Deep Sky Nacht

Ebenwaldhöhe, 22. 02. 2003

20030222api18.html

Beobachter:Alexander Pikhard
e-Mail:apikhard@utanet.at
Datum:22. 02. 2003
Zeit:18.00 bis 23.45 Uhr MEZ
Ort:Ebenwaldhöhe
Instrument:12" Meade LX-200
Bedingungen:

Durchsicht:1+++ Freis. vis. Grenzgröße:6.5
Aufhellung:1+++ Seeing:1-2
Wind:stark aus SE
Temperatur:-6 °C Luftfeuchtigkeit:extrem trocken
Sonstige Bemerkungen:Abgesehen vom Wind extrem gute Bedingungen.

Bericht:

Ein mächtiges Hochdruckgebiet hat sich über Europa ausgebreitet. Es ist Ende Februar, und die Sonne hat schon so viel Kraft, die Hochnebeldecke aufzulösen. Es ist ein strahlend schöner Samstag. Letzte Wolken lösen sich auf. Der Himmel ist selbst in Wien tiefblau. Der Mond steht im letzten Viertel, geht weit nach Mitternacht auf. Es wird noch recht früh dunkel. Sterngucker-Herz, was willst du mehr? Es geht endlich wieder einmal -- auf die Ebenwaldhöhe!

Schon im Vorfeld erfahre ich, daß auch Gerhard Bachmayer und Hans Peter Müllner das gleiche Ziel vor Augen haben. Ich bilde sozusagen die Vorhut. Am späten Nachmittag ist es noch "warm" - es hat Temerpaturen über dem Gefrierpunkt, man wird ja bescheiden. Allerorts schmilzt der Schnee. Bis Kleinzell trockene Straßen. Dann die Abzweigung zur Ebenwaldhöhe. Eine Straße wie in der Wildnis. Schneefahrbahn und gleich zu Beginn Schlaglöcher, die sich auch in Sambia nicht zu verstecken brauchen. Wenig später der Hinweis auf Kettenpflicht. Dank Allrad ignoriere ich ihn, doch wer nur zwei angetriebene Räder hat, sollte den Hinweis vielleicht doch beachten. Die Straße ist ein Eiskanal, nur jeweils eine reifenbreite Spur ist gestreut. Nichts für Sonntagsfahrer! Gerhard, Tahir, Hans Peter und andere kommen aber spielend hinauf.

So findet sich eine vermummte Partie - Gerhard, Natalie, später Hans Peter und Pia, Tahir und noch zwei weitere Beobachter auf unserem beliebten Spechtelplatz ein. Die Bedingungen? Hervorragend, bis auf ... den Wind! Der bläst beinhart aus SE, und zwar beständig, nicht böig, aber stark. Gerhards Dob ist nur schwer zu navigieren und ohne Halt wird er zur Windfahne. Auch mein 12" zittert, an Astrofotos ist nicht zu denken.

Ein paar Stimmungsbilder ...



Es ist wirklich recht winterlich hier, aber endlich wieder einmal strahlend klar.

Erstes Objekt ist Jupiter. 21mm Pentax. Noch ist das Instrument nicht temperiert und im Wind zittert Jupiter leider auch sehr - wenigstens braucht man bei dem Sturm keine Taukappe, die hätte noch mehr Erschütterungen gemacht. Wie aufgefädelt stehen die vier hellen Monde auf einer Seite des Planeten. Sie werden uns heute Nacht noch viel Freunde machen ... Und ich riskiere ein Foto mit der Dititalkamera durch das 40mm Pentax Okular.


Ein Schnappschuß vom Jupiter. Die Monde, von links nach rechts:
Callisto, Ganymed, Io und Europa (unbedingt merken!)

Dann ein Blick zum Saturn: Auch sehr schön im 21mm Pentax. Man kann sagen, der übliche schöne Anblick. Alle wichtigen Details sind da. Beeindruckend vor allem der Schatten des Planeten auf dem Ring.

Doch jetzt geht es zu den Deep Sky Objekten; ich gebe hier keinen chronologischen Bericht, denn wir drehen gut und gern drei oder vier Runden um den Süd-, Ost- und Nordbereich, beobachten und vergleichen, kommen auch immer wieder zu den schönsten Objekten zurück.

Viel bestauntes Objekt ist der Orionnebel M42: Schon in der Dämmerung beeindruckend, wird er von Minute zu Minute besser. Schließlich güllt er das 40mm Pentax Gesichtsfeld komplett aus; um den hellen Innenbereich mit dem Trapez - man erkennt Farben bei den Trapezsternen! - folgt ein weiterer, noch immer recht heller, faserig auseinanderlaufender Bereich (hier ist in Stadtnähe auch schon Schluß); weiter außen folgen auf jeder Seite noch zwei weit ausladende "Federn", Filamente, die deutlich unterschiedliche Farbtemperatur zeigen, obwohl sie natürlich nur grau erscheinen. Die hellen Innenbereiche des Nebels wirken grünlich. Ein traumhafter Anblick! Die Innenbereiche sind auch in stärkeren Vergrößerungen sehenswert. Mit UHC- und OIII-Filter läßt sich noch mehr Kontrast herausholen.

