Jetzt sind also die großen Anlaufschwierigkeiten gemeistert. Der Himmel ist klar und dunkel, die Kamera fix am Gerät montiert. Die Kamera: Eine ASI 1600MMpro gekühlte CMOS-Kamera mit einem 8-Positionen Filterrad. Die Filter sind ein IR-Blockfilter für Luminanz, Farbfilter für Rot, Grün und Blau (jeweils auch mit IR Blockanteil), Schmalbaldfilter für Hα O-III und S-II sowie ein IR Passfilter 742nm (der kommt heuer leider nie zum Einsatz). Das Filterrad ist mit einem kurzen USB-2 Kabel am USB-Hub in der Kamera angeschlossen.
Die Kamera selbst wird mit einem 3m langen USB-3 Kabel an meinen Laptop angeschlossen. Ich gebe ihm gegenüber dem kleineren Tablet den Vorzug, da ich letzteres für Webcamaufnahmen draußen am LX-200 verwende. Strom ist in der Hütte der Sternwarte vorhanden, das ist kein Thema. Ein Thema war die Verwendung eines aktiven USB-3 Hub, der es ermöglicht hätte, den Laptop nicht neben dem Fernrohr, sondern im getrennten Beobachtungsraum in der Mitte der Sternwarte zu betreiben und so eine nicht unerhebliche Lichtquelle zu vermeiden. Allerdings verweigerte die Kamera samt Filterrad, hinter dem USB-3 Hub erkannt zu werden. Kurze Internetrecherche vor Ort ergab "geht nicht". Punkt. Ein weiteres Problem also.
Ich lasse mich nicht allzu lang von der Technik ärgern und verkleide den Gittertubus des Deltagraphen mit dem dazu vorgesehenen schwarzen Tuch. Das macht zwar bei Wind die Beobachtung problematischer, dafür fällt kein Streulicht direkt in den Korrektor und die Kamera. Der Laptop verschwindet unter einem schwarzen Tuch (T-Shirt), Leuchtdioden an diversen Netzgeräten etc. werden mit schwarzem Isolierband überklebt. Jetzt ist es rund ums Teleskop dunkel.
Noch einmal die Konfiguration und Verkabelung: Im Primärfokus des Fernrohrs, also vorne vor der Öffnung, sitzen Kamera und Filterrad (ja, das stört schon, geht aber nicht anders bei einem Deltagraphen). Die Kabel für Stromversorgung (12V, relativ dünn) und Daten (USB-3, relativ dick) führen, fixiert mit Klettbändern, an der Spinne der Korrektorhalterung (ja, auch das stört optisch) und am Gittertubus entlang zur Montage des Tubus an der Montierung. Dort treffen sie auf das Steuerkabel des Fokusmotors (relativ dick), das ebenfalls über Spinne und Gittertubus führt, dort aber fix montiert ist. Die drei Kabel führen in einer lockeren Schleife, die die Bewegung des Tubus in Deklination ermöglicht, zum Kopf der EQ8-Montierung, wo sie locker mit Klettband fixiert sind. Aus Längengründen führt das USB-3 Kabel von dort direkt zum Laptop, während die anderen Kabel noch am Montierungsfuss fixiert sind.
Doch das ist nicht alles. Seitlich am Tubus des Deltagraphen ist noch der 8x50 Sucher mit dem MGEN Autoguider montiert. Das Kamerakabel, ein Ethernet-Patchkabel und damit auch eher dick, wird aus Längengründen direkt vom Tubus nach einer Zugentlastung zum MGEN geführt, der nahe dem Montierungsfuss auf dem Betonsockel liegt bzw. dort mit einem Klettband fixiert ist. Vom MGEN führt noch ein Kabel zur Stromversorgung (12V, relativ dünn) zu einem Netzgerät an der Steckdosenleiste, es wird nur bewegt, wenn ich den MGEN in die Hand nehme, und das Guidingkabel in die Montierung. Es ist ein Telefonkabel und wird locker gelassen, da es die Bewegung der Montierung in Rektaszension mitmachen muss.
Also, der Himmel ist klar und dunkel, APT - Astro Photography Tool, das Programm, das ich zum Aufnehmen verwende (sehr zu empfehlen!), funktioniert und erkennt Kamera und Filterrad. Jetzt mittels Cooling Aid die Kamera kühlen. Ich wähle -10°C. Feig, es ginge tiefer, da die Außentemperatur oft unter +10°C liegt, vor allem in den ersten Nächten (einmal geht es sogar knapp gegen 0°C). Aber ich vertraue den Trockentabletten in der Kamera nicht und habe Angst vor Eisbeschlag. -10°C ist ohnedies eine gute Temperatur. Es kann losgehen. Nicht vergessen, den Objektnamen einzutippen. APT organisiert die Bilder gut, aber es schadet nicht, der Aufnahmeserie den Names des Objekts zu geben.
