgaben einsetzten. Wie richten den CDK auf Merope aus und machen zunächst einmal einige Testaufnahmen. Schnell zeigt sich, daß sich trotz der Helligkeit von Merope IC 349 darstellen läßt. Nach einigen Probeaufnahmen ist es völlig klar, daß wir keinen Artefakt sondern wirklich IC 349 fotografieren. Währenddessen kommt mir in den Sinn, daß E. E. Barnard 1890 diesen Nebel am 36 inch Lick-Refractor am Mt. Hamilton visuell entdeckt hat; eine damals einmalige Leistung eines visuellen Beobachters.

http://messier.obspm.fr/more/m045_i349.html

Vor 36 Jahren, nämlich 1973 entstand die vorstehende Aufnahme von IC 349 am 4m Mayall Teleskop auf dem Kitt Peak mit einer Belichtungszeit von 45 Minuten (vgl. Barnard´s Merope Nebula (IC 349): an Interstellar Interloper John C. Barentine, Gilbert A. Esquerdo

http://adsabs.harvard.edu/abs/1999AJ....117.1402B

http://www.noao.edu/noao/noaonews/dec98/node3.html

Im Jahr 2000 hat das Hubble Space Telescope die obenstehende Aufnahme von IC 349 aufgenommen, die inzwischen weltberühmt wurde.

Wie weit sich in den rund 30 seither vergangenen Jahren die Möglichkeiten der Amateure entwickelt haben zeigt das nachstehende Bild von Roland Christen, dem Chef und Eigentümer der Fa. Astrophysics, bekannt für ihre hervorragenden Refraktoren, aber leider auch bekannt für extrem lange Lieferzeiten und eine sehr exquisite Preisgestaltung. Kombinierte Aufnahmen mit einem 160mm APO-Refraktor und einem 10 Zoll Maksutov-Cassegrain für die Luminanzbilder zeigen IC 349 wesentlich detailreicher, als dies 30 Jahre früher mit einem professionellen 4m Spielgelteleskop möglich war.

Sehen wir uns also an, was wir in Mariazell bei mäßiger Durchsicht (Cirren) und Aufhellung durch den Mond „auf die Schnelle“ so zusammenbringen.

Eine Übersichtsaufnahme zeigt Merope und das Gesichtsfeld der SBIG STL 11000 am 20 Zoll CDK. Der Meropenebel NGC 1435 ist trotz relativ kurzer Belichtungszeit bereits zu erkennen. Zoomt man in die Aufnahme hinein, so kann man IC 349 bereits als Ausbuchtung am rechten Spider des Sekundärspiegels erkennen.

Hier zeigt sich schon ein technisches Problem, das uns in den nächsten zwei Stunden nicht mehr losläßt. Optimal wäre es IC 349 zwischen zwei Spidern des Sekundärspiegels zu positionieren. Das geht aber deshalb nicht, weil die CCD-Camera fix am Auszug montiert ist und sich daher nicht einfach um die erforderlichen 45 Grad drehen läßt.

Aber zunächst sind wir schon einmal zufrieden, denn „da ist etwas, das kein Artefakt ist“ und das daher IC 349 sein muß.

An dieser Stelle darf eine Zwischenbemerkung angebracht werden. Es ist eine äußerst vergnügliche Art der Astronomie im warmen Aufenthaltsraum an den Computern zu sitzen und das Teleskop samt Camera und Filterrrad aus der Wärme fernzusteuern. Ich habe keine Zweifel, daß sich diese Art der Astronomie in den nächsten Jahren immer mehr durchsetzen wird. Wer ist schon gerne bereit sich bei heftigen Minusgraden in Moonboots, Daunenjacken und –hosen zu hüllen um Astronomie zu betreiben. Dieses Wochenende in Mariazell hat mir jedenfalls gezeigt, daß ich mein Terrassenteleskop in Wien so ausstatten werde. Die Kosten sind nahezu minimal und der Spaßfaktor steigt um 100erte Prozent.

Zurück zu IC 349: Das Problem Winkelposition zu den Spidern des Sekundärspiegels, ließ sich an diesem Abend nicht lösen, oder wir hätten größere Umbauten vornehmen müssen. Aber trotz der Überstrahlung von IC 349 durch den einen Spider des Sekundärspiegels konnten wir IC 349 eindeutig darstellen. Da die fits-Dateien der SBIG im Bereich von mehr als 10MB liegen, muß ich warten, bis sie mir Günter auf CD gebrennt schickt, dann kann man mit der Bildbearbeitung noch einige herausholen. Im JPEG-Format geht leider vieles an Details verloren. Das beste JPEG folgt unten stehend. Sobald ich die Originale habe und Zeit hatte sich nachzubearbeiten, wird ein Nachtrag zu diesem Beobachtungsbericht folgen. Traurig aber wahr: ein Raw-Fits zeigt einiges mehr als ein JPEG. Was hier nur mehr schemenhaft zu erkennen ist, war auf den Originalen ohne Nachbearbeitung unübersehbar.

Diese schnelle Aktion im Anschluß an einen Workshop ohne jede Vorbereitung, hat mir jedenfalls gezeigt, daß meine Idee von „Amateure forschen in den Pleiaden“ durchaus realistisch ist. Wenn ich mir vorstelle unter besten Bedingungen eine gut vorbereitete Beobachtungsnacht in Mariazell zu verbringen und das mit bestem Equipment, denn ein 20 Zoll Planewave CDK mit einer SBIG STL 11000 ist ja wohl nach heutigem Standard der Traum eines jedes Amateurs, dann sollte das gelingen, was bei dem Amateurastronomen im englischen Sprachraum so schön heißt: „Hunting down“, also das erfolgreiche Jagen eines besonders schwierigen Objektes.

Text: Thomas Schröfl