Teleskoptreffen-Ersatztermin

Oberleiser Berg, 11. 06. 2010

Vor einem Monat mussten wir alle vier Nächte unseres jährlichen Teleskoptreffens auf dem Oberleiser Berg wetterbedingt absagen. Der schlechteste Mai aller Zeiten machte auch diese Veranstaltung unmöglich, was uns sehr leid tat, denn im Weinviertel gibt es eine sehr aktive astronomische Szene. Daher setzten wir einen Ersatztermin fest.

An zwei Abenden soll das Teleskoptreffen nachgeholt werden, allerdings ohne das geplante Rahmenprogramm. Die Woche vor dem entscheidenden Wochenende entwickelte sich hochsommerlich und die allgemeine Frage war natürlich, wie lange würde diese Schönwetterperiode wohl halten.

Teil 1: Der Zauber einer Sommernacht

Heute ist der erste Tagdes Ersatztermins für unser Teleskoptreffen im Weinvierteln, undese besteht kein Zweifel.

Es ist ein hochsommerlicher Tag mit Tagestemperaturen um die 35°C. Ein markanter Cirrenschirm verhindert die Entwicklung von Quellwolken. Er wird uns etwas bei der Beobachtung stören, doch bei einem Teleskoptreffen steht Perfektion ohnedies nicht im Vordergrund, sondern das gemeinsame Genießen unserer geliebten Sterne in netter Gesellschaft. Und dafür sind die heutigen Bedingungen, sieht man einmal von den Gelsen ab, ideal.


Sommer! Zumindest meteorologisch ...

Der Sonnenuntergang ist ungewöhnlich weißlich, es herrscht ein eigenartiges, aber dennoch wärmliches Licht. Die Stimmung erweist sich als fast unfotografierbar, ich verstehe nicht ganz, warum, akzeptiere es aber und mache mit Bildbearbeitung das beste daraus.


Ein ungewöhnlicher Sonnenuntergang

Schon im Licht der untergehenden Sonne bauen die ersten auf.

Erst nahe dem wirklichen Sonnenuntergang entwickeln sich Farben.


Sonnenuntergang mit noch einigen Cirren

Rasch noch ein paar Blicke zur Sonne und ein paar Fotos. Mein Skywatcher ist das einzige bereits einsatzbereite Instrument, daher wird es gerne von allen genützt.


Ein Blick zur Sonne


Und ein Foto

Die Sonne zeigt heute zwei winzige Flecken.


Sonne im Skywatcher (Canon EOS 350D bei F=1200mm), verkleinert, unten zwei kleine Flecken.

Die Sonne geht unter, die Dämmerung legt sich über das warme Land ...

... und immer mehr Beobachtergruppen kommen auf den Oberleiser Berg.

Im noch hellen Dämmerungslicht erfolgen die üblichen Aufbau- und Vorbereitungsarbeiten.

Das erste Objekt des Abends ist natürlich Venus.


Venus in der hellen Dämmerung

Bald folgt auch Saturn. Die beiden Planeten sind ideale Ziele für die Webcam, auch wenn das Seeing nicht ideal ist.


Venus im 6" Skywatcher bei F=3000mm


Saturn in Gerhard Richters 8" LX-90 bei F=5000mm

Die Dämmerung ist lang. Nur allmählich bricht die Nacht über dem Land herein.


Das Weinviertel in der Dämmerung

Einmal mehr können wir uns hier, über das Land blickend, einen Eindruck von Maßnahmen gegen die Lichtverschmutzung machen.


In Nodendorf (Vordergrund) sieht man nur den Lichtschein auf der Straße, aber keine einzige Lampe. Vorbildlich!
Rechts von der Bildmitte Thomasl mit Natriumdampflampen, gut, aber nicht optimal wegen der Abstrahlung. Weiter
hinten, rechts, ein noch schlechtes Beispiel für Beleuchtung. Links oben Positionslichter von Windrädern.

Nautische Dämmerung, jetzt sind schon mehr Gestirne zu erkennen.


Im Nordwesten ist die Dämmerung noch sehr hell. Die Wolken sind normale Cirren, keine NLCs.


Durch die Aussichtswarte schimmert Saturn, rechts davon Mars und Regulus

Gegen 23.30 Uhr ist der Himmel endlich so dunkel, dass wir "eintauchen" können. Die Milchstraße ist zu erkennen ...


