Die WAA-Jahrestagung hat sich im Laufe der Jahre zum absoluten Höhepunkt und Fixpunkt in unserem Programm entwickelt. Und jedes Jahr gelingt es das Vorjahr noch etwas zu überbieten, wofür vor allem Mag. Anneliese Haika als Organisatorin der Jahrestagung ein großes Dankeschön gilt. Das dicht gedrängte Programm an hochkarätigen Vorträgen kann sich wieder einmal sehen lassen.
Ein gespanntes Publikum wartet auf die Eröffnung der Jahrestagung
Nach einer kurzen Eröffnungsansprache durch den Präsidenten DI Alexander Pikhard übernimmt Anneliese die weitere Moderation der Tagung und kündigt als ersten Redner und gleich auch ersten Höhepunkt Dr. Clemens Lothaller an, der 1991 beim Projekt Austromir-91 der Backup-Astronaut für Franz Viehböck war. In amüsanter Weise und mit dem manchmal trockenen Humor des Mediziners gibt uns Dr. Lothaller nicht nur einen Ein- und Überblick in die russische Astronautenausbildung sondern auch in die Tiefen der russischen Seele, die es versteht Wodka und Raumfahrt durchaus miteinander zu verbinden. Verglichen mit dem amerikanischen Sicherheitsdenken offenbart sich hier ein Zugang zur Raumfahrt, der kaum unterschiedlicher sein könnte. Unvergeßlich ist seine Schilderung vom winterlichen Überlebenstraining: tagsüber Versuche sich von dem zu ernähren, was die Natur im Winter spärlich anbietet, währenddessen sie in den Nachtstunden heimlich mit Speck und Wodka versorgt werden. Mit vielen Bildern aus der Ausbildung und vom Flug Franz Viehböcks rundet Dr. Lothaller seinen Vortrag auch visuell ab.
Dr. Clemens Lothaller
Ersatzastronaut Austromir-91
Anschließend berichtet unser Mitglied DI Dr. Georg Zotti über die neuesten Ergebnisse aus seiner Forschung über jungsteinzeitliche Kreisgrabenanlagen in Niederösterreich und ihre astronomische Bedeutung. Eine neuerliche Sichtung und Bewertung des erhobenen Datenmaterials führt zu dem vorläufigen Ergebnis, daß zwar mehrere Bezüge zur Astronomie vorliegen könnten, aber lange nicht so evident sind, wie dies zuerst angenommen wurde. Viele weitere Forschungen auf diesem Gebiet werden noch notwendig sein, um hier klarere Aussagen treffen zu können.
DI Dr. Georg Zotti, WAA in seinem Element (jungsteinzeitliche Kreisgrabenanlagen)
Nach einer Pause, die nicht nur für Kaffee sondern auch viel Fachgesimpel genützt wird, entführt uns WAA-Mitglied Werner Pribil mit seinen in Videoanimation präsentierten Aufnahmen der schönsten Objekte des Nordhimmels in die Farbenpracht des Universums. Es ist wieder einmal beeindruckend zu sehen, daß engagierte Amateure heutzutage mit wenn auch nicht gerade billiger aber doch erschwinglicher Ausrüstung Ergebnisse erzielen können, die noch vor drei bis vier Jahrzehnten nicht einmal für Profis erreichbar waren. Bemerkenswert war die unterlegte Musik, stammte sie doch zu Teil aus der Feder von Manfred Wasshuber, einem bekannten Astrofotografen der BAA, der - woher nimmt er dazu die Zeit neben dem zeitintensiven Hobby Astrofotografie - sich auch noch als Komponist betätigt.
Werner Pribil, WAA bei der Präsentation seiner Videoanimation
Unter den sichtlich begeisterten Zusehern ist auch Univ. Prof. Dr. João Alves, der nächste Referent, Inhaber der Professur für stellare Astrophysik am Astronomischen Institut der Universität Wien. Zunächst schildert Prof. Alves in launiger Form seinen beruflichen Werdegang von der Universität Lissabon über das Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, seiner Tätigkeit bei der ESO und als Direktor des Calar Alto Observatory in Spanien und schließlich der Professur in Wien. Übrigens erstmals in der Geschichte der Jahrestagung wird ein Vortrag in englischer Sprache gehalten, da Prof. Alves zwar viele Sprachen spricht aber Deutsch noch nicht gut genug für einen Vortrag. So paßt sich auch die WAA der Tatsache an, daß Englisch schon seit langem international die Sprache der Wissenschaft ist. Hauptforschungsgebiet von Prof. Alves ist die Sternentstehung, also die Lösung einer der großen Fragen der Astrophysik, warum dichte und kühle Molekülwolken kollabieren und aus ihnen Sterne entstehen, also wie einer der wichtigsten Prozesse im Universum funktioniert.
