Astroreisende kommen nach Namibia wegen des dunklen Himmels und um darin Deep Sky Objekte in einer Weise zu bestaunen oder zu fotografieren, wie sie in unseren Breiten nicht möglich ist. Dabei gibt es störende Elemente. Eines sind Wetterbedingungen, über die habe ich bereits berichtet. Ein anderes kehrt mit Regelmäßigkeit wieder und beendet gnadenlos rund alle vier Wochen das muntere Treiben der Astroreisenden: Der Mond.
Mit jedem synodischen Umlauf taucht er nach Neumond als Neulicht das erste Mal am Abendhimmel im Westen (ja, im Westen, wie bei uns) auf und dehnt seine Präsenz von Nacht zu Nacht aus. Er ist es, der dem Leben hier auf Hakos den Rhythmus gibt. Ist vor und um Neumond in den abzählbaren Wochenenden der Trockenzeit von Mai bis Oktober im Regelfall kein Zimmer zu bekommen, wird die Belegung mit zunehmendem Mond (im wahrsten Sinn des Wortes) dünner, reisen mehr und mehr Personen wieder ab. Um Vollmond müsste es hier beschaulich sein. In der Tat geht dann astronomisch nicht viel. Es müsste reizvoll, aber nicht ungefährlich sein, die Gegend nachts zu erkunden.
Jeden synodischen Monat beginnt es so: Mit dem Neulicht endet langsam die Neumondperiode. (Mit Mausklick vergrößern)
Schon einen Tag nach Neulicht ist der Mond in der Abenddämmerung sehr markant, geht aber bald unter.
Noch einen Abend später. Beachte den enormen Dunst an diesem Abend.
Monduntergang mit Zodiakallicht am 31. August 2019. (Mit Mausklick vergrößern)
Am 1. September ist der Mond schon so hell, dass das Zodiakallicht nicht mehr zu sehen ist. (Mit Mausklick vergrößern)
Monduntergang gegen Mitternacht hinter der IAS am 5. September. (Mit Mausklick vergrößern)
Heuer habe ich den Aufenthalt - zunächst vielleicht unbewusst, dann aber durchaus überlegt - etwas in die Mondperiode gelegt. Zu groß war die Neugier, wie denn die nächtliche Landschaft hier im Mondlicht aussieht, und welche Möglichkeiten sich bei Mond ergeben. Was allerdings sehr überraschend war ist der Umstand, wie hell das Mondlicht schon vor dem Ersten Viertel ist. Aber kein Wunder, der Mond steht ja auch sehr hoch am Himmel und die Sicht ist auch bei Mond sehr viel klarer als bei uns.
Ums Erste Viertel. Hakos im Mondschein, eine neue Erfahrung. (Mit Mausklick vergrößern)
Mondhelle Nacht. (Mit Mausklick vergrößern)
Sternstrichspuren über der mondhellen Landschaft.
Sternstrichspuren über der mondhellen Landschaft. (Mit Mausklick vergrößern)
Na ja, der Mond ist ja auch kein schlechtes Beobachtungsobjekt. Allerdings sind die Geräte meist nicht auf Mondfotografie optimiert. Doch, mit dem Deltagraphen ginge es sogar, der Mond würde bequem auf den Sensor passen, doch mit diesem Gerät habe ich anderes vor. Also dient einmal mehr das LX-200 als Gerät der Wahl, auch wenn ich bei 3m Brennweite mit der Canon EOS 70D nicht weniger als 6 Einzelbilder machen muss, um diese dann als Mosaik zusammen zu setzen. Das gibt aber ein sehr schönes, scharfes Mondbild. Ein HDR-Kompsit erspare ich mir aber, nicht der Aufnahme wegen, aber allein schon wegen des Gedankens an die dann erforderliche Bearbeitung.
