Beobachtungs- und Fotonacht
Hakos-Gästefarm, Namibia, 11./12. 07. 2002
CCD-Galerie, 9.-14. Juli
Foto-Galerie, 9.-14. Juli
Der Großteil der WAA-Gruppe ist plangemäß abgereist,
nur ein ganz kleiner Rest hält noch die Stellung. Es ist unheimlich
ruhig hier.
In der Abenddämmerung beobachten wir das Neulicht des Mondes, 30 Stunden
nach Neumond steht eine wie mit einem scharfen Messer in den Himmel geritzte
dünne Mondsichel über den Hakosbergen. Ein umwerfender Anblick.
Und: Die Monsichel steht natürlich verkehrt, die Szene sieht aus wie
eine Morgenstimmung in unseren Breiten mit Altlicht, doch längst haben
wir uns an die Verhältnisse auf der Südhalbkugel gewöhnt.
Neulicht und Venus
Es ist heute die beste aller bisherigen Nächte. Praktisch windstill
und +15° am Anfang, am Ende immer noch +11°C (um 1.30 Uhr). Dazu wolkenlos,
nur tief im Westen kündigt sich wieder der Preis für die Wärme
in Form hoher Cirren an, doch die stören heute nicht. Die Durchsicht
ist 1+++, die Aufhellung 1++, das Seeing allerdings nur 2-3, die Sterne flackern
schon sehr. Der Blick zum Horizont ist enorm klar, die LMC ist ohne Probleme
eine gute Stunde lang am Abend zu beobachten. "Man ist in Namibia, wenn
man den Sucher am Tarantelnebel justieren kann, 5° über dem Horizont.
"
Das Zodiakallicht ragt, mit strahlend heller Venus mittendrin, wie in allen
bisherigen Nächten, hoch aus dem Nordosten empor, reicht anfangs fast
bis in den Zenit (Spica) und verschwindet erst gegen 22 Uhr. Dunkel wird
es unter der hellen Milchstraße ohnedies nie ...
Zunächst mache ich Kleinbildaufnahmen mit 135mm Teleobjektiv f/2.8
auf 200 ASA Diafilm, Belichtung einheitlich 15 Minuten. Die aufgenommenen
Felder:
- 18.56, Aufnahme 1: Um NGC 2516 [11]
- 19.15, Aufnahme 2: LMC [12]
- 19.32, Aufnahme 3: Um den Omikron Velorum-Haufen IC 2391 [13]
- 19.48, Aufnahme 4: Vela SNR, steht tief, aber die Durchsicht ist sehr
klar in dieser Region
[14]
- 20.05, Aufnahme 5: Eta Car [15]
- 20.21, Aufnahme 6: Lambda Cen [16]
- 20.36, Aufnahme 7: Crux mit Kohlensack, geht sich gut in einem Feld
aus [17]
- 20.54, Aufnahme 8: Norma-Sternwolke [18]
- 21.12, Aufnahme 9: Antares und Umgebung [19]
- 21.33, Aufnahme 10: Skorpion-Stachel, M6 und M7 [20]
- 21.52, Aufnahme 11: Gegend um das Milchstraßenzentrum [21]
Aufnahmen siehe Foto-Galerie, durchgestrichene Nummern wurden
nicht veröffentlicht.
In der Nacht beobachte ich über weite Strecken allein auf der Plattform
der Hakos-Sternwarte und was im Trubel der Star Party-Stimmung der vergangenen
Tage völlig untergegangen ist oder von ihm verschreckt wurde, erobert
sein Revier wieder zurück: Die Stimmen der nächtlichen Steppe. Unglaublich,
welche Geräusche da aus dem Dunkel dringen. Seltsame Tierstimmen, gefolgt
vom Gebell verschreckter Hunde, Getrappel von Hufen (nächtens streifen
Zebraherden über die Farm), dann und wann das Gekreische eines Affen,
wieder gefolgt von Hundegebell ... Ach hätte ich doch mein Nachtsichtgerät
mitgenommen.
Nach den Kleinbildaufnahmen CCD. Nach den beiden Kugelsternhaufen M4 und
NGC 6397 (Ara) -- sie haben gleiche visuelle Helligkeit, doch ganz unterschiedliche
Struktur -- und einem "Nordobjekt", dem Hantelnebel, den ich zu Vergleichszwecken
aufnehme, liegt der Schwerpunkt auf der SMC, in der ich vier Sternfelder
mit einer Vielzahl von Objekten aufnehme. Den Abschluß bildet die prachtvolle
Galaxie NGC 253 im Sculptor. Bilder siehe
CCD-Galerie
.
