Schon zum elften Mal trifft sich alles, was im deutschsprachigen Raum Rang und Namen in Sachen CCD hat, im idyllischen Mariazell, um Erfahrungen auszutauschen. Heuer ist vieles anders. Das beginnt schon beim Wetter: Statt, wie hier durchaus üblich, winterlich präsentiert sich Mariazell heuer hochsommerlich, mit heissen Tagen und milden Nächten. Und auch technisch hat sich einiges verändert ...
Tiefblau spannt sich ein wolkenloser Himmel über Mariazell |
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Doch die technischen Veränderungen in der CCD-Welt sind an diesem lauen Spätsommerabend noch nicht so deutlich. Traditionell versammeln sich die ersten Workshopteilnehmer zum gemütlichen Beisammensein auf der Sternwarte. Unsere Gastgeber Angelika und Günther Eder bewirten uns in der Sternwarte in gewohnt herzlicher Weise und bald fühlen wir uns wie zu Hause. Viele bekannte Gesichter aus der CCD-Szene sind auch schon hier. Doch der klare Himmel lockt viele rasch aus dem Seminarraum hinaus an die draussen aufgestellten Instrumente oder hinauf in die Kuppel, und bald wird beobachtet und getestet, was das Zeug hält. Filter werden ausprobiert, Zwischenlinsen oder auch Okulare, für die, die nicht aufnehmen, sondern nur zu- oder durchschauen wollen. Dazu ist ein Workshop da! Ein Objekt zieht zunächst alle Blicke auf sich: Mars. Doch der Blick zum Roten Planeten wird durch schlechtes Seeing so stark beeinträchtigt, dass wir uns bald den Deep Sky Objekten zuwenden. Es wird eine recht lange CCD-Nacht ...
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Die Teilnehmer am 11. CCD-Workshop 2003 |
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Etwas schlaftrunken treffen jene, die die Nacht auf der Sternwarte verbracht haben, auf die zahlreichen Neuankömmlinge an diesem Morgen. Wieder einmal hat es Günther Eder geschafft, den Gemeindesaal fast voll zu bekommen. Ausser Frank Fleischmann sind alle bekannten Persönlichkeiten aus der deutschsprachigen CCD-Szene vertreten. Viele neue Teilnehmer aus Deutschland nützen die Gelegenheit, CCD-Workshop und das ITT, das eine Woche später stattfindet, in "einem Aufwaschen" zu erledigen; eine gute Idee! Der Vormittag steht im Zeichen von Erfahrungen, aber auch neuen Entwicklungen. Nach der Eröffnung durch Günther Eder berichten: Harald Strauss über aktuelles am Gahberg (wo derzeit eifrig gebaut wird), Karl Beck über erste Erfahrungen mit den neuen Apogee-Kameras in Michelbach und Heinz Scsibrany über eigene Aufnahmen mit StarlightXpress. Michael Karrer stellt Adobe Image Ready vor, ein Werkzeug, mit dem man gut Animationen erstellen kann. Mit der Ankündigung der ersten 360°-Animation des Mars sorgt Michael einen Moment für Stille und man kann die Herzen schlagen hören. Hat er uns das vorenthalten? Der Scherz ist gelungen: Die Animation wurde aus Bildern des Mars Previewer erstellt! Jörg Weingrill stellt die von ihm entwickelte Aufnahmesoftware AstroCap 3 vor, eine sehr intelligente Lösung, denn sie sortiert die schlechten Bilder schon bei der Aufnahme aus! Daten-Vorselektierung, wie sie sonst nur bei Weltraumsonden verwendet wird - eine derartige Software wird ja wirklich auch in Graz entwickelt. Die Steiermark wird mehr und mehr zum Herz der heimischen CCD-Szene, das wird uns schon an diesem Vormittag klar. Schon in der ersten Pause sind wir hin- und hergerissen von dem hohen Niveau, das dieser heurige Workshop hat. |
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Volles Haus. Rund 70 Teilnehmer werden auch heuer wieder gezählt. |
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Pausen müssen sein. Sie geben Gelegenheit zur Erfrischung und zum intensiven Erfahrungsaustausch. Corinna Eder - das dritte Mitglied der Eder-Family, das sich aktiv an diesem Workshop beteiligt - bewirtet uns souverän an der Bar des Gemeindehauses. Im Saal, am Rand, haben Händler ihre Shops aufgeschlagen. Gleich vier Händler sind vertreten und machen regen Umsatz mit Zubehör, vor allem Filtern, und auch Büchern. Man könnte ja so viel Geld für dieses Hobby ausgeben ... Was man auch alles so braucht. Fernrohr, CCD-Kamera, Computer, Filter, Software, und Zubehör, Zubehör, Zubehör. Dann noch der Transport. Und die Zeit! Bald fängt sich alles um einen zu drehen an. Wann ist die nächste Pause? Wie viele Computer befinden sich eigentlich im Saal? Keine Ahnung. Immer wieder zieht jemand einen Laptop hervor, um eigene Bilder oder die eine oder andere Software zu präsentieren. Fotos? Sind am Bildschirm zu bewundern. Willkommen im digitalen Zeitalter. Doch schon am Vormittag sickert ein Eindruck durch, dass sich auch diese digitale Welt verändert: Die "exotischen" astronomischen CCD-Kameras bekommen Konkurrenz von ihren "kommerziellen" Kollegen; Digi- und WebCams werden mehr und mehr astrotauglich. Den Abschluss des Vormittags macht Georg Dittié mit der Vorstellung der neuesten Version seiner bekannten Bildbearbeitungssoftware Giotto. Es geht zum Mittagessen in den nahe gelegenen Gasthof Dietl. Doch auch hier werden die intensiven Fachdiskussionen fortgesetzt. Es tut sich einiges in der CCD-Welt ... |