Der Mond kulminiert einen Tag vor dem Ersten Viertel knapp nördlich vom Zenit. (Mit Mausklick vergrößern)
Muss auch sein: Der Mond im Fernrohr. Mosaik aus 6 Aufnahmen am 12" LX-200, F=3000mm f/10 mit Canon EOS 70D. AutoPano pro - ACDSee. 6. September 2019. (Mit Mausklick vergrößern)
Geht gar nichts bei Mond? Aber ja doch. Erstens könnte ich Sternhaufen mit kurzer Belichtungszeit aufnehmen, aber ich will ja weiter experimentieren und habe ein anderes Projekt. Das Zauberwort ist Schmalband. Ich hatte schon in den letzten Nächten mit Hα aufgenommen, jetzt ist Zeit für alle drei Farbbereiche: Hα, O III und S II. Was hat es damit auf sich?
Wir sehen Emissionsnebel, weil in ihnen bestimmte Elemente durch hochenergetische Strahlung junger, heißer Sterne zum Leuchten angeregt werden, das habe ich ja schon in einem der früheren Kapitel in diesem Bericht beschrieben. Neben dem einfach ionisierten Wasserstoff (H II) sind es der doppelt ionisierte Sauerstoff (O III) und der einfach ionisierte Schwefel (S II), in deren Licht solche Wolken oft leuchten. Der einfach ionisierte Wasserstoff leuchtet im Licht der Balmer-Serie, von der Hα mit einer Wellenlänge von 656,3 ein tiefroter Farbton ist. Eine weitere Linie, Hβ mit einer Wellenlänge von 486,1nm im blaugrünen Bereich, wird gerne für visuelle Beobachtung verwendet, kommt fotografisch aber kaum zum Einsatz. Diese Linie gibt vielen H II-Gebieten in DSLR-Aufnahmen den grünen Farbton, wenn die Kamera bei Hα aufgrund des IR-Blockers nicht mehr empfindlich genug ist. Hγ etc. haben weder fotografisch noch visuell eine Bedeutung. O III ist eine doppelte Spektrallinie bei 496nm und 501nm, sie liegt auch im blaugrünen Bereich des Spektrums. S II wiederum hat eine Wellenlänge von 672nm, was jener von Hα nicht unähnlich und tiefrot ist.
Zu O III gibt es eine Anekdote. Die Spektrallinien wurden zu einer Zeit entdeckt, als die Physik noch keine Ahnung vom Atomaufbau hatte, 1802 durch William Wollaston und unabhängig von ihm 1814 durch Joseph Fraunhofer. Der Physiker Kirchhoff und den Chemiker Bunsen finden 1859 den Zusammenhang zwischen Spektrallinien und chemischen Elementen und können Elemente anhand ihres Spektrums identifizieren. Eine physikalische Erklärung der Spektrallinien liefert aber erst Niels Bohr im frühen 20. Jahrhundert. Für "seine Verdienste um die Erforschung der Struktur der Atome und der von ihnen ausgehenden Strahlung" erhält er 1922, ein Jahr nach Albert Einstein, den Nobelpreis für Physik. Zurück zur O III-Linie. Da diese Emissionlinie nur bei extrem geringer Dichte wie eben im Weltall auftreten kann und in irdischen Labors nicht erzeugt werden konnte, wurde sie einem bisher unbekannten Element, genannt "Nebulium" ("Nebelelement"), zugeordnet. Erst 1927 identifizierte sie William Huggins als Sauerstoff-Linie. Es handelt sich um eine so genannte "verbotene Linie", die bei einem Elektronenübergang entsteht, der selten bis gar nicht auftritt. Übrigens: Beim Helium, dem "Sonnenlement", handelte es sich wirklich um ein neues Element, das im Sonnenspektrum entdeckt wurde und auf der Erde zunächst unbekannt war.
