Sonnenaufgang im Sinus Iridum

Wien 12, 26. 12. 2009

20091226api18.html

Beobachter:Alexander Pikhard
Datum:26. 12. 2009
Zeit:18:00 bis 00:30 Uhr MEZ
Ort:Wien 12
Instrument:6" Skywatcher Refraktor, DBK 21AU04.AS - USB, Canon EOS 350D
Bedingungen:
Durchsicht:ausreichend (3)
Aufhellung:ausreichend (3)
Seeing:gut (2)
Wind:kein
Temperatur:3°C
Sonstige Bedingungen:Hohe Wolken, Sicht daher etwas diffus.
Bericht:

Zunächst einmal bin ich heute sauer auf die Wettermodelle (wie eigentlich schon die ganze letzte Zeit). Nach einem wolkenlosen, wunderbaren Wintertag sagten die Modelle (GFS, BOLAM, etc.) einhellig ab ca. 18 Uhr geschlossene hohe Bewölkung voraus. Also plante ich eigentlich nichts. Am Nachmittag zieht dann von Süden her auch die hohe Bewölkung auf, aber sie ist so dünn, dass Mond und Planeten ohne nennenswerte Probleme zu beobachten sind. Also umdisponieren. Zum Wegfahren ist es zu spät, also baue ich daheim auf. Für die hellen Gestirne reicht das auch.

Jupiter steht tief im Südwesten und dort ist das Seeing so schlecht, dass sich nicht mehr als ein Schnappschuss der Monde ausgeht.


Ganymed, Jupiter, Io, Europa, Callisto. Verkleinert.

Beim Mond, der, jahreszeitlich bedingt, sehr hoch steht, sieht das schon anders aus: Gutes Seeing!


Mond in sehr schöner Phase. Canon EOS 350D bei F=1200mm, verkleinert.

Da gibt es jede Menge lohnender Ziele für die Webcam, auch wenn die Cirren etwas Kontrast kosten.


Eine klassische Region: Von Jura bis Plato mit Montes Recti, Montes Teneriffe, Mons Pico.
Beachte: Das Jura-Gebirge links versinkt in völliger Dunkelheit.


Noch eine klassische Region: Tycho und Clavius (Mosaik aus zwei Webcamserien, leicht verkleinert.


Die Copernicus-Region. Oben Montes Carpatus, rechts Copernicus, in der Mitte Reinhold und Lansberg,
links unten die faszinierende und selten fotografierte Formation der Montes Riphaeus. Die Riphäen sind
ein Gebirge der griechischen Sagenwelt am "Rande der bekannten Welt"; es könnte sich dabei um den
Ural handeln, aber auch um ein näher gelegenes Gebirge wie die Karpathen oder die Alpen.


Montes Riphaeus in Originalgröße, F=3000mm (2,5x-Barlowlinse). Oben am Rand Lansberg.

Ich fotografiere diese Region erstmals gegen 18 Uhr und dann nochmals, bei besserem Seeing, gegen 20 Uhr. Schon fällt mir auf, dass sich in der Karpathen der langsame Sonnenaufgang bemerkbar macht.


Die Region Tobias Mayer um 18.05 Uhr MEZ ...


... und um 19.57 Uhr MEZ. Man beachte die Unterschiede!

Noch ein paar andere bemerkenswerte Regionen:


Bullialdus (rechts unten) und die Randregion des Mare Humorum um Agatharchides und Hippalus.
Leicht sind auch die Hippalus-Rillen (Rimae Hippalus) zu erkennen.


Tief im Süden um Moretus (mit Zentralberg), schön die abgesetzten Bergspitzen im Sonnenlicht.

Besonders markant macht sich die Änderung des Terminators über die Zeit aber in der Regenbogenbucht (Sinus Iridum) bemerkbar, wo das Jura-Gebirge langsam den berühmten Mondhenkel bildet.


19.55 Uhr MEZ. Promontorium Heraclides leuchtet aus dem Dunkel auf. Man beachte die Wellen im Mare Imbrium
nahe Delisle und Diophantus (links am Terminator). Die kleine Berggruppe links unten ist Mons Vinogradov.
Beachte auch den Schatten von Promontorium Laplace, der spitz fast bis zum Terminator reicht. Das 2.600m
hohe Vorgebirge wirft also einen mächtigen Schatten in den dämmerungslosen Morgen.

Im Abstand von zwei Stunden nehme ich die Regenbogenbuch noch einmal auf, bei leider schlechter werdender Durchsicht und schlechter werdendem Seeing.


22.05 Uhr MEZ. Jetzt ist schon ein Teil des Jura-Bogens im Sonnenlicht. Der Schatten des Promontorium
Laplace ist auf ein Drittel seiner Länge geschrumpft. In der darstellenden Geometrie nennt man das einen
extrem schleifenden Schnitt.


23.56 Uhr MEZ, durch Cirren und mit schlechtem Seeing. Der Mondhenkel ist praktisch komplett, wir
erkennen fast den gesamten Jura-Bogen, bis auf ein paar Lücken. Der Schatten von Pr. Laplace ist
weiter geschrumpft, aber nicht mehr so rasant wie in den letzten beiden Stunden.

Wunderbar, die Geometrie des Mondes zu studieren. Bei dieser Gelegenheit sehen wir auch, dass sich der Mond in der Tat um seine Achse dreht - obwohl er stets der Erde die gleiche Seite zuwendet, näherungsweise zumindest. Denn ohne drehenden Mond würde die Sonne noch viel langsamer über der Landschaft aufgehen.

Übrigens: Virtual Moon Atlas Pro 5.0 ist erschienen, ein Muss für alle Mondbeobachter!

Der Mond steht zu tief im Westen, doch Mars steht schon hoch und trotz dichter Cirrusbewölkung wage dich das Experiment, den nur 12" kleinen Planeten aufzunehmen. Das Seeing ist auch nicht toll, aber mit langen Sequenzen mit der Webcam könnte etwas gehen. Ich beginne, wie beim Mond, mit der 2,5x Barlowlinse, also F = 3000mm.


Mars bei F=3000mm, Originalgröße. Nicht übel, die nördliche Polkappe ist sehr deutlich
und auch sonst sind noch ein paar Details zu erkennen.

Ich steigere die Brennweite mit einer 5x-Barlowlinse (ihr erster sinnvoller Einsatz heute) auf F=6000mm.


Mars mit F=6000mm, links Karte aus dem Mars Previewer II.

Gar nicht so übel. Sinus Meridiani und Syrtis Maior sind zu erkennen. Wenn wir uns an die letzten Marsoppositionen erinnern, dann fällt uns auf, dass wir diesmal auf die Nordseite des Planeten blicken. Die bekannten Formationen wie etwa die Gabelbucht liegen knapp am unteren Rand des Planeten und nicht prominent in der Scheibenmitte. Statt der südlichen sehen wir die nördliche Polkappe.

Für die nächsten Wochen brauchen wir gutes Wetter und gutes Seeing (im Winter nicht ganz einfach), dann lassen sich auch bei maximal 14" Ende Jänner ein paar Details aus dem Roten Planeten herausholen. Das ist jetzt schon sicher.

Ich beende diese kühle Beobachtungsnacht. Wann die nächste möglich sein wird, scheint derzeit ja niemand genau sagen zu können.