Univ. Prof. Dr. João Alves bringt uns Aspekte der Sternentstehung näher
Nach einer weiteren Pause entführt uns Univ. Prof. Dr. Gerhard Hensler, ebenfalls vom astronomischen Institut und seit Oktober auch Dekan der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie und überdies auch Mitglied der WAA, in die Welt der Zwerggalaxien, sein spezielles Forschungsgebiet.
Mit unübersehbarer Freude an der Sache bemüht sich Univ. Prof. Dr. Gerhard Hensler, WAA, das Publikum
für sein Leibthema, die Zwerggalaxien, zu begeistern
Auch wenn es sich in Relation zu Galaxien wie der Milchstraße oder der Andromedagalaxie um relativ kleine Gebilde handelt, sind sie doch von hohem astrophysikalischem Interesse, da sich an ihnen eine Vielzahl von Phänomenen im Leben einer Galaxie studieren läßt. Ebenso wie bei den Sternen ist auch deren Häufigkeit viel größer als jene von großen Galaxien. Neuestes Forschungsergebnis der Gruppe von Prof. Hensler: die gängigen Theorien zur dunklen Materie dürften in der bisherigen Form nicht haltbar sein. Fünf beobachtete Widersprüche bringen das schon fast zum wissenschaftlichen Dogma erhobene CDM-Szenario (Cold Dark Matter) in heftige Bedrängnis. Einer dieser Widersprüche ist die Diskrepanz zwischen den errechneten und den beobachteten Masse-Leuchtkraft-Verhältnissen in Satellitengalaxien: Nach dem CDM-Szenario sollten sie z.B. umso heller leuchten, je mehr Dunkle Materie sie enthalten - weil Dunkle Materie sichtbare Materie anzieht. Die Ergebnisse von Henslers et al. Parameterstudie weichen jedoch eindeutig von den Vorhersagen der Simulationen ab. Weiters sollten dem Modell zufolge mindestens 1.000 Satellitengalaxien um unsere Milchstraße und den Andromeda-Nebel kreisen. Tatsächlich sehen wir aber nur 25, und die sind nicht zufällig verteilt wie die Theorie vorhersagt, sondern bilden eine Art Scheibe. Auf größeren Skalen hingegen scheint das CDM-Szenario zu stimmen. Interessierte finden den Artikel "Local-Group tests of dark-matter concordance cosmology" bei http://arxiv.org/PS_cache/arxiv/pdf/1006/1006.1647v3.pdf
Den Abschluß der Jahrestagung bildete dann der Vortrag unsere Mitgliedes Mag. Thomas Weiland über die Astronomie der Maya-Kultur, ein nicht nur astronomiegeschichtlich interessantes Thema, kursieren doch seit längerem wieder einmal Weltuntergangsprophezeihungen, wonach basierend auf dem Mayakalender das Ende der Welt am 21.12.2012 stattfinden soll. Wie schon so oft ein wissenschaftlich durch nichts fundierter Unfug, handelt es sich doch einfach gesagt bloß um das Ende eines Zyklus im Maya-Kalender.
Mag. Thomas Weiland, WAA überzeugt uns:
Die Welt wird 2012 nicht untergehen
Nach der obligatorischen aber kurzen Generalversammlung steht noch die Verleihung des diesjährigen Alcyonepreises auf dem Programm, der diesmal an unseren Zeugwart Dr. Ottokar Lhotzky geht, in Anerkennung für seine jahrelange Obsorge über unsere Inventarstücke aber vor allem auch als Dank für seine regelmäßigen Bemühungen zur Vorbereitung und Ausstattung unserer Veranstaltungsräumlichkeiten mit WAA-Materialien (Poster, Werbebanner u.v.m.).
Mit der Labung an einem reichhaltigen Buffet und vielerlei Fachgesimpel klingt eine wiederum hervorragend gelungene und hochkarätig besetzte Jahrestagung aus.
Ein Bericht der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie. www.waa.at |