Halt, Fokus kontrollieren! Leider kann mit dem Deltagraphen keine Bahtinov-Maske verwenden, da Korrektor plus Kamera weit über den Tubusrand hinaus ragen. Also bleibt nur Live View von APT. Der motorgetriebene Fokussierer des Deltagraphen reagiert extrem langsam, dafür ist er genau. Ganz scharf bekomme ich die Sterne nicht, aber die schwächsten Sterne fallen so gut wie in ein Pixel, auch wenn ein Halo bleibt. Es wäre nötig, nachzujustieren, doch ich habe keinen so genauen Laser. Es sollte am Stern passieren, vielleicht mache ich das in einer späteren Nacht. Mache ich dann nicht, weil von Nacht zu Nacht das Seeing schlechter wird. Leider.
Die Anspannung ist jetzt enorm. Wie am Start bei einem Abfahrtslauf, denke ich. Das Material ist vorbereitet, so gut es eben ging. Ich habe trainiert, oft und gewissenhaft, ausgewogen. Stimmt die Form? Die mentale Einstellung? Fünf ... vier ... drei ... zwei ... eins ... Start. Die Zeit läuft. Die Aufnahmeserie läuft. Ich warte das erste Bild ab. Unter schwarzem Tuch ein vorsichtiger Check. Sieht brauchbar aus. Doch Genaues wird erst die Bearbeitung zeigen. Ich gehe hinaus um den Himmel zu genießen. Zuviel Technik, viel zu viel ...
Eigentlich habe ich so gut wie alle "Klassiker", die um diese Jahrezeit am Himmel stehen, in den letzten Jahren fotografiert und bin auch mit den meisten Ergebnissen zufrieden gewesen. Es braucht also eine neue Herausforderung, und die lautet Schmalband. Damit habe ich noch wenig experimentiert. Heuer möchte ich ein paar Aufnahmen mit dieser Technik machen. An ein paar bekannten Nebeln (Adlernebel M16, Lagunennebel M8) mache ich zunächst Aufnahmeserien in RGB und Hα, verwende Hα als Luminanz-Kanal. Das ist natürlich nicht ganz korrekt, aber da die Sterne in diesem Kanal brauchbar abgebildet werden, geht das. Experimentieren, ja, das habe ich mir vorgenommen.
Damit ich halbwegs beurteilen kann, ob die Aufnahmen brauchbar sind, mache ich am nächsten Tag nach dem Frühstück eine erste rasche Ausarbeitung mit DeepSkyStacker. Danach ein LRGB-Komposit mit Photoshop und eine grobe Bearbeitung mit ACDSee. Diesen "Old School" Workflow kann ich im Schlaf und er geht schnell. PixInsight, diesen softwareergnonischen Supergau, tu ich mir vielleicht später, daheim an. Oder den neuen AstroPixelProcessor (APP), der deutlich benutzerfreundlicher ist. Hier also erste Ergebnisse. Zunächst einmal die Hα-Bilder:
Der Adlernebel, IC 4703, im Schwanz der Schlange (Serpens Cauda) im Hα-Licht. ASI 1600MMpro gekühlte CMOS-Kamera
an 8" Boren-Simon Astrograph f/4. Belichtungszeit 10 x 5 Minuten. 31. August 2019. Aufnahme: APT. Bearbeitung: DeepSkyStacker - ACDSee. (Mit Mausklick vergrößern)
Der Lagunennebel (Messier 8) im Schützen im Hα-Licht. ASI 1600MMpro gekühlte CMOS-Kamera
an 12" Deltagraph f/3.3. Belichtungszeit 9 x 5 Minuten. 2. September 2019. Aufnahme: APT. Bearbeitung: DeepSkyStacker - ACDSee. (Mit Mausklick vergrößern)
Die Aufnahmen mit Hα-Filter zeigen jene Bereiche hell, in denen ionisierter Wasserstoff im Licht der Hα-Linie der Balmer-Serie (Wellenlänge 656,3nm) leuchtet. Da der Filter nicht extrem schmalbandig ist, sind die Sterne auf den Aufnahmen auch zu erkennen. Eigentlich sollten sie nicht, denn wie wir von der Sonne wissen, haben die meisten Sterne in ihrem Spektrum Hα als Absorptionslinie, weil kühlerer Wasserstoff aus der Sternatmosphäre das Kontinuum des dichten Sterns absorbiert. Also eigentlich leuchten Sterne in genau diesem Licht nicht. Doch da der Filter eben nicht extrem schmalbandig ist, geht "links und rechts" der Linie im Spektrum genügend Licht durch, um die Sterne sogar gut sichtbar zu machen. Für die ganz Gescheiten: Die Radialgeschwindigkeit jedes einzelnen Sterns würde die Hα-Linie natürlich auch verschieben. Bei professionellen Großteleskopen mit extrem schmalbandigen Filtern muss das kompensiert werden, wenn im Hα-Licht beobachtet werden soll.