Während der fotografischen und CCD-Aufnahmen bleibt Gelegenheit zu
visuellen Beobachtungen, teils am C8 selbst (auf f/6.3 verkürzt) und
am 4" Vixen.
Erster visueller Schwerpunkt: Stöbern in der LMC.
- NGC 2070, Tarantelnebel, 4" Vixen, 26mm Plössl: Großes Gesichtsfeld,
in dem der Nebel sehr hell, konzentriert und deutlich ist, auch schon einige
Filamente zeigt. Man erkennt in diesem großen Feld aber nicht nur den
Tarantelnebel, sondern auch eine Vielzahl weiterer Objekte in der LMC. So
können wir identifizieren: Die offenen Sternhaufen NGC 2044, 2050, 2055,
2074, 2081, 2078 und 2079, teilweise nur als diffuse Flecken, teilweise sogar
aufgelöst. Weiters, mit einem kleinen Schwenk, NGC 2033 sowie, schwieriger,
die diffusen Nebel N172 und N175. Bei stärkerer Vergößerung
wären noch viel mehr Objekte hier zu identifizieren. Die LMC ist eine
große Herausforderung. Kaum ein Gesichtsfeld mit weniger als 20 Deep
Sky Objekten, doch manche brauchen wirklich eine stärkere Vergrößerung
und das Identifizieren ist nicht leicht. Zumal gute Karten von der LMC
Mangelware sind: SkyAtlas 2000.0 zu oberflächlich, aber gut zur Orientierung.
Uranometria 2000.0 völlig überladen und unübersichtlich. Wir
verwenden letztlich die hangezeichneten Karten aus dem Webb Society Deep-Sky
Observer's Handbook (Volume 7, Southern Sky).
- Das nächste Feld in LMC: Deutlich erkennt man im 26mm Plössl
die beiden offenen Sternhaufen NGC 2001 und 1962/65/66/70, die teilweise in
Sterne aufgelöst werden können, und den kleinen, dichten, nicht
auflösbaren Kugelsternhaufen NGC 1953. Dieses Feld ist beim Stöbern
nicht zu übersehen und erscheint schon im Sucher als hellerer Fleck
in der LMC.
- Ein weiteres Feld am Rand der LMC läßt die offenen Sternhaufen
NGC 1712, 1722 und 1727 (fast wie ein diffuses Objekt) und die beiden Nebelregionen
N83 (in der sich zahlreiche kleine offene Sternhaufen, die wir nicht alle
identifizieren können, befinden) und N94. Die drei Komplexe bilden ein
auffälliges Dreieck.
Wir verlassen jetzt die LMC und wenden uns höher stehenden Objekten
zu.
- NGC 5986, GC Lup, 4" Vixen, 10,5mm Pentax: Klein, dicht, kompakt, am
Rand bei indirektem Sehen aufgelöst, ein hellerer Stern sticht am Rand
hervor, dürfte aber ein Vordergrundstern sein. In der sehr sternreichen
Milchstraßengegend gibt er einen sehr schönen Kontrast ab.
- NGC 6067, OC Nor, 4" Vixen, 35mm Superplössl: Dichter, offener
Sternhaufen, der in ein reiches Milchstraßenfeld eingebettet ist, hebt
sich wunderschön vom Hintergrund ab, konzentriet, mit einigen helleren
Sternen und fast diffus hinterlegt.
- Anläßlich Aufnahme 5: Eta Car im C8 f/6.3, 40mm Pentax:
Traumhaft wie immer, wieder ist der gesamte Komplex im Gesichtsfeld zu erkennen
und reich strukturiert. Interessant ist, daß die helleren Bereiche
des Nebels wirklich eine Ähnlichkeit mit dem Lagunennebel haben (auch
das "Schlüsselloch" kommt in beiden Nebeln vor), abgesehen vom hellen
Eta Carinae selbst, den es eben nur hier gibt.
- NGC 6087, OC Nor, 4" Vixen, 35mm Superplössl: Klein, locker,
mit hellem rötlichen Stern in der Mitte, hebt sich einigermaßen
vom Hintergrund ab, erscheint aber schon in die Milchstraßengegend
integriert. Beide Haufen, 6067 und 6087, erscheinen im Sucher als diffuse
Flecken.