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Auch beim Mittagessen gehen die Fachdiskussionen weiter |
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Nach einer langen, ausgiebigen Mittagspause setzen wir das Programm fort. Quasi als Kontrast zu Georgs Giotto- Präsentation stelle ich die neue Version von Registax vor - als Anwender, nicht als Entwickler, denn leider ist Cor Berrevoets nicht hier. Und während ich auf das Stacken einer recht guten Marsaufnahme warte, präsentiert Andreas Berthold den Prototyp der neuen Philips WebCam, der ToUCam Pro II. Wieder eine Pause, mit Gruppenfoto und Sonnenbeobachtung an einem Coronado H-Alpha-Filter, den Franz Klauser mitgebracht hat. Was für eine Abwechslung! Gutes hat allerdings auch seinen Preis. Es wird hochkarätig. Hannes Schedler leitet eine Reihe von prominenten Vortragenden ein. Und mit seinem Vortrag über Astrofotografie mit der Canon 10D - einer professionellen Digitalkamera um immerhin 1600 € - zeigt er, dass die Wende in der CCD-Technik schon begonnen hat. Seine Fotos erinnern an David Malin. Sicher, noch sind Belichtungszeiten im Stundenbereich notwendig, um solche Ergebnisse zu erzielen, aber was für Ergebnisse! Mehrfacher Szenenapplaus ist die Folge. Szenenapplaus gibt es auch, als Fritz Sussmann in einer Animation Callisto, Io, Europa und die Schatten der letzteren beiden Monde auf einmal über Jupiter wandern lässt. Seine Präsentation bewegter - und bewegender! - Ereignisse stellt wieder einmal seine Klasse unter Beweis. Gerald Rhemann und Michael Jäger bekennen, süchtig nach der "digitalen Droge" geworden zu sein. Innerhalb nur eines Jahres haben sie die analoge Fotografie aufgegeben und haben alles auf CCD umgerüstet. Sogar die Schmidtkameras sollen noch umgebaut werden! Ihre CCD-Bilder sind ja wirklich beeindruckend, wenngleich manchmal schon etwas zu bunt, ehrlich. Hermann Koberger entführt uns nach Australien, doch viele lockt wieder einmal mehr der klare Himmel. |
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Bei diesem Himmel kann keiner widerstehen, ... |
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Nach und nach fahren wir auf die Sternwarte. Es ist zwar etwas dunstiger als am Vorabend, aber auch viel wärmer. Wer hätte das gedacht! Im T-Shirt auf der Sternwarte, Mitte September in Mariazell. Es gab um diese Jahreszeit auch schon Schnee hier ... Die nächste CCD-Nacht beginnt, mit noch mehr Fernrohren, noch mehr Kameras, noch mehr Computern. Ein Astro-Fest.
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Kann man denn noch verschlafener sein? Wohl kaum. Doch bald werden wir munter angesichts dieses Programms. Wie ein Fels in der Brandung widersteht Herbert Csadek der digitalen Droge und präsentiert den Sternenhimmel in Namibia auf 8mm Film - und erntet tollen Szenenapplaus! Doch dann wird es wieder digital, wieder mit kommerzieller Technik. Gut 50% der Beiträge drehen sich schon direkt oder indirekt um Web-, Video- oder DigiCam. Georg Dittié zeigt nochmals Videos aus seiner Zauberküche, diesmal Sonnenfinsternisse. Sind auch immer wieder schön anzusehen. Zum Abschluss das grosse Duell? Nein, kein Duell, sondern ein Vergleich. Silvia Kowollik aus Stuttgart, die an der herzlichen Mariazeller Atmosphäre rasch Gefallen gefunden hat, zeigt uns Schritt für Schritt, wie man mit Giotto tolle Planetenbilder macht. Ich habe im Anschluss Gelegenheit, das ganze noch einmal mit Registax zu präsentieren. Nach einer Panne - zu Demozwecken schnell Silvias Kamera an meinen Laptop gesteckt, und schon lacht Bill Gates sadisitisch - eine gute Ergänzung, die uns lehrt dass es nur ein Kochrezept für gute Bilder gibt: Viel Erfahrung! "Also raus mit Euch und beobachtet, was das Zeug hält!" sind die Schlussworte des heurigen Workshop. |
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Heimfahren? Jetzt? Noch nicht! |
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Die grosse Gruppe des heurigen Workshop zerstreut sich wieder in alle Winde, voll mit neuen Erfahrungen und Ideen. In kleinem Kreis noch ein Mittagessen, dann nehmen endgültig alle Abschied. Alle? Ein Blick zu dem stahlblauen Himmel stimmt ein kleines Grüppchen um. Morgen ist Montag!? Ach was, wird schon gehen, zumindest eine halbe Nacht hängen wir noch dran! Und diese dritte Nacht wird die beste an diesem Wochenende.
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Spät in der Nacht fahre ich nach Wien heim, auch voll neuer Erfahrungen und Ideen. Gratulation an Günther, wieder einmal hat ein CCD-Workshop alle vorangegangenen übertroffen. Kein Wunder, dass immer mehr Freunde aus den Nachbarländern hierher streben, nach Mariazell, der CCD-Hauptstadt von - zumindest - Österreich.
Alexander Pikhard