Ich warne gleich einmal vor: Das wird jetzt keine meteorologische Abhandlung. Es wird vielmehr eine Beschreibung der Eindrücke aus diesem Jahr, gemischt mit Erfahrungen der letzten Jahre.
Also: Fragt man Leute, warum sie den Aufwand für einen Astrourlaub in Namibia betreiben, so bekommt man meist zwei Antworten: 1) Wegen des Südhimmels und 2) weil es dort keine Wolken gibt. So ist die Erwartungshaltung meist so: Man bucht einen Aufenthalt von x Tagen auf einer Astrofarm und hat dann garantiert x-1 Nächte, die man von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang nützen kann.
Dass das so nicht stimmt hat verschiedene Gründe und einer davon ist das Wetter. Andere Gründe sind sicher, dass es kaum ein Mensch aushält, besagt x-1 Nächte (das können schon 7 bis 10 sein) ohne Schlaf auszukommen, denn es ist schichtweg unmöglich, den Lebensrhythmus komplett umzustellen; Frühstück und Abendessen finden auch auf den Astrofarmen zu bestimmten Zeiten statt und eine Umkehr ist nicht überall vorgesehen. Und es wäre auch nicht gesund und daher niemandem anzuraten. Selbst die eingefleischtesten Astrofotografen erkennen die Grenzen ihres Organismus und wer sie auch anerkennt lebt schlicht und ergreifend länger.
Zurück zum Wetter. Zum Einlesen einmal das Klima von Namibia:
Und bitte noch einmal (aus Wikipedia): Das Klima ist der mit meteorologischen Methoden ermittelte Durchschnitt der dynamischen Prozesse in der Atmosphäre, bezogen auf einen Ort oder auf eine Region, einschließlich aller Schwankungen im Jahresverlauf und basierend auf einer Vielzahl von Klimaelementen. Als Wetter bezeichnet man den spürbaren, kurzfristigen Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort der Erdoberfläche, der unter anderem als Sonnenschein, Bewölkung, Regen, Wind, Hitze oder Kälte in Erscheinung tritt.
Zur Einstimmung auf das Wetter jetzt einmal ein paar Bilder:
Bei der Landung am 28. August: Merklicher Dunst über Namibia. (Mit Mausklick vergrößern)
Ein farbiger Sonnenuntergang (29. August) deutet vor allem auf eines hin: Eingeschränkte Durchsicht. Rot bedeutet Wasser in der Atmosphäre, untypisch für hier. (Mit Mausklick vergrößern)
So blau wie hier am 31. August kennt man den Himmel. (Mit Mausklick vergrößern)
Cirren am Nordwesthorizont am Nachmittag des 1. September. Sie werden zum Abend hin verschwinden. (Mit Mausklick vergrößern)
Der einsame Baum, das Wahrzeichen von Hakos. Doch halt, hier, bei dem berühmten Blick zum Gamsberg am 3. September, verschwindet dieser fast im Dunst. (Mit Mausklick vergrößern)
Namibia kann auch so: Tiefbasige Wolken! Sie werden an diesem 4. September die erste Nachhälfte kosten. (Mit Mausklick vergrößern)
Sonnenuntergang am 6. September 2019. Auch nach Durchzug des Wolkenfeldes bleibt der Dunst. Dazu kommt noch starker Wind und schlechtes Seeing. (Mit Mausklick vergrößern)
Abreise am Morgen des 7. September. Noch immer beherrscht Dunst den Blick in die Ferne. (Mit Mausklick vergrößern)
Dass in Namibia jede Nacht perfekt ist, stimmt nicht. Es gibt zumindest vier Faktoren, die eine Nacht mehr oder weniger gut machen. Ich möchte sie irgendwie gewichten:
Wolken
Ja, es gibt auch in der Trockenzeit im Hochland zwischen Namib und Kalahari, wo Hakos liegt, durchaus Wolken. Hohe Bewölkung (Cirren) kann durchaus über mehrere Tage zu einer Beeinträchigung der Beobachtungsbedingungen führen. Sie entstehen an Fronten wandernder Tiefdruckgebiete, die normalerweise weit nördlich oder weit südlich vorbei ziehen, ihre Ausläufer streifen aber durchaus auch in den Monaten Mai bis September das zentrale Hochland. Aber auch tiefe Wolken sind möglich, nicht nur in der Regenzeit (November bis April), und auch Tage (und Nächte) mit Niederschlag sind im Zeitraum Mai bis Oktober möglich, wie im Juli 2018, als etwa der Gamsberg ganze fünf Tage hinter Regenwolken verschwunden war.
