Wir tauchen in die Tiefen des Weltalls ein. Nach dem Ende der Dämmerung zeigt sich der Sternenhimmel hier nahezu ohne Beeinträchtigung. Die trockene Luft gewährt extrem gute Durchsicht und die nächste Stadt, Windhoek, ist 160 km entfernt und zeigt sich am Osthorizont nur als ganz schwacher Schimmer. Lichtverschmutzung machen wir nur selbst, daher haben wir es im Griff, wie perfekt der Blick zum Himmel wird.
Um diese Jahreszeit - astronomisch betrachtet haben wir hier auf der Südhalbkugel Spätherbst, während wir auf der Nordhalbkugel den Spätfrühling erleben - dominiert die Milchstraße den Himmel. Tritt man aus dem Farmhaus und lässt die Augen ein paar Minuten an die Dunkelheit gewöhnen, dann kommt es zu diesem berühmten "Wow!" ...
Die Milchstraße ist in der Tat hier am Himmel das dominierende Objekt, auffälliger als jedes Sternbild und mit hellen und dunklen Wolken so reich strukturiert, dass viele, die den Anblick hier am Südhimmel das erste Mal erleben dürfen, glauben, dass (atmosphärische) Wolken aufziehen. Bevor wir also noch ein paar Eindrücke der südlichen Milchstraße genießen, gebe ich einen kurzen Crashkurs (ein Auszug aus meinem Kurs "Erlebte Astronomie", der jedes Jahr im Oktober im Planetarium Wien startet, kurze Werbeeinschaltung sozusagen).
Wir stellen uns die Milchstraße als Galaxie mit etwa 100.000 Lichtjahren Durchmesser und zwischen 100 und 300 Milliarden Sternen vor.
Schematische Darstellung unserer Milchstraße in Draufsicht
Moderne Untersuchungen zeigen die Milchstraße als Balkenspirale mit zwei Haupt- und einigen Nebenarmen. Unsere Sonne befindet sich etwa 30.000 Lichtjahre vom Zentrum entfernt am inneren Rand eines Nebenarms, der den Namen Orion-Spur trägt. Von der Seite betrachtet die die Milchstraße eher flach. Ihr Zentralbalken (Central Bulge) wird bis zu 16.000 Lichtjahre dick, während der äußere Bereich mit den Spiralarmen maximal 3.000 Lichtjahre dick wird.
Die meisten mit freiem Auge sichtbaren Sterne liegen näher als 3.000 Lichtjahre; alles, was in der Milchstraße weiter entfernt ist, manifestiert sich mit freiem Auge eben als das diffuse, aber bei den guten Bedingungen hier auch sehr helle Lichtband am Himmel, das wir ebenfalls als Milchstraße bezeichnen.
Zur Lage der Milchstraße am Himmel
Da die Ebene unseres Sonnensystems ziemlich stark zur Ebene der Milchstraße geneigt ist, läuft die Milchstraße für unsere Verhältnisse stark geneigt über den Himmel. Für die Nordhalbkugel der Erde bedeutet das:
Auf der Breite von Namibia sieht die Sache etwas anders aus:
Ende Mai beginnen die Nächte mit dem Südherbst-Anblick und wechseln nach Mitternacht auf den Südwinterhimmel. Die Milchstraße ist in südlicher Richtung und später Richtung Zenit das dominante Objekt.
Obige Grafik zeigt, dass der Zentralbalken der Milchstraße zwischen den Sternbildern Winkelmaß (Norma, nahe dem Skorpion) und Schütze (Sagittarius) liegt. Zwischen den Sternbildern Achterschiff (Puppis) und Schwan (Cygnus) blicken wir in Richtung der inneren Spiralarme. Dieser Bereich ist jener, der um diese Jahreszeit von der Abenddämmerung bis weit nach Mitternacht hoch am Himmel steht. Alles klar, warum wir jetzt hier sind (abgesehen von den klimatischen Bedingungen)?
Die wichtigsten Strukturen der Milchstraße am Südhimmel
Neben den hellen Bereichen der Milchstraße (die Trennung von Scutum-Centaurus-Arm und Zentralbalken ist visuell nicht feststellbar) dominieren noch nahe Dunkelwolken aus unserem lokalen Orion-Nebenarm und weiterer vorgelagerter Nebenarme den Anblick. Diese Dunkelwolken verdecken den Blick auf die hellen, weiter entfernten Strukturen der Milchstraße und vor allem auf das Zentrum. Vor allem zwischen dem Kreuz des Südens und dem Schlangenträger sind die Dunkelwolken absolut markant.
Ach ja, und alle Sterne, die wir mit freiem Auge sehen, gehören in unseren lokalen Orion-Nebenarm, sie liegen natürlich auch in unserer Milchstraße, allerdings verhältnismäßig nahe.
Jetzt aber zu echten Fotos ...
In der Milchstraßenregion um das Kreuz des Südens ist der Kohlensack die markanteste Formation.
