Wenn der südliche Sternenhimmel für eine Kategorie von Deep Sky Objekten berühmt ist, dann für Kugelsternhaufen. Und wer von den Kugelsternhaufen des südlichen Sternenhimmels redet, redet von Omega Centauri.
Omega Centauri ist absolut und von unserem Blickwinkel auch scheinbar der größte und hellste Kugelsternhaufen unserer Milchstraße. Leicht ist er mit freiem Auge zu sehen und im Fernrohr, ab einer sinnvollen Öffnung von etwa 10", offenbart sich der Blick in eine konzentrierte Ansammlung von nicht weniger als 4 bis 10 Millionen Sternen. Spätestens angesichts dieser Zahl ist verständlich, dass die wahre Natur dieses Objekts als Kugelsternhaufen infrage gestellt wird. Nach einer anderen Theorie handelt es sich um den Kern einer Zwerggalaxie, die von unserer Milchstraße "kannibalisiert" wurde. Die relativ geringe Entfernung von knapp 16.000 Lichtjahren trägt zu dem beeindruckenden Anblick dieses einmaligen Objekts bei.
Doch nähern wir uns den Kugelsternhaufen des Südhimmels ein wenig strukturierter ...
Wir mitteleuropäische Beobachter assoziieren mit Kugelsternhaufen wohl immer das Objekt Messier 13 im Herkules. Dies wohl deshalb, weil der an sich sehr schöne Haufen in unseren nördlichen Breiten im Sommer sehr hoch am Himmel steht. Dabei wissen wenige, dass M13 weder der hellste, noch der größte Kugelsternhaufen ist, der von Mitteleuropa aus zu sehen ist. Sowohl in scheinbarer Helligkeit als auch in scheinbarem Durchmesser belegt er nur den vierten Platz aller Objekte seiner Kategorie, die von mittleren nördlichen Breiten aus zu sehen sind.
Auch von Namibia aus ist M13 zu sehen, er steht allerdigs recht tief im Norden. Hier ein Foto. Und um die Kugelsternhaufen gut vergleichen zu können, sind ab hier alle Fotos im gleichen Maßstab abgebildet. Das macht einen Vergleich möglich.
M13. 30. 5. 2014. Canon EOS 70D, 10 x 60 Sekunden bei 3200 ISO.
Über den ganzen Himmel betrachtet belegt M13 sowohl in scheinbarer Helligkeit als auch in scheinbarem Durchmesser nur den achten Rang. Die ersten Plätze gehören den "Big Six" (in Anlehnung an die Big Five aus dem Tierreich, die für das südliche Afrika charakteristisch sind). Und unter denen belegt Omega Centauri natürlich den ersten Rang, sowohl in scheinbarer Helligkeit (3,9 mag, ohne Probleme freisichtig als diffuses Objekt zu erkennen) als auch in scheinbarem Durchmesser (55 Bogenminuten, vergleiche Vollmond 30 Bogenminuten). Jetzt also Omega Centauri im gleichen Maßstab wie M13 zuvor:
Welch ein Unterschied! Nach unseren Namibia-Touren 2001 bis 2004 verlieh ich Omega Centauri das Attribut "schönstes Objekt am Himmel", und ich denke, ich stehe noch immer dazu.
Wie geht es mit den Big Six weiter? Den zweiten Rang belegt ein Objekt, das weder in punkto Helligkeit (4,1 mag) noch scheinbarer Durchmesser (50') Omega Centauri sehr nachsteht: NGC 104 oder besser bekannt als 47 Tucanae. Leider steht dieser zweithellste und zweitgrößte Kugelsternhaufen am Himmel um diese Jahreszeit in Namibia tief. Auch hier steht eine Million Sterne auf so engem Raum, dass der durchschnittliche Sternabstand im Zentrum, wie bei Omega Centauri, nur 0,1 Lichtjahre beträgt. Auch dieses Objekt ist rund 16.000 Lichtjahre entfernt. Auffällig ist die starke Konzentration im Gegesatz zu Omega Centauri; sie bietet auch visuell einen beeindruckenden Anblick.
NGC 104 "47 Tucanae". 26. 5. 2014. Canon EOS 350D, 16 x 10 + 16 x 30 Sekunden HDR bei 1600 ISO.
47 Tucanae steht am Himmel nahe der Kleinen Magellanschen Wolke, hat aber kosmologisch keinen Bezug zu ihr.
Omega Centauri und 47 Tucanae sind mit Abstand die beiden größten und hellsten Kugelsternhaufen am Himmel; hinter ihnen folgen, mit einigem Abstand, die restlichen Objekte. Die nächsten beiden der Big Six sind prinzipiell auch von Mitteleuropa aus zu sehen, allerdings stehen sie bei uns nicht allzu hoch.