In den schwarz-weißen Hα-Bildern ist also zu erkennen, wo sich einfach ionisierter Wasserstoff befindet; Wasserstoff, dem durch die hochenergetische Strahlung der jungen Sterne im Nebel ein Elektron angeregt (auf ein höheres Niveau gehoben) oder gar entfernt wurde und der nach erneutem Übergang des Elektrons in ein niedrigeres Niveau oder Einfang eines neuen Elektrons (Rekombination) eben genau diese Strahlung mit einer Wellenlänge von 656,3nm abgibt.
Ich verwende die Hα-Bilder, nicht ganz korrekt, als kontrastreiche Luminanz-Kanäle, die eigentlichen Farben nehme ich mit üblichen RGB-Filtern (und 2x2-Binning, um Empfindlichkeit auf Kosten der Schärfe zu gewinnen und Zeit zu sparen) auf. Hα als Rot wirkt mir zu unnatürlich. Hier die HαRGB-Komposite:
Der Adlernebel, IC 4703, im Schwanz der Schlange (Serpens Cauda) im Hα-RGB-Komposit. ASI 1600MMpro gekühlte CMOS-Kamera
an 8" Boren-Simon Astrograph f/4. Belichtungszeit 10 x 5 Minuten Hα binning 1x1, je 10 x 4 Minuten RGB binning 2x2.
31. August 2019. Aufnahme: APT. Bearbeitung: DeepSkyStacker - Photoshop - ACDSee. (Mit Mausklick vergrößern)
Der Lagunennebel (Messier 8) im Schützen im im Hα-RGB-Komposit. ASI 1600MMpro gekühlte CMOS-Kamera
an 12" Deltagraph f/3.3. Belichtungszeit 9 x 5 Minuten Hα binning 1x1, je 6 x 4 Minuten RGB binning 2x2.
2. September 2019. Aufnahme: APT. Bearbeitung: DeepSkyStacker - Photoshop - ACDSee. (Mit Mausklick vergrößern)
Wieder der Vergleich mit dem Abfahrtslauf. Abschwingen im Ziel. Blick auf die Zeit: Großer Rückstand. Material? Form? Mit dem Ergebnis unzufrieden ... Halt! Ich erkenne, dass dieser Vergleich nicht gut ist. Mir macht Astronomie großen Spaß, seit fast einem halben Jahrhundert, vor allem, wenn ich anderen etwas erklären kann. Ich genieße den Himmel aber auch gerne selbst und als solches mache ich auch gerne Fotos, probiere Techniken aus, freue mich, wenn die Ergebnisse passen, für mein persönliches Gefühl. Aber: Es darf kein Sport daraus werden, schon gar kein Leistungssport! Leider vermitteln viele Foren dieses Gefühl und schaukeln ihre Mitglieder zu Höchstleistungen auf, bei denen dann mehr und mehr die Astronomie auf der Strecke bleibt und am Ende nur mehr Technik da ist. Stefan Seip, der gerade hier auf Hakos einen seiner tollen Astrofotokurse hält, hat es einmal auf den Punkt gebracht: "Fotografie ist eine Kunst, Astrofotografie ist eine Technik". Die Motivwahl, die Wahl der Technik, all das entfällt in der Astrofotografie. Was bleibt ist, möglichst viele der seltenen Photonen zu sammeln und nach einem fixen Schema - dem Workflow - ein Bild daraus zu machen, das viele schon x Mal zuvor gemacht haben. Für mich, und das sage ich als Techniker, ist diese Technik nicht Selbstzweck, sondern notwendiges Übel. Sie auf ein Minimum zu reduzieren ist eigentlich mein Ziel.