Ich besuche weitere Deep Sky Objekte im Orion:

Zunächst die benachbarte Nebelgruppe NGC 1975/77/79, die den bekannten "Ape Man" Duneklnebel umschließt; sehr deutlich, dabei ist es noch gar nicht so richtig dunkel, als ich dieses Objekte einstelle. Dann den Flammennebel NGC 2024; sehr deutlich, jedes der feinen, schwarzen Filamente kommt ganz deutlich heraus. Der UHC-Filter bringt etwas mehr Kontrast, wäre aber gar nicht notwendig. Jetzt werde ich übermütig; ein Schwenk zu den beiden kleinen Reflexionsnebeln IC 435 und NGC 2023 zeigt diese sehr deutlich; jetzt indirekt schauen, was das Zeug hält; IC 434, die "Wand", ist indirekt gut zu erkennen, und - ja, da ist er! Der Pferdekopfnebel B33 hebt sich schwärzer als das Schwarz dahinter leicht ab. Mit einem UHC-Filter wird die Sache dann ganz eindeutig, die dunkle Einbuchtung in diesem Hauch von etwas heller als der Hintergrund (IC 434) ist doch deutlich zu sehen. Ein traumhafte Durchsicht! Dann noch M78, der Reflexionsnebel ist sehr hell und ohne UHC-Filter deutlich besser (kein Wunder, ist ja eben ein Reflexionsnebel).

Am kleinen Wagen stelle ich eine freisichtige visuelle Grenzgröße von 6,5 mag fest. Dabei hat Jupiter einen deutlichen Hof, verursacht wahrscheinrlich durch Eiskristalle. Das kostet rund eine halbe Größenklasse, sonst wär's eine 7mag-Nacht geworden!

Ich wandere auf meiner Tour nach Süden in den Hasen (Lepus). M79, der einzige helle Kugelsternhaufen am Winterhimmel, ist sehr hell und am Rand aufgelöst. Der offene Sternhaufen NGC 2017 - er ist in den neueren Ausgaben von Tirions Sky Atlas 2000.0 gar nicht mehr eingezeichnet - ist aber unspektakulär, nur 5 helle Sterne locker verteilt. Interessant der kleine planetarische Nebel IC 418. Tahir hat ihn mir empfohlen, da ihn viele Beobachter als "rötlich" beschreiben. Also bei mir sieht er blaß weißlich aus wie alle derartigen Objekte, aber er ist nett, um einen kleinen, bauschigen, runden, diffusen Kern sieht man einen hüllenartigen Bogen.

Ich wandere ins Einhorn (Monoceros). Die Nebelregion IC 2177 nahe Sirius ist andeutungsweise zu erkennen, aber schwach. Der offene Sternhaufen NGC 2335 an deren nörlichem Ende liegt eingebettet in einer dichten Milchstraßenregion und hebt sich von dieser nicht allzu deutlich ab. M50, etwas nördlicher, ist da schon prächtiger und füllt das halbe Gesichtsfeld. Die kleinen Reflexionsnebel NGC 2185 etc. sind auch nicht sehr spektakulär, sie sehen aus wie bläuliche Sterne im Dunst. Interessant ist NGC 2261, Hubbles veränderlicher Nebel, der heute sehr hell erscheint und deutlich an einen kleinen Kometen erinnert. Der Rosettennebel NGC 2237 etc. ist mir zu groß für ein Gesichtsfeld, ich fahre ihn ein Stück ab. Der eingebettete Sternhaufen NGC 2244 ist extrem hell, eigentlich ein Feldstecherobjekt. Tahir hat eine Suchkarte vür V818 mit dabei und meint, man könne vielleicht schon die Lichtechos sehen. Ich stelle V818 Mon ein, kann aber leider nichts ausmachen. Wahrscheinlich müßte ich sehr stark vergrößerund und bei dem Wind geht das leider nicht.

Ein Blick mit freiem Auge zu Jupiter ist derzeit mehr als lohnend: Knapp westlich von Jupiter steht die Krippe (Praesepe, M44) als heller, diffuser Fleck und sieht aus, als würde sich Jupiter diffus irgendwo spiegeln. Zwischen Jupiter und M44 stehen die beiden "Eselchen" Asellus Borealis und Australis im Krebs.

Weiter nach Norden. M35 ist beeindruckend, aber noch beeindruckender ist NGC 2158, der kleine, dichte offene Sternhaufen in der Nähe. Er ist schon im 40mm Pentax gut aufzulösen und ein sehr netter Anblick. Ein Schwenk zu M1: Unglaublich, wie hell und deutlich dieser Nebel heute ist. NGC 2371/72, der planetarische Nebel nahe bei Castor und Pollux, ist auch sehr deutlich und als doppeltes Objekt zu erkennen.