Das schöne an Aufnahmen mit Schmalbandfiltern ist, dass sie die wirkliche Verteilung der Elemente im Weltall zeigen. Wo Licht in der Hα-Linie ist, ist Wasserstoff. Wo Licht in der O III-Linie ist, ist Sauerstoff. Wo Licht in der S II-Linie ist, ist Schwefel. Sie haben also einen wissenschaftlichen Wert. Und: Schmalbandaufnahmen sind auch bei hellem Mondlicht möglich! Die Himmelsaufhellung durch den Erdtrabanten (reflektiertes und gestreutes Sonnenlicht) ist ein Kontinuum, von dem nur ein kleiner Teil in den Bereich der schmalbandigen Filter fällt.
Aber was weiter? Aus zwei oder drei Aufnahmen mit schmalbandigen Filtern lässt sich ein Falschfarbenbild erzeugen, in dem dem Spektralbereich willkürlich eine Farbe zugeordnet wird. In der so genannten Hubble-Palette, die auch bei Aufnahmen des Hubble Space Telescope zum Einsatz kommt, erfolgt die Zuordnung so: S II als rot, Hα als grün und O III als blau. Das färbt den Nebel, der primär Wasserstoff enthält, natürlich grün und gibt den Sternen den charakteristischen Pink-Ton, den wir von frühen Hubble-Aufnahmen kennen, als dies durch die Bearbeitung noch nicht kompensiert wurde. Die Zuordnung Hα als rot, S II als grün und O III als blau ergibt ein anderes Bild, das lädt zum Experimentieren ein. Vor allem aber: Der Mond stand ziemlich in der Nähe von diesem lang belichteten Deep Sky Objekt.
Deep Sky Fotografie am 12" Deltagraphen im hellen Mondlicht.
Der Omega-Nebel Messier 17 im Licht des Wasserstoffs (Hα). ASI 1600 MMpro an 12" Deltagraph f/3.3, Hα-Filter, 12 x 6 Minuten.
Aufnahme: APT. Bearbeitung: DeepSkyStacker 4.1 - ACDSee. 5. September 2019. (Mit Mausklick vergrößern)
Der Omega-Nebel Messier 17 im Licht des zweifach ionisierten Sauerstoffs (O III). ASI 1600 MMpro an 12" Deltagraph f/3.3, O-III-Filter, 12 x 6 Minuten.
Aufnahme: APT. Bearbeitung: DeepSkyStacker 4.1 - ACDSee. 5. September 2019. (Mit Mausklick vergrößern)
Der Omega-Nebel Messier 17 im Licht des ionisierten Schwefels (S II). ASI 1600 MMpro an 12" Deltagraph f/3.3, S-II-Filter, 12 x 6 Minuten.
Aufnahme: APT. Bearbeitung: DeepSkyStacker 4.1 - ACDSee. 5. September 2019. (Mit Mausklick vergrößern)
Der Omega-Nebel Messier 17 in Falschfarben: Hα = Grün, O III = Blau, S II = Rot. ASI 1600 MMpro an 12" Deltagraph f/3.3, je 12 x 6 Minuten.
Aufnahme: APT. Bearbeitung: DeepSkyStacker 4.1 - Photoshop - ACDSee. 5. September 2019. (Mit Mausklick vergrößern)
Der Omega-Nebel Messier 17 in Falschfarben: Hα = Rot, O III = Blau, S II = Grün. ASI 1600 MMpro an 12" Deltagraph f/3.3, je 12 x 6 Minuten.
Aufnahme: APT. Bearbeitung: DeepSkyStacker 4.1 - Photoshop - ACDSee. 5. September 2019. (Mit Mausklick vergrößern)
Was ist schon Farbe? Jeder Sensor "sieht" Farben anders, unsere Augen anders als jede Kamera und so weiter. Falschfarbenbilder zeigen die Verteilung von Elementen im Weltall, nicht mehr und nicht weniger. Ob sie uns gefallen ist dabei eher sekundär und ob sie "echt" sind ist eine rein philosophische Diskussion.
Mondhelle Nächte in Namibia. Da geht doch einiges!
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