So schwankte ich, ob ich die Bilder überhaupt zeigen soll. Im Sinne der üblichen Foren sind sie schlecht oder zumindest nicht gut. Nicht lange genug belichtet, nicht gut fokussiert, mit Nachführfehlern (an denen ich übrigens auch kiefle während des ganzen heurigen Aufenthalts), mit optikbedingten Fehlern (ungeeignetes Gerät) usw. Aber ich zeige sie, weil sie mir gefallen. Und weil ich damit etwas vermitteln kann: Nämlich, sich von der Technik nicht die Freude an der Astronomie nehmen zu lassen. Denn die Schönheit des Weltalls steckt in den Objekten selbst drin.
Noch zwei Bilder in der herkömmlichen LRGB-Technik. Für L (Luminanz) verwende ich einen IR Blockfilter. Ein Wort zum Binning. 1x1 bedeutet, dass jedes Pixel des Sensors ein Pixel auf dem Bild wird, wie man es erwarten würde. 2x2 bedeutet, dass elektronisch vier Pixel auf dem Sensor zusammengeschaltet werden. Dies gibt vierfache Empfindlichkeit (OK, nicht ganz genau vierfach wegen diverser technischer Einschränkungen), aber nur halbe Auflösung. Da Schärfe und Kontast aus dem L-Bild kommen, das mit voller Auflösung aufgenommen wird, reicht bei den Farbkanälen die halbe Auflösung. Dafür wird der durch die Filter bedingte Helligkeitsverlust durch das Binning wettgemacht.
Der Trifidnebel (Messier 20) im Schützen im im LRGB-Komposit. ASI 1600MMpro gekühlte CMOS-Kamera
an 12" Deltagraph f/3.3. Belichtungszeit 10 x 4 Minuten Hα binning 1x1, je 10 x 4 Minuten RGB binning 2x2.
1. September 2019. Aufnahme: APT. Bearbeitung: DeepSkyStacker - Photoshop - ACDSee. Dies ist das First Light
Picture des 12" Deltagraphen. (Mit Mausklick vergrößern)
Der Garnelennebel (IC 4628) im Skorpion im im LRGB-Komposit. ASI 1600MMpro gekühlte CMOS-Kamera
an 8" Boren-Simon Astrograph f/4. Belichtungszeit 7 x 4 Minuten Hα binning 1x1, je 7 x 4 Minuten RGB binning 2x2.
30. August 2019. Aufnahme: APT. Bearbeitung: DeepSkyStacker - Photoshop - ACDSee. (Mit Mausklick vergrößern)
Adler-, Trifid- und Lagunennebel. Dutzende Lichtjahre große Wolken aus Wasserstoff, die sich in ihren Zentren so verdichtet haben, dass Sterne darin entstehen. Einige wenige wie beim Trifidnebel, ganze Sternhaufen beim Adler- und Lagunennebel. Die jungen, heißen Sterne ionisieren den Wasserstoff und bringen ihn so zum Leuchten, so dass wir die "Nebel" vor allem in diesem charakteristischen roten Licht sehen, das der Hα-Filter ganz bewusst herausholt. Die jungen, heißen Sterne komprimieren auch mit ihrer Strahlung die Wasserstoffwolke, in der sich entlang von Schockfronten Verdichtungen bilden, so genannte Globulen, in denen sich die nächsten Sterne bilden werden - in ein paar Millionen Jahren. All das ist visuell, am Fernrohr, kaum auszumachen, aber die Fotos zeigen es deutlich. Momentaufnahmen aus dem gigantischen Prozess der Sternentstehung. Toll! Darum fotografiere ich diese Objekte. Nur darum.
Während die Aufnahmeserien laufen, betrachte ich die schönsten Objekte visuell am LX-200 oder den Himmel ganz einfach mit freiem Auge. Er ist so schön! Viele Sternschnuppen. Hoffentlich saust keine durch das Bildfeld, das ich gerade aufnehme. Doch die Chance dafür ist sehr gering. Flugzeuge gibt es hier am Himmel auch keine, keine Flugroute führt über Hakos. Und die meisten Erdsatelliten befinden sich im Erdschatten. Bis auf ein paar geostationäre, die noch für das eine oder andere Rätsel sorgen sollen.
Meine Fotonächte enden meist gegen 3 Uhr, nur einmal wird es 4 Uhr morgens. Dunkel wäre es noch zwei oder drei Stunden, aber ich will es nicht übertreiben. Die Gesundheit sollte auch noch vorgehen.
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