- M7, 4" Vixen, 35mm Superplössl. Ein extrem reiches Feld. Der
helle Sternhaufen kommt hier zwar nicht mit jener Brillianz heraus, die wir
schon in anderen Instrumenten gesehen haben, doch das Feld ist hochinteressant.
Rechts im Feld erkennt man zwei auffällige Dunkelwolken, sie bilden B283.
Links oberhalb einen kleineren, sehr dichten offenen Sternhaufen (Tr 30),
der bei indirektem Sehen sehr gut in Einzelsterne aufzulösen ist. Zwischen
M7 und Tr 30 steht noch die nicht ganz so deutliche Dunkelwolke B287. Unterhalb
von M7 erkennt man den Kugelsternhaufen NGC 6453 als kleinen, runden, diffusen
Fleck ohne erkennbare Einzelsterne. Unterhalb von 6453, wenn man das Instrument
etwas nachstellt, erkennt man noch ganz zart, aber bei indirektem Sehen gut
aufgelöst, den offenen Sternhaufen NGC 6444. Zwischen 6453 und 6444
erkennt man noch eine Dunkelwolke, die jedoch in keiner Karte verzeichnet
ist. Somit ist dieses Feld extrem abwechslungsreich und zeigt gleich drei
unterschiedliche Typen von Deep Sky-Objekten.
- M6, 4" Vixen, 35mm Superplössl: Auffällig ist, daß
die helleren Sterne des Haufens einen Umriß bilden, innerhalb dessen
sich einige schwächere Sterne anordnen, darunter eine ganz zarte gerade
Reihe. Der Umriß erinnert auf den ersten Blick an einen Weihnachtsengel,
doch bei richtigem Blickwinkel erkennt man unschwer die Form eines Schmetterlings,
die dem Haufen den Namen "Butterfly-Cluster" eingebracht hat. Ein reiches
Milchstraßenfeld, in dem sich der Haufen ganz deutlich abhebt. Im gleichen
Gesichtsfeld, bei indirektem Sehen gut aufgelöst, der kleine, dichte,
offene Sternhaufen NGC 6416.
- M8, 4" Vixen, 26mm Plössl: Sehr schön, ein sehr großes
Feld, bei indirektem Sehen erkennt man den gesamten Nebel, deutlich die beiden
hellen, durch eine Dunkelwolke geteilten, Innenbereiche. Auch der offene
Sternhaufen NGC 6523, der in den Nebel eingebettet liegt, ist sehr schön.
- M20, 4" Vixen, 10,5mm Pentax: Bei indirektem Sehen ist die Dreiteilung
des Nebels ganz deutlich zu sehen, andeutungsweise kann man auch den "Farbunterschied"
zwischen M20 ("wärmer") und dem anschließenden Reflexionsnebel
("kälter") erkennen. Im 26mm Plössl ist auch der kleine offene Sternhaufen
M21 im gleichen Gesichtsfeld zu erkennen. Ein sehr schönes Feld. M21
ist dicht, kompakt und hebt sich gut von seiner Umgebung ab.
- M24, 4" Vixen, 35mm Superplössl: Die Dunkelwolke B93 ist extrem
reich strukturiert. Sie erstreckt sich über zwei Gesichtsfelder und
erinnert wieder an eine Blume. Wenn ich früher einmal bemerkt habe,
das Objekt sieht je nach Fernrohrkonfiguration immer anders aus, so liegt
dies daran, daß ich immer einen anderen Teil der Wolke beobachtet habe.
Jetzt haben wir den Gesamtüberblick. Im Süden beginnt die Wolke
mit einem ovalen, leicht schräg stehenden Knoten, von dem aus sich eine
Kette länglicher Knoten - sie bilden den "Stengel" der Blume - nach Norden
zieht. Diese Kette endet in einem ersten, waagrecht liegenden, ovalen Knotenbereich,
von dem aus Filamente nach NE und NW weggehen. Ein weiteres, großes
Filament erstreckt sich nach SW. Nördlich des ersten dichten Knotens
liegen zwei weitere rundliche, sehr dunkle, große Knoten (übereinander),
die drei Bereiche sind durch feine dunkle Filamente miteinander verbunden.
Ein spektakuläres Gebilde, eine große, reich strukturierte Dunkelwolke.
B92, weiter westlich, ist größer, füllt fast das gesamte
Gesichtsfeld aus, ist ebenfalls eine reich strukturierte Dunkelwolke.