Auf dem Weg zum Fuhrmann mache ich bei einem ganz besonderen Objekt halt: NGC 2419, der schwache Kugelsternhaufen im Luchs (ein intergalaktischer Streuner) ist hell, rund und diffus, Einzelsterne sind keine zu erkennen, kein Wunder bei der Entfernung ...

Im Fuhrmann ist M37 einfach eine Wucht. Das Seeing ist jetzt sehr gut und zusammen mit der unglaublichen Durchsicht ist der dichte Haufen im 40mm Pentax so schön, daß es zu Ausrufen des Verzückens kommt. Sicher eines der schönsten Objekte hier. M36 und M38 sind aber auch sehr schön! Die Gegend um den offenen Sternhaufen NGC 1893, eingebettet in den Nebel IC 410, ist hochinteressant.

Mit fortschreitender Nacht sinken die Wintersternbilder tiefer, die Frühlingssternbilder steigen höhe, und mit ihnen die weite Welt der Galaxien; wir besuchen nur die wichtigsten, schönsten, denn in der Reichweite unserer Fernrohre liegen heute wahrscheinlich 10.000 oder mehr Objekte; beginnen wir im Löwen: NGC 2903 ist wunderschön; um einen hellen, sternartigen Kern eine schlanke, diffuse Hülle mit Andeutung einer Staubscheibe, ebenso Andeutungen von Spiralarmen. M65 und M66 sind sehr hell und deutlich erkennt man ihre charakteristischen Formen mit Andeutungen von Spiralarmen. Beide Galaxien haben einen hellen Kern. Die etwas schwächere Kantengalaxie NGC 3628 paßt mit den beiden Galaxien in ein Gesichtsfeld des 40mm Pentax, das ergibt einen wunderschönen Anblick. Auch M95 und M96 sind sehr hell und sehr deutlich, mit hellen Kernen, aber ohne so deutliche Details wie die Galaxien zuvor.

Weiter nach Norden in die Jagdhunde. M63 ist sehr hell, mit einem hellen, ovalen Kern und einer ebenfalls ovalen, diffusen Hülle. M94 hat einen extrem hellen Kern (Seyfert-Galaxie) und ist klein und rund. M106 ist sehr groß, länglich und asymmetrisch gefprmt. M51 schließlich ist eine Pracht. Nicht nur der kleine Begleiter NGC 5195 ist sehr deutlich, sondern auch die Spiralarme, die leicht, sogar ohne indirektem Sehen zu erkennen sind.

Nächste Station Großer Bär. Ich beginne mit zwei Klassikern: M81 und M82. M81 ist extrem hell und groß, länglich, mit deutlichem Kern. M82 ist prachtvoll: Dünn, länglich, hell, mit deutlichen Filamenten, ein wunderschöner Anblick. Ich muß gleich vergleichen und schwenke zu M108, ja, auch diese Galaxie ist eine wunderschöne Kantengalaxie. Gleich in der Nähe steht der Eulennebel M97: Auch ihn haben wir selten so gut gesehen, bei indrektem Sehen sind auch die beiden "Augen" gut zu erkennen. Dann noch M101, sie erscheint als großer diffuser Fleck, und mit etwas Phantasie kann man auch hier Spiralarme ausmachen.

Orion steht schon tief, Archturus ist schon aufgegangen, die nördliche Krone geht gerade (über dem Wald) auf. Da muß ein Objekt her: M3! Im 21mm Pentax ein wunderschöner Anblick, bis zur Mitte hin aufgelöst! Mehr ist leider nicht drin, das Seeing wird im Lauf der Nacht wieder schlechter.

Zwischendruch läßt der Wind für eine halbe Stunde nach; ich nütze die Gelegenheit für einen Blick zum Jupiter, und der Große Rote Fleck steht wunderschön fast in der Mitte der Scheibe. Schnell die WebCam montiert!!! In der Tat gelingt mir eine brauchbare Aufnahme. Danke für die Windpause (auch unsere Gesichter freuen sich darüber).

In der Windpause geht sich auch die spektakuläre Beobachtung der Bedeckung von Io durch Europa (gesonderter Bericht) aus und als Abschluß beobachte ich noch die fast unmerkliche Verfinsterung von Io durch Europa (ebenfalls gesonderter Bericht).

Nach fast sechs Stunden fühlen sich unsere Gesichter an, als hätte sie jemand mit Schmiergelpapier abgerieben. Aber dank der richtigen Kleidung wurde uns nicht kalt. Die rund 50 beobachteten Objekte täuschen; es war kein Marathon, wir nahmen uns nur viele Stunden Zeit, um endlich wieder eine Deep Sky Mania zu erleben ...