Messier 4 nahe Antares im Skorpion belegt in der Liste der hellsten Kugelsternhaufen (Quelle übrigens http://messier.seds.org/xtra/supp/mw_gc.html) den vierten, in der Liste der größten Kugelsternhaufen (nach scheinbarem Durchmesser) sogar den dritten Rang. Das für seine Kategorie sehr nahe Objekt (7.200 Lichtjahre) ist auch jener Kugelsternhaufen, der am leichtesten in einzelne Sterne auflösbar ist. Seine hellsten Sterne haben immerhin 11 mag.
M4. 27. 5. 2014. Canon EOS 70D, 5 x 150 Sekunden bei 3200 ISO.
Messier 22 im Schützen ist dritthellster bzw. viertgrößter Kugelsternhaufen am Himmel. Vor reichem Sternenhintergrund der Milchstraße ist der dichte, reiche Kugelsternhaufen ein prächtiger Anblick. Mit etwas mehr als 10.000 Lichtjahren Entfernung zählt auch er zu den nahe gelegenen Objekten seiner Art. Vergleiche die Aufnahmen immer noch mit jener von M13 am Beginn dieser Gegenüberstellung - auch M22 übertrifft den großen Herkuleshaufen deutlich.
M22. 29. 5. 2014. Canon EOS 70D, 10 x 120 Sekunden bei 3200 ISO.
Die Big Six werden durch zwei Objekte komplettiert, die von Mitteleuropa aus nicht zu sehen sind. Ihre große scheinbare Helligkeit und ihren großen scheinbaren Durchmesser verdanken sie ihren geringen Entfernungen. NGC 6397 im Sternbild Altar (Ara) südlich vom Skorpion ist "nur" 7.200 Lichtjarhe entfernt und ebenfalls leicht in Einzelsterne auflösbar. Er gilt als enger Verwandter von Messier 4 und möglicherweise stammen beide Haufen von einer Zwerggalaxie, die sich unsere Milchstraße einverleibt hat.
NGC 6397. 28. 5. 2014. Canon EOS 70D, 6 x 120 Sekunden bei 3200 ISO.
Nicht weit von NGC 6397 am Himmel entfernt steht NGC 6752 im Sternbild Pfau (Pavo). Er ist 13.700 Lichtjahre entfernt und somit auch noch eines der näheren Objekte seiner Art. Auffällig ist auch hier die starke Konzentration des Haufens.
NGC 6752. 29. 5. 2014. Canon EOS 70D, 10 x 15 + 10 x 120 Sekunden HDR bei 3200 ISO.
Damit sind die Big Six, die großen Kugelsternhaufen am südlichen Sternenhimmel, vorgestellt. Omega Centauri (im Zentauren), NGC 104 (47 Tucanae, im Tukan), Messier 22 im Schützen, Messier 4 im Skorpion, NGC 6397 im Altar und NGC 6752 im Pfau.
Wenn jetzt die Frage aufkommt, welcher Kugelsternhaufen belegt zwischen den Big Six und M13 den siebenten Platz: Es ist Messier 5 in der Schlange, gut von Mitteleuropa aus zu sehen, ihn habe ich aus Zeitgründen hier in Namibia nicht aufgenommen. Ein paar schöne Objekte, die von Europa aus gar nicht oder nicht zu zu beobachten sind haben hier Vorrang. Zunächst einmal NGC 3201 im Sternbild Segel (Vela), nach scheinbarem Durchmesser immerhin auf Rang 10.
NGC 3201. 27. 5. 2014. Canon EOS 350D, 15 x 60 Sekunden bei 1600 ISO.
Ein tolles Objekt ist Messier 55 im Schützen. An sich von uns aus zu sehen, steht er aber immer sehr tief.
M55. 26. 5. 2014. Canon EOS 350D, 10 x 120 Sekunden bei 1600 ISO.
Besonders delikat ist NGC 4372 in der Fliege (Musca). Er steht nahe einem helleren Stern und in seiner Nähe gibt es auch Dunkelwolken. Allerdings würde die gesamte Region mit einer kürzere Brennweite besser zur Geltung kommen.
NGC 4372. 29. 5. 2014. Canon EOS 70D, 9 x 180 Sekunden bei 3200 ISO.
Und zum Abschluss noch ein paar kleinere Kugelsternhaufen (auch wenn die Bilder kleiner sind, der Maßstab ist immer noch der gleiche):
Die Häufung von Kugelsternhaufen in dieser südlichen Himmelsregion ist kein Zufall; sie treten gehäuft um das galaktische Zentrum auf, das in diesen Nächten nach Mitternacht praktisch im Zenit steht. Da verwundert die große Zahl an Objekten nicht.
Kugelsternhaufen sind auch einfach zu fotografieren. Schon mit kurzer Belichtungszeit lassen sich ansehnliche Aufnahmen gewinnen. Einsteigerinnen und Einsteigern in die Astrofotografie seien sie daher besonders ans Herz gelegt. Aber Vorsicht, wer mit Omega Centauri beginnt, wird diese Aufnahme lange Zeit nicht überbieten können -- erst mit schwächeren, schwierigeren Objekten.
Alexander Pikhard
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