Die Milchstraße im Sommerdreieck


Die Cassiopeia im Norden


Das komplette Sternbild Ursa Maior


Der Skorpion über der Lichtglocke von Wien

Es ist, astronomisch gesehen, keine optimale Nacht, doch zum Bestaunen der schönsten Himmelsobjekte reicht es. Gegen 0.45 Uhr beende ich meinen Part und baue ab. Als ich daheim ankomme und die Ausrüstung ausgeladen habe, wird es schon wieder dämmrig. Kurz sind die Nächte um diese Jahreszeit.

Teil 2: Der Abend des Grauens

Nach der gestrigen, wunderbaren Beobachtungsnacht steht heute die zweite auf dem Programm. Die Wettermodelle sind vorsichtig optimistisch. Eine Kaltfront sollte uns erst nach Mitternacht erreichen. Doch Vorsicht ist geboten. Besonders im Sommer und besonders nach einer sehr heißen Wetterlage können sich schon im Vorfeld der Front heftige Gewitter bilden, und die entziehen sich jeglicher Modellierung.

Die Stimmung unter Tags ist alles andere als gewittrig und ein leichter Südostwind lässt die Hitze erträglich werden. Vor 18 Uhr treffe ich mich mit der Weinviertler Astrogruppe zu einer lokalen Besprechung in Klement, die Sonne scheint und ein paar harmlose Wolken sind am Himmel.

Gegen 19 Uhr hat sich die Farbe des Himmels von blau auf grau gemausert. Auf dem Leiserberg eine schummrige Stimmung.


Blick nach Südosten


Blick nach Südwesten

Schon zucken Blitze am Himmel, es donnert, vereinzelte Regentropfen fallen. Thomas Schröfl und ich überlegen. Bis 21 Uhr ist noch lange, das könnte abziehen. Ich werfe den Laptop an, schaue auf das Wetterradar, und -- sage nur mehr "Runter von diesem Berg!".

Was ich sehe, lässt mich erschaudern. Unter der Heckklappe stehend, ändere ich rasch den Text auf unserer Homepage, dank mobilem Internet von hier aus direkt möglich. "Oberleiser Berg: Absage wegen schwerer Unwetter!!!" schreibe ich als aktuelle Meldung, mit ziemlich vielen Rufzeichen. Dann packe ich zusammen und flüchte. Deshalb:


Au weia!

Eine Superzelle ist über dem östlichen Bergland entstanden und zieht in nordöstlicher Richtung auf das Weinviertel zu. Die erste Gewitterzelle in ihr ist auf dem tschechischen Wetterradar dunkelrot und weiss - das bedeutet maximale Niederschlagsmenge an Regen und Hagel. Nichts wie weg hier.

Ich sehe, dass ich den Weg der Zelle östlich umfahren kann auf der B6. Das geht bis Korneuburg auch gut. Doch dann schwenkt die S1 nach Südwesten und am Ende des Tunnels treffe ich auf die Front. Schwarz wie die Nacht und mit einem weißen Vorhang, der bis zum Boden reicht, überquert sie mit 130 km/h den Wienerwald.

Ich fahre die A22 nach Osten, in der Hoffnung, schneller den hellen Streifen am Horizont zu erreichen, als die Front die Donau überwert hat, doch diese Hoffnung ist kindisch. Nach wenigen Minuten ist sie da. Ich kann das Auto kaum mehr steuern in dem Sturm, es geht im Schrittempo dahin. Hindernisse liegen auf der Fahrbahn, alle versuchen, auszuweichen. Es sind Äste. Dann quert ein Ast, fast so dick wie ein Baum, in Augenhöhe die Autobahn. Horror pur! Im Kino ist so etwas gruselig, aber im echten Leben brauche ich das nicht.

In Wien geht es besser - sonst wäre ich in einem der Tunnels stehen geblieben. Auf der A23 dann so starker Regen, dass ich die Fahrbahn nicht mehr erkenne, nur die langsam vorwärts kriechenden Rücklichter des Fahrzeugs vor mir. In Inzersdorf wird der Regen schwächer. Daheim angekommen, hat er aufgehört. Ich lade die Ausrüstung aus - und realisiere erst jetzt, wie gefährlich dieser Horror jetzt war.

Das Unwetter im Wetterradar:

Modelle hin oder her. Das Universum wird von chaotischen Prozessen dominiert. Wer das leugnet, handelt fahrlässig. Denn nur wer das Chaos akzeptiert, kann mit ihm leben und sich darauf einstellen. Das chaos von heute Abend war nicht modelliert worden, aber es war real. Hoffentlich kam meine Warnung, nicht auf den Leiser Berg zu fahren, noch rechtzeitig.

Traurig über eine nicht zustande gekommene Beobachtungsnacht? Nein, froh, unverletzt heimgekommen zu sein!


Ein Bericht der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie.
www.waa.at