Bericht: | Am Okular eines Teleskops tritt immer wieder die Fragestellung auf: Wie ist das Gesichtsfeld orientiert? Besonders interessant wird diese Fragestellung bei der Beobachtung von Doppelsternen, Kometen oder Sternbedeckungen durch den Mond. Also immer dann, wenn man die grundlegenden Richtungen Nord, Ost, Süd und West und damit den Verlauf des Positionswinkels im Okular kennen möchte.
Natürlich ist die West-Richtung immer sehr einfach zu bestimmen. Man schaltet einfach die Nachführung ab und sieht aus der Drift der Objekte sofort, wo Westen liegt. Dennoch kann es zu einem ganz schönen Verwirrspiel werden, wenn man auf die Schnelle z.B. die Richtung Südost bestimmen möchte. Das gilt noch verschärft für Systeme, die ein aufrechtes, aber seitenverkehrtes Bild liefern, wie es z.B. bei jedem Schmidt-Cassegrain oder Refraktor mit Zenitprisma der Fall ist. Da man nicht immer ein Mikrometer-Okular wie z.B. das Baader Micro-Guide zur Hand hat, kann man also mit der Frage nach einem bestimmten Positionswinkel im Gesichtsfeld ganz schön alleine im Feld stehen.
In den letzten Monaten haben wir eine Lösung ausgearbeitet, mit der sich die Lages des Positionswinkels mit jedem beliebigen 1.25" Okular ohne großen technologischen Aufwand auf etwa 10 Grad genau ablesen lässt. Die Lösung besteht aus einem Kartonring, auf dem die grundlegenden Himmelsrichtungen und der Positionswinkel aufgedruckt sind. Der Kartonring kann zwischen Okularhalterung (Zenitprisma) und dem Okular eingeklemmt werden. Es sind zwei Skalen verfügbar - eine für Fernrohre, die das Gesichtsfeld um 180 Grad drehen (z.B. Newtons) und eine weitere für Fernrohre, die das Gesichtsfeld spiegeln (z.B. Refraktor mit Zenitprisma).
Die Skalen stehen hier zum Download zur Verfügung:
http://www.project-nightflight.net/tests.html
Die Anleitung ist in englisch, hier eine deutsche Zusammenfassung:
(1) Ausdrucken Die PDF-Datei 1:1 ohne Vergrößerung/Verkleinerung auf Karton ausdrucken.
(2) Skala auswählen Für Newtons die linke Skala verwenden, für Fernrohre mit Zenitprisma die rechte Skala verwenden.
(3) Ausschneiden Die gewählte Skala entlang des äußersten Kreises ausschneiden. Auch den inneren schraffierten Kreis ausschneiden. Übrig bleibt ein Kartonring mit der aufgedruckten Skala.
(4) Skala einlegen Die ausgeschnitte Skala sollte leicht über den Stutzen eines 1.25" Okulars passen. Das Okular mit der Skala in den Okularauszug stecken und festklemmen.
(5) Skala orientieren Um die Skala zu orientieren, einen hellen Stern in die Mitte des Gesichtsfeldes bringen. Dann die Nachführung ausschalten. Den Stern bis zum Rand des Gesichtsfelds driften lassen. Die Nachführung wieder einschalten. Die Skala drehen bis W (=WEST) mit der Position des Sterns übereinstimmt. Die Skala ist jetzt orientiert.
Anwendungen Die orientierte Skala zeigt nun die Himmelsrichtungen und den Positionswinkel an. Nach unserer Erfahrung kann ein Positionswinkel mit diesem Hilfsmittel auf etwa 10 Grad genau geschätzt werden. Das ist ausreichend genau, um bei verschiedenen Anwendungen eine große Hilfe zu bieten. Zum Beispiel kann die Richtung eines Kometenschweifs geschätzt werden. Genauso ist es möglich, bei der Suche nach schwachen Doppelsternkomponenten eine Idee zu bekommen, wo man den Begleiter finden kann. Die Skala zeigt auch die Rotationsrichtung der Planeten an, diese verläuft von "following" nach "preceding". Eine weitere Einsatzmöglichkeit sind Sternbedeckungen durch den Mond. Dazu werden in den astronomischen Jahrbüchern Positionswinkel angegeben. In diesem Fall muss der Nordpunkt der Skala am Nordpol des Mondes ausgerichtet werden.
Wir wünschen fröhliches Weihnachtsbasteln und wie immer
Clear Skies Erwin Matys, Karoline Mrazek |