Zum Kohlensack schreibt Wikipedia: Der Kohlensack ist eine der bekanntesten Dunkelwolken am Himmel und neben Pferdekopfnebel, Konusnebel und anderen auch eines der wenigen Objekte dieser Art mit einem Eigennamen. Der Kohlensack steht mitten in der südlichen Milchstraße, zwischen den Sternbildern Crux (Kreuz des Südens), dem ihn umgebenden Zentaur und der Fliege (Musca). Er ist 500-600 Lichtjahre entfernt und bildet ein auffälliges "Loch" in der umgebenden, sehr sternreichen Gegend. -- Hier wird deutlich, dass diese dunklen Wolken in der Milchstraße in der Tat recht nahe liegen.
Links vom Kohlensack stehen die beiden hellen Sterne Alpha (Rigil Kentaurus oder Toliman) und Beta (Agena) Centauri. Alpha Centauri ist der nächste helle Stern, das markante Doppelsternsystem ist nur 4,3 Lichtjahre entfernt. Der schwache, Rote Zwergstern Proxima Centauri steht noch näher, kann aber auf der Aufnahme (auch wegen der schlechten Objektivqualität, leider mit einem sehr billigen 50mm-Objektiv aufgenommen) nicht ausgemacht werden.
Rechts ist das "Schattenkreuz" zu erkennen; es wird aus den drei Deep Sky Objekten NGC 3532 (Nadelkissen-Haufen), NGC 3372 (Eta-Carinae-Nebel) und IC 2602 (Südliche Pleiaden) gebildet. Der vierte Punkt fehlt allerdings als helles Objekt, an seine Stelle tritt eine Dunkelwolke an der Grenze Schiffskiel-Zentaur.
Länger belichtete Aufnahme der Milchstraße von Norma bis Puppis -- klick zum Vergrößern
Milchstraßenpanorama von Schlangenträger bis Schiffskiel -- klick zum Vergrößern
Im letzten Panorama, das fast 180° umspannt, sind ein paar sehr markante Dunkelwolken zu erkennen; allen voran der von den Aborigines Australiens so genannte Emu; der Kohlensack bildet seinen Kopf, die breit gebogenen Dunkelwolken in Zentaur und Lineal seinen Körper und die gerader verlaufenden Teile im Skorpion die Beine. Markant ist auch der Pfeifennebel im Schlangenträger, seine Form erinnert wirklich markant an eine schwarze Tabakspfeife. Im Schlangenträger (im Bild links) verdecken große Dunkelwolken weite Teile der Milchstraße. Von Mitteleuropa aus ist nur das linke Drittel des obigen Bildes gut zu sehen.
Das Sternbild Skorpion mit dem Pfeifennebel im benachbaren Schlangenträger -- klick zum Vergrößern
Die Region um das Milchstraßenzentrum ist enorm sternreich, dabei blicken wir nicht auf das Zentrum, sondern nur - an augewählten Stellen - in den Scutun-Centaurus-Arm. Auch die Dunkelwolken sind hier reich strukturiert. Das zeigen Aufnahmen durchs Fernrohr:
Die Milchstraße um den offenen Sternhaufen Messier 7 im Skorpion -- klick zum Vergrößern
Der Schlangennebel im Schlangenträger, ein Anhängsel des Pfeifennebels -- klick zum Vergrößern
Die Region um NGC 6520 und Barnard 86 im Schützen -- klick zum Vergrößern
Eine Region mit sehr hoher Sterndichte in der Milchstraße ist das so genannte Baade-Fenster. Hier bewirkt das weitgehende Fehlen von interstellarem Staub einen direkten Blick auf den Zentralbalken unserer Milchstraße. Es gibt nur sechs derartige Bereiche, siehe http://www.aanda.org/index.php?option=com_article&access=standard&Itemid=129&url=/articles/aa/full/2002/01/aah2738/aah2738.right.html
Unglaublicher Sternreichtum im Baade-Fenster -- klick zum Vergrößern
Kaum ein Foto kann aber die visuelle Faszination der Milchstraße in diesen Breiten ersetzen. Läuft die Milchstraße praktisch durch den Zenit, ist sie am besten liegend zu beobachten. Mit einem Fernglas lassen sich dutzende offene Sternhaufen, helle und dunkle Nebel beobachten. Im Fernrohr geht der visuelle Eindruck der Milchstraße rasch verloren. Selbst im 24" Dobson ist der Blick auf das Baade-Fenster zunächst unspektakulär. Doch langsam zeigt sich der Hintergrund nicht dunkel, sondern subtil diffus mit dem Hauch einer Andeutung jener unzählig vielen Sterne, die die Aufnahmen zeigen.
Untergehende Milchstraße mit Kreuz des Südens -- klick zum Vergrößern
Allein die Milchstraße wäre es wert, hierher zu fahren. Doch der Südhimmel hat noch viel, viel mehr zu bieten.
Alexander Pikhard
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Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie. www.waa.at |