Dunst
Ein Phänomen, das erst in den letzten Jahren häufig beobachtet wird, ist Dunst durch Feuchtigkeit in der höheren Atmosphäre. Auf ihn deuten stark rötlich verfärbte Sonnenauf- und -untergänge hin. Er schränkt die Sicht in Höhen unter 45° erheblich ein und macht viele Nächte für namibische Verhältnisse unterdurchschnittlich, was aber immer noch einer sehr guten Nacht in unseren Breiten entspricht. Eine andere Quelle für Dunst kann aus der Namib aufgewirbelter Staub sein, er verfärbt Sonnenauf- und -untergänge gelb und hat letztlich die gleiche Wirkung, nur schränkt er die Sicht meist nur bis ca. 30° Höhe ein.
Wind
Wind ist ein häufiger Begleiter im Hochland von Namibia. Es gibt keine bevorzugte Windrichtung, auch wenn aufgrund der geografischen Lage Südwestwinde vorherrschen sollten. Es gibt aber auch durchaus starke Winde vom Land Richtung Atlantik (also aus östlicher bis südöstlicher Richtung) sowie aus dem Süden. Da stets mit Wind gerechnet werden muss, ist Windschutz ein wichtiges Thema, vor allem bei den im Freien stehenden Beobachtungsplätzen. Ab einer bestimmten Windstärke geht aber auch mit Windschutz bzw. in einer Sternwarte nichts mehr, es ist durchaus damit zu rechnen, die eine oder andere an sich klare Nacht wegen heftigen Windes zu verlieren.
Seeing
Das Hochland von Namibia ist nicht bekannt für perfektes Seeing. Dies war einer der Gründe, warum die ESO letztlich Chile den Vorzug für ihre Südsternwarten gab (nicht der primäre Grund). Es kann gutes Seeing geben, siehe die Planetenbeobachtungen am Beginn der heurigen Reise. Seeing geht meist einher mit dem Wind. Speziell wenn der Wind warm ist (es gibt eine Art föhnigen Wind aus dem Landesinneren) wird das Seeing sehr schlecht, mitunter so schlecht, dass selbst Jupiter flimmert (hatten wir heuer in den letzten Nächten). Dann sind keine scharfen Deep Sky Aufnahmen mehr zu erwarten, auch wenn der Himmel klar und der Windschutz noch ausreichend ist.
Namibia ist also keine gesetzte Bank für perfekte Bedingungen, zu keiner Jahreszeit. War das einmal besser? Es scheint schon zu sein, dass der Klimawandel hier zu spüren ist. Eine Ursache läge auf der Hand. Das Klima Namibias wird charakterisiert den kalten Atlantik im Westen, über dem sich keine Wolken bilden, die dann ins Landesinnere ziehen könnten entlang der Westwinde. Der Benguela-Strom bringt kaltes Meerwasser aus dem antarktischen Ozean in den Südatlantik. Über dem liegt eine Nebelschicht, die eine weitere Erwärmung durch die an sich schon starke Sonneneinstrahlung auf der Breite des südlichen Wendekreises verhindert. Erwärmt sich der Atlantik als Folge der globalen Erwärmung, kippt dieser Effekt. Es bildet sich kein Nebel mehr über dem Ozean, die Sonne kann diesen noch stärker erwärmen, es bilden sich Wolken, die dann ostwärts ins Landesinnere ziehen und an den Bergen abregnen. Setzt sich dieser Prozess ungehindert fort, könnte aus dem Hochland dereinst einmal (wieder) eine blühende weil regenreiche Region werden. So funktioniert Klimawandel.
Man könnte jetzt sogar argumentieren, dass jeder, der nach Namibia fliegt, genau diesen Prozess noch verstärkt. Könnte man. Allerdings ist die Anzahl der Flüge hierher im internationalen Vergleich mehr als vernachlässigbar. Dennoch ist was dran. Sind robotische Sternwarte die Alternative? Wären sie, ginge es um Forschung. Es geht aber um das Erleben einer ganz besondern und ja, schützenswerten Natur. Und es geht auch darum, dass dieses schöne Land zu einem erheblichen Teil vom Tourismus lebt und wir, die wir hierher kommen, den Menschen daher auch einen mittlerweile anerkennenswerten Wohlstand und damit sozialen Frieden bringen. Ja, der Klimawandel muss gebremst werden, nicht nur, weil wir sonst den Sternenhimmel in Namibia verlieren (das wäre verschmerzbar). Fangen wir daheim damit an, ok?
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