- B90, 4" Vixen, 35mm Superplössl: Ein runder Dunkelnebel in einem
sehr reichen Milchstraßenfeld. Das Feld wirkt "invers": Nachdem der
Hintergrund in dieser reichen Milchstraßengegend hell erscheint aufgrund
der unzähligen schwachen Sterne und der Dunkelnebel eben dunkel, sieht
das ganze aus wie das "Negativ" eines hellen Nebels auf dunklem Himmelshintergrund.
Nur die Vordergrundsterne spielen da nicht mit, und so ergibt sich ein sehr
ungewöhnlicher Himmelsanblick. Im 26mm Plössl ist eine Struktur
in der Dunkelwolke zu erkennen, doch der Rand ist nicht leicht zu halten.
- NGC 6520 + B86, 4" Vixen, 10,5mm Pentax: Der typische Anblick! Der
kleine, dichte Haufen und die direkt daran anschließende dunkle Wolke.
- M54, 4" Vixen, 26mm Plössl: Klein, rund, hell, diffus, nicht
auflösbar.
- M70, 4" Vixen, 35mm Superplössl: Klein, rund, diffus, bei indirektem
Sehen andeutungsweise am Rand aufgelöst. Sehr reiches Feld. Auffällig:
Ein wenig südlich steht eine gerade Reihe aus vier schwachen Sternchen.
- M69, 4" Vixen, 10,5mm Pentax: Rund, diffus, leicht konzentriert, bei
indirektem Sehen einige wenige Sterne am Rand. Im 35mm Superplössl ist
im gleichen Gesichtsfeld auch noch der kleine Kugelsternhaufen NGC 6652 zu
erkennen, sehr klein, diffus und nicht aufgelöst.
- M17, 4" Vixen, 35mm Superplössl: Sehr hell, sehr klein, aber
dafür sehr deutlich und gut abgehoben in dieser sternreichen Gegend.
Im 26mm Plössl erkennt man die Struktur ("Schwan" und Ausläufer)
sehr deutlich. Unterhalb von M17 hat man den Eindruck einer Dunkelwolke.
Im 35mm Superplössl erkennt man im gleichen Feld auch noch den offenen
Sternhaufen M18, doch der ist nicht spektakulär, sehr klein, hebt sich
einigermaßen vom Hintergrund ab.
- M16, 4" Vixen, 26mm Plössl: Sehr deutlich ist der Nebel, auch
die Dunkelwolke ist deutlich; in diesem Augeblick zieht ein heller Sagittaride
-- sie begleiten uns mit zum Teil sehr hellen Erscheinungen bis -4mag schon
die ganze Zeit -- mit deutlich grüner Leuchtspur genau durch das Gesichtsfeld
und über das Objekt. Bei indirektem Sehen erkennt man auch die "Finger".
Es kommt leichter Ostwind auf, ich montiere den Windschild der Sternwarte.
Es ist immer noch sehr warm, +12°C.
- M4, 4" Vixen, 14mm Pentax: Sehr schön aufgelöst, sehr groß,
auch der längliche Balken in der Mitte ist sehr deutlich.
- NGC 6397, 4" Vixen, 14mm Pentax: Sehr schön aufgelöst, helles
Zentrum, diffus hinterlegt, weit auslandende Ausläufer, ca. 1/3 GesF.
Jetzt steht die Kleine Magellansche Wolke schon wieder sehr hoch; ich
beginne mit CCD-Aufnahmen aus der Region und beobachte sie flankierend mit
dem 4" Vixen, um einen Überblick zu bekommen.
- NGC 346 - 371 - 396, 4" Vixen, 14mm Pentax: Sehr deutlich strukturiert,
371 ist gut in Einzelsterne aufgelöst, 346 sehr hell und diffus, 396
klein, diffus mit wenigen Sternen.
- NGC 456 - 460 - 465, 4" Vixen, 14mm Pentax: Sehr deutlich, 456 gut
in Sterne aufgelöst.
Während die Aufnahmen am C8 laufen, bereite ich mich visuell auf
die letzte Einstellung vor.
- NGC 253, 4" Vixen, 14mm Pentax: Sehr groß, länglich, hell,
diffus, aber ohne Details. Schon im Sucher gut zu erkennen und daher leicht
aufzufinden.
Fazit: Die beste Nacht bisher, eine reiche Beobachtungsnacht mit nicht
weniger als 19 (!) fotografischen Einstellungen von jeweils 15-20 Minuten
Belichtungs- und Einstellzeit, kein Wunder, daß es spät wurde ...