Venustransit. Der zweite in unserem Leben. Nach dem 8. Juni 2004 jetzt der 6. Juni 2012. Es wird definitiv der letzte Venustransit in unserem Leben sein. Den nächsten am 11. Dezember 2117 wird wohl kaum jemand erleben, der den heutigen Transit bewusst beobachten wird. Oder?
Jedenfalls geht diesem Transit ein wirklich gründliches Studium der Wettermodelle voraus; und die sind sich einig: Es wird eine denkbar knappe Sache. Zwischen zwei Fronten - einer Okklusion samt nachfolgendem Höhentrog und einer Warmfront - würde der Himmel für wenige Stunden im Raum Wien aufklaren. Und in diese wenigen Stunden müsste der Transit fallen. Und er tat es!
Zwei Minuten, bevor mein Wecker läuten sollte, wache ich auf. Die innere Uhr ist schon eine feine Sache. Ein Blick aus dem Fenster: Der Mond strahlt vom dunkelblauen Dämmerungshimmel. Wie fein!
Der Mond am so gut wie klaren Dämmerungshimmel
Wir haben, vor allem aufgrund der frühen Stunde, mehrere kleinere Stationen im Raum Wien geplant. "Meine" Station liegt am Handelskai vor dem Millennium-Tower. Die Idee dazu kam mir beim Blick aus dem Bürofenster. Durch leere Straßen fahre ich rasch -- ins Büro. Die Ausrüstung hatte ich, um Stress zu vermeiden, schon am Vortag angeliefert. An der schönen blauen Donau warten in der Tat schon um 4.30 Uhr die ersten Neugierigen.
Morgendämmerung an der Donau
Nur wenige Cirren am Himmel. Unglaublich, vor wenigen Stunden hatte es noch geregnet. Rasch bauen wir, Anneliese Haika, Nick Heyworth, Franz Tatarek, Reinhard Tlustos und ich, die kleine Station auf. Ein 15cm Skywatcher-Refraktor, ein Coronado PST und ein SolarScope, das ist unsere Ausrüstung, dazu noch ein paar Teleobjektive.
Vor dem Millennium-Tower sind wir bereit. Für Nichtwiener: 50 Stockwerke, 202 Meter misst der Turm.
Das Warten auf die Sonne beginnt.
Wartende in der Dämmerung |
Die Sonne, sie muss einfach kommen |
Und da kommt die Sonne ...
Here comes the Sun ...
Und wie hell die Sonne kommt! Kein stimmungsvoller, dunkler Aufgang; nein, schon in den ersten Momenten ist klar, da muss ein Sonnenfilter her bzw. die Finsternisbrille. Die Sonne schiebt sich über die Bäume entlang der Donau am gegenüber liegenden Ufer und ... da ist Venus!
05.10 Uhr MESZ. Noch sorgt die geringe Höhe und das Seeing für Unschärfe, doch Venus ist da, ganz deutlich!
Die Brücke über den Handelskai vor dem Millennium-Tower endet in einer breiten Freitreppe hinunter zur Donau. Diese "Tribüne" ist genau gegen die Richtung des Sonnenaufgangs gerichtet, so dass wir hier wirklich ein kleines Stadion vorfinden, von dem aus wir - und das sind in Summe gut 200 Gäste - das Schauspiel bewundern können, ohne dass die Beobachterinnen und Beobachter einander im Weg stehen.
Der Transit nimmt seinen Lauf und gut ein Drittel davon können wir auch hier in Wien beobachten. Etliche Sonnenflecken putzen das Bild noch auf.
05.38 Uhr MESZ. Kondensstreifen zahlreicher Flugzeuge queren die Sonne. Wie Jupiter mit einem Schattenvorübergang!
Hinter den Teleskopen bilden sich lange Schlangen. Die Finsternisbrillen sind rasch ausverkauft. Und klar, den Transit sieht man besser durchs Fernrohr.
Aber wir haben ja genug Zeit. Auch wenn wir "nur" zwei Stunden von mehr als sechs erleben dürfen, zwei Stunden sind eine lange Zeit.
05.56 Uhr MESZ. Wolkenlos.
Der große Hit ist das SolarScope. Durch dieses einfache Gerät, von französischen Astronomen speziell für Schulen entwickelt, können viele Personen gleichzeitig und gefahrlos die Sonne beobachten. Auch Schnappschüsse mit Digitalkameras oder Handys sind ganz einfach. Der tiefe Sonnenstand macht den Einblick besonders bequem.
Wir nähern uns dem dritten Kontakt. Wird es einen "Tropfen" geben?
06.37 Uhr MESZ, dritter Kontakt.
Im 15cm Refraktor und am SolarScope kann niemand so richtig das Tropfenphänomen sehen. Die Abbildung ist zu scharf. Aber um Beobachtern früherer Jahrhunderte nicht ganz dumm dastehen zu lassen, kann ich im Kamerasucher (1000mm Teleobjektiv) die Bildung des Tropfens vor dem dritten Kontakt unglaublich deutlich sehen! Was ist das Geheimnis? Offenbar eine sehr schwache Vergrößerung und eine ziemlich unscharfe Abbildung durch die Mattscheibe der Kamera, dazu noch ein sehr dunkles Sonnenbild. Offenbar ist das eine Konfiguration, die das Phänomen begünstig und mich eigentlich darin bestätigt, dass es ein vom Instrument verursachtes Beugungsphänomen ist. Auch mit obigen Foto kann man einen Tropfen erzeugen, wenn man nur weit genug vom Bildschirm weggeht.
Die Beobachtung des Transit an diesem Platz ist wirklich sehr bequem. Viel Platz, wer stehen will, kann stehen, wer sitzen will, kann sitzen - toll! Als wäre die Anlage für diesen Zweck errichtet worden.
Und jetzt ist es gleich vorbei ...
06.48 Uhr MESZ - bald ist vierter Kontakt, und erste Wolken kommen
Und dann ist er da, der vierte Kontakt. Dicht gedrängt versuchen alle hinter dem SolarScope, die letzte kleine Kerbe in der Sonne so lang wie möglich zu verfolgen. Aus, aus, aus, vorbei! Das war's. Das Flair des Unwiederbringlichen haftet diesem Moment an. Und viele fragen: Wie geht es weiter? Als ob wir es geahnt hätte, haben wir die Antwort parat: Merkur ist jetzt am Abendhimmel zu sehen, schauen Sie doch einfach nur auf unsere Internetseite, wann es Beobachtungstermine gibt. Im Juli kommt Venus wieder am Morgenhimmel, zusammen mit Jupiter, und der wird am Morgen des 15. Juli vom Mond bedeckt. Also: Astronomie geht spannend weiter!
Am Himmel werden die Cirren dichter. Sogar ein Sonnenhalo hat sich gebildet!
Sonnenhalo nach dem Transit
Gestern um 22 Uhr hat es noch geregnet. Heute um 10 Uhr, drei Stunden nach dem Transit, ist der Himmel bedeckt. Herzlichen Dank an alle, die so brav aufgegessen haben!
Text und Fotos: Alexander Pikhard
Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